An einem Sonntagabend des Jahres 1835 schüttelte der alte Pfarrer von Kerpen bei Köln ein über das andere Mal den Kopf. So etwas war im noch nie passiert. Kam da vor einer Stunde zwischen Tag und Dämmerung ein zweiundzwanzigjähriger junger Mann aus dem Dorf, Adolf Kolping mit Namen, ein Schuhmachergeselle, kein übler Bursche, sondern im Gegenteil ein handfester Katholik, zu ihm und erzählt ihm schüchtern, dass er Priester werden möchte. Als er, der Pfarrer, schließlich dahintergekommen war, was der junge Mann eigentlich wollte, hatte er zunächst die Brille abgenommen und den Besucher von oben bis unten angeschaut und ihm dann aus seiner weißhaarigen Erfahrung heraus im Hinblick auf die unüberwindlichen Schwierigkeiten, die sich dem Vorhaben des Pfarrkindes entgegenstellen würden, gesagt: „Aber, Adolf, was fällt dir ein? Schuster, bleib bei deinen Leisten!“
Ja, so hatte er gesagt. Ob er da wohl recht gesprochen hatte? Nein, Herr Pfarrer, das hast du ganz verkehrt gemacht, und es war ein Glück, dass der Schustergeselle leichtsinnig genug war, um die ablehnenden Worte des alten Herrn zu überhören. Frischweg machte er sich in den Abendstunden bis in die halbe Nacht hinein – denn untertags musste er schustern, um Leben zu können – auf eigene Faust an die Erlernung der lateinischen Sprache und stellte sich ein halbes Jahr später erneut bei dem Pfarrer ein mit der Bitte, ihn im Latein zu prüfen. Überlegen lächelnd tat es der geistliche Herr und kam dabei von einem Staunen ins andere, so gut konnte der alte Knabe sein Latein, und als Kolping auf die Frage, wer ihm das beigebracht habe, bescheiden antwortete, er habe es sich selbst beigebracht, kam der Pfarrer trotz seiner weißen Haare ins Feuer und setzte sogleich Himmel und Erde in Bewegung, um dem Pfarrkind bei der Erreichung des hohen Zieles zu helfen. So war wenigstens einmal ein Anfang gemacht, aber wie es weiterging, war immer noch schwer genug, schwerer jedenfalls als all das Schwere, was der Schustergeselle bereits hinter sich hatte.
Als Armeleutesohn war Adolf Kolping im Jahr 1813 geboren, ein schwächliches Kind, das nur deswegen gedieh, weil es eine gute Mutter hatte. Gern wäre er Priester geworden, aber für Schulgeld und Bücher reichte das Einkommen daheim nicht hin. Deshalb tat ihn der Vater bei einem Schuhmacher in die Lehre, wobei er sagte: „Schuster, bleib bei deinen Leisten!“
Immer wieder das gleiche Lied: „Schuster, bleib bei deinen Leisten!“ Gern wäre Adolf Kolping auch bei den Schuhleisten geblieben, wenn es nur seine Leisten gewesen wären, aber es waren seine Leisten nicht, denn während der langen Lehr- und Wanderjahre kam er nicht über den Gedanken hinweg, dass seine Leisten andere waren als die Schuhleisten, er musste Priester werden. Was ist es doch ein Glück gewesen, dass der willensstarke junge Mann durchgehalten hat, denn er ist tatsächlich Priester geworden, ein Priester, segensreich wie selten einer. Man muss nur festhalten an dem, was man sich vorgenommen hat, dann wird mit Gottes Hilfe auf die Dauer alles gut.
So lange Adolf Kolping studierte, hatte er sich mühsam mit Nachhilfestunden durchschlagen müssen, und als er einmal einen früheren Arbeitskameraden, der an den Blattern erkrankt war, bis in die Sterbestunde wie eine Mutter pflegte, wurde er angesteckt und schwebte selbst lange Wochen zwischen Leben und Tod. Wieder war es ein Glück, dass er gesund wurde, denn kaum war er endlich mit vierunddreißig Jahren Priester geworden, da wuchs seine Gestalt schnell ins Große.
Adolf Kolping wurde Gesellenvater. Weil er selbst ein wandernder Handwerksgeselle gewesen war, verstand er seinesgleichen gut. Wie Vater und Mutter zugleich nahm er sich der jungen Handwerksburschen an, in Elberfeld und Köln und in der ganzen Welt. Überall gründete er Gesellenvereine und baute Gesellenhäuser, in denen die heimatlosen jungen Handwerker ein Heim finden, das ihnen die Heimat ersetzt. In die Hunderttausende geht die Zahl jener, die durch den Gesellenverein an Leib und Seele vor dem Untergang bewahrt blieben und es im Leben zu etwas brachten. Unermesslich ist der Segen, der von dem Gesellenvater ausgegangen ist.
Durch ein Übermaß von Arbeit im Dienst der tätigen Liebe aufgerieben, starb der selige Adolf Kolping im Jahr 1865, erst zweiundfünfzigjährig. Er starb und Lebt weiter. Sein Grab in Köln ist für die Handwerksgesellen aller Länder zu einem Wallfahrtsort geworden.
Adolph Kolping wurde am 27. Oktober 1991 von Papst Johannes Paul II. seliggesprochen. Der Prozess zur Heiligsprechung wurde unmittelbar darauf eingeleitet.