Der heilige Milles, in der Landschaft der Razichäer geboren, wurde am persischen Hof erzogen, und bekleidete eine ansehnliche Stelle im Kriegsheer. Als er aber das Christentum angenommen hatte, zog er sich nach Elam in Susiana zurück (Susa oder Sus, die Hauptstadt von Chusistan, dass das Land der Urii oder Huziten, Lapeta, Elam oder Ilam – so genannt von Elam, dem Sohn des Sem – in sich begreift). Durch sein Beispiel und seine Ermahnungen bekehrten sich viele Ungläubige. Endlich ließ er sich die heiligen Weihen erteilen, um dieser aufkeimenden Kirche desto besser wirken zu können. Kurz danach wurde er zum Bischof von Susa erwählt, und vom heiligen Gadiabes, Bischof von Lapeta, geweiht, der auch sein Blut für den Glauben vergoss. Mit unermüdlichem Eifer arbeitete er nun an der Ausrottung des Lasters und der Abgötterei, allein mit geringem Erfolg. Er wurde sogar von den Heiden misshandelt, die ihn oft an den Haaren durch die Straßen schleiften, grausam schlugen und vielfache Schmach ihm zufügten.
Die Stadt Susa war groß und reich, und obgleich von Alexander geplündert, hatte sie sich doch wieder zu einem blühenden Wohlstand erhoben. Man sah daselbst noch den alten Palast, der mehrere Jahrhunderte vorher erbaut wurde und eines der größten und prachtvollsten Gebäude der Welt gewesen war. Allein die Laster hatten sich als eine Folge des Reichtums furchtbar verbreitet, und es herrschte da eine schreckliche Sittenlosigkeit. Die Christen, obgleich in geringer Zahl, vergaßen das Evangelium, und ließen sich vom allgemeinen Verderbnis mitreißen. Der heilige Milles entschloss sich daher sowohl wegen ihres verstockten Sinnes als der beständigen Verfolgungen durch die Götzendiener, und der bürgerlichen Unruhen, Susa zu verlassen, nachdem er zuvor den lasterhaften Einwohnern das herannahende Strafgericht Gottes angekündigt hatte.
Der heilige Milles, voll Verlangen, die heiligen Orte und die durch ihre Tugenden berühmten Diener Gottes zu sehen, reiste nach Jerusalem und dann nach Ägypten. Er trug nichts bei sich, als sein Evangelienbuch. Seine Reise war der Andacht, der Buße und der Geistesversammlung gewidmet. In Ägypten besuchte er den heiligen Ammonius, Schüler des heiligen Antonius, und Vater der Weiner. So nannten die Perser die Ordensmänner, wegen des schwarzen Kleides, das sie trugen. Auf seiner Rückreise in sein Vaterland besuchte er den heiligen Jakob von Nisibis, der damals seine große Kirche bauen ließ. Von Nisibis nahm er den Weg nach Assyrien, wo er einen großen Vorrat von Seide kaufte, den er dem heiligen Jakob zur Ausschmückung seiner Kirche schickte.
Zu Seleucia und Ktesiphon fand er große Verwirrung und Unordnung unter den dortigen Christen. Das Übel war veranlasst worden durch den Übermut und Trotz des dortigen Bischofs Papas, der sich seine Geistlichkeit abwendig gemacht, und durch unerbaulichen Wandel eine Spaltung veranlasst hatte (Seleucia und Ktesiphon an den beiden Ufern des Tigris erbaut, konnten als eine Stadt angesehen werden. Sie war Persiens Hauptstadt unter den Sassaniden. Die Könige hielten da ihr Hoflager. Zuweilen wohnten sie auch zu Fedan, der Hauptstadt der Huziten, und häufig zu Lapeta. Bagdad, das die Sarazenen auf den Trümmern Seleucias erbauten, das sie im Eroberungskrieg zerstört hatten, liegt nahe beim alten Babylon am Euphrat, in Chaldäa. Strabo und Diodor von Sizilien, die unter Augustus Regierung schrieben, sagen, dieser Ort sei beinahe öde gewesen. Eusebius sagt auch, er sei zu seiner Zeit eine Wüste gewesen. Nach dem heiligen Hieronymus hatten die persischen Könige dort einen Park für die Rotwildjagd angelegt. Der Jude Benjamin von Tudela in Navarra, der im 12. Jahrhundert schrieb, sagt in seinen Reisen, er habe Babylon gänzlich zerstört gefunden; man sehe die Trümmer des nabuchodonosorischen Palastes; die Gegend sei, nach dem Buchstaben, die Wohnung der Schlangen, die sich da in so großer Anzahl aufhielten, dass niemand zu nahen sich getraue. Sicher kann man den Ort, wo Babylon stand, nicht genau bestimmen. Die Erzbischöfe von Seleucia führten einen Titel, der eine Art Patriarchenwürde ausdrückte. Dieser Ursache wegen werden auch ihre Nachfolger, die den Nestorianismus annahmen, nestorianische Patriarchen genannt). Man hielt auch damals gerade ein Konzil zu Seleucia, um den eingeschlichenen Missbräuchen abzuhelfen, und die von mehreren Bischöfen gegen Papas erhobenen Klagen zu vernehmen. Der heilige Milles redete ihn kraftvoll und frei an. „Warum verachtest du deine Amtsgenossen? Hast du die Vorschrift Christi vergessen. Der Größte unter euch sei wie der Kleinste, und der Oberste, wie ein Diener?“ „Tor“, fuhr ihn Papas zornig an, „du willst mich unterrichten, als wüsste ich meine Pflicht nicht.“ Milles langte sein Evangelium hervor, legte es auf den Tisch, und wandte sich dann zu Papas mit den Worten: „Errötest du, von mir deine Pflicht zu vernehmen, der ich ein elender Sterblicher bin, so lerne sie wenigstens aus dem heiligen Evangelium.“ Papas, außer sich vor Wut, schlug auf das Buch und rief: „Sprich Evangelium, sprich.“ Milles nahm, erschrocken über diese gottlose Rede, das Buch zurück, drückte es ehrerbietig auf seine Lippen und auf seine Augen, wandte sich dann gegen Papas mit den Worten: „Der Engel des Herrn wird dich strafen, dass du das Wort des Lebens schmähtest. Hinstarren wird dir die Hälfte deines Leibes, und du wirst nicht daran sterben. Einige Jahre wirst du noch leben zum warnenden Beispiel der göttlichen Gerechtigkeit.“ Alsbald wurde die eine Seite des Papas vom Schlagfluss getroffen, und er stürzte zur Erde nieder. Ein neuerer Schriftsteller glaubt, dieser Schlagfluss könne eine Folge der Wut gewesen sein, von der sich der Unglückliche habe hinreißen lassen (Es ist wohl billig, dass man da keine Wunder annehme, wo sich etwas besser auf natürliche Weise erklären lässt. Allein warum denn lieber wundersam zusammentreffende Möglichkeiten annehmen, als ein ganz natürlich wundervolles Ereignis für das gelten lassen, was es ist? Wenn der Prophet dem König David den Tod seines Sohnes als Wunderstrafe ankündigte, konnte diese freilich auch aus natürlicher Ursache gestorben sein, aber wer wollte denn behaupten, dass der Prophet nicht geweissagt habe, und dass der Tod des Kindes nicht Sündenstrafe gewesen sei?); sollte er aber nicht natürlicher die Wirkungen des göttlichen Strafgerichtes sein, das oft natürlicher Ursachen sich bedient, um den Sünder zu züchtigen? Das fragliche Ereignis trug sich 314 zu. Papas nahm den heiligen Simeon zum Amtsgehilfen, und starb 326, ein Jahr nach dem Konzil von Nicäa, wo er sich durch den heiligen Sciadustes oder Sadoth als seinen Abgeordneten hatte vertreten lassen.
Der heilige Milles zog von dannen in das Land Maisan, von den Lateinern Mesena genannt, am Euphrat, wo er bei einem Einsiedler wohnte. Der Herr dieses Landes, der schon seit zwei Jahren war, erhielt durch das Gebet des Heiligen seine Gesundheit wieder. Durch dieses Wunder wurden viele Ungläubige bekehrt. Von da kehrte Milles in die Landschaft der Razichäer zurück, wo er eine große Anzahl Heiden taufte. Als aber im Jahr 341 Sapors blutige Verordnungen gegen die Christen erschienen, wurde er vom Statthalter der Provinz, Hormisdas Guphrizius, zusammen mit dem Priester Abrosimus und dem Diakon Sina ins Gefängnis geworfen, und gebunden nach Maheldagdar, der Hauptstadt der Razichäer abgeführt. Zweimal geißelte man sie und gebrauchte noch mehrere andere Mittel, um sie dahin zu bringen, dass sie der Sonne opferten, allein sie blieben unüberwindlich und lobten Tag und Nacht mit vereinigtem Gesang den Herrn in ihrem Gefängnis.
Zu Anfang des Jahres, das heißt im Oktober (die Chaldäer haben allzeit ihr Jahr am ersten dieses Monats angefangen), machte Hormisdas Vorbereitungen zu einer großen Jagd. Am Abend vor dem zur Jagd bestimmten Tag ließ er den Milles vor sich führen, und drohte, nach mehreren Vorwürfen, ihn wie ein Wild im Geschütz zu töten, wofern er nicht die Wahrheit seiner Religion beweisen könne. Der Heilige antwortete ihm bescheiden aber festen Mutes. Plötzlich versetzte ihm der grausame Statthalter einen Dolchstich in die Seite; und Narses, des Hormisdas Bruder durchstach die andere Seite. Gleich darauf verschied der Heilige. Abrosimus und Sina wurden auf zwei sich gegenüberliegenden Bergen von Soldaten gesteinigt. Am folgenden Tag verfolgten beide Brüder einen Hirsch und durchstachen sich gegenseitig; ihre Leichen blieben unbegraben den Vögeln und wilden Tieren zur Beute (Wer möchte wohl hier auch wieder das göttliche Strafgericht misskennen? Sie, diese Meuchler, die am Tag vorher blutdürstig und voll grausame Leidenschaft den Heiligen mit ihren Dolchen durchbohrt hatten, erlegten sich wechselseitig wie gereiztes Wild in ihrer blinden unmenschlichen Lust. Die Grausamkeit hat fast immer ihre Belohnung in sich selber gefunden.). Die Gebeine dieser unglücklichen Brüder wurden dann nach der Gewohnheit der alten Perser verbrannt, ein Brauch, der bis ins 6. Jahrhundert bestand, wo ihn die Mohammedaner, als die Eroberer des Landes, abschafften. Indessen haben die Christen auch in Persien. Wie in anderen Ländern, ihre Toten begraben.
Die Leiber der drei Märtyrer wurden in die Burg Malcan gebracht, und dort in einem für sie bereiteten Grab beigesetzt. Die Einwohner des Landes glaubten es ihrem Schutz zu verdanken, dass sie in der Folge nicht mehr, wie vorher, den Einfällen der sabäischen Araber ausgesetzt waren.
Unsere heiligen Blutzeugen litten im Jahr 341, dem 32. Jahr der Regierung Sapors II., am 13. Des Monats November, der damals nach dem Sonnenjahr auf den ersten eben dieses Monats fiel. Der römische Martyrologium nennt diese Heiligen mit mehreren anderen persischen Märtyrern, am 22. April, mit gebührendem Lob; die Menäen der Griechen erwähnen ihrer am 10. November.