Seliger Albert von Oberaltaich, Benediktiner-Prior, Pfarrer, + 26.11.1311 – Gedenktag: 26. November

 

Über manchem Sommertag liegt es wie eine stillfreudige Erwartung hoher herzerhebender Dinge. Da ist kein lauter Lärm auf den hastenden Wegen der Welt, kaum spürst du ein leises, lindes Lispeln in den Lüften; köstlich kühl ist es und doch nicht kalt, ist warm und doch senkt keine Schwüle sich schwer in die Seele; alles ist froh und frei und doch so fern von üblem Übermut. Alsdann sagt der Edelmann in der blauen Bauernbluse, der über seinem werktätigen Furchen durch die Gotteserde heimlich zum gedankenfrohen Dichter geworden ist: „Heut‘ ist ein lauschendes Wetter.“ Gut hat er’s getroffen, der Grübler. An solchen Tagen ist es, als wäre die ganze Welt ein einziges, feinfühlendes, hellhöriges Ohr, das lauschen will einem sonderlich sinnigen Geheimnis: und das Geheimnis ist Gott! An solchen Tagen hält Gott Zwiesprache mit der Welt, und das arme Werk seiner Wunderhand müht sich mit ganzem Mut, ihn zu verstehen: darum liegt es an solchen Tagen über der Welt wie ein lernbegieriges Lauschen.

 

All‘ ein solcher Sommertag war das Leben des seligen Ritters Albert von Haigerloch nach seinem Eintritt in das donaubayerische Benediktinerstift Oberaltaich bei Straubing. Denn von ihm sagt die gar glaubwürdige Legende, die schon dreißig Jahre nach seinem Tod abgefasst ist, zu einer Zeit also, da noch eine ziemliche Zahl zuverlässiger Zeugen seines gottgefälligen Wandels lebte: „Man hat nie einen Menschen gesehen, der so ganz alles Erdentrostes sich vertröstet hätte wie er; denn er mochte nichts tun, nichts haben, nichts sehen, nichts reden, nichts meinen, nichts minnen, nichts merken, wenn es nicht Gottes Sache oder der Seele Heil dienlich war.“ – Und an einer anderen Stelle heißt es: „Bei Gottes Gesetz war sein ganzes Sinnen und Sehnen, daran dachte er am Tag und auch in der Nacht. Nur eines war sein Wunsch: für Gott allein leben und ausschließlich ihm gefallen, und so führte er inmitten der klösterlichen Gemeinde das Leben eines Einsiedlers, hielt sich fern von rein weltlichem Wirken und Werken und verzichtete auf alles, was dem Leibe lieb ist.“ Merkst du es, liebe Seele, wie Alberts, des Gottseligen, Aug und Ohr und Herz nur auf Gott gerichtet war?

 

Nicht immer hatte so viel seliges Licht auf Alberts Lebensfahrt gelegen: In seiner Jugend war er ein gar heißblütiger, lebenslustiger, starkstürmender Geselle gewesen. Geboren ist der selige Albert im Jahr 1239, aber nicht, wie man seit 1600 geglaubt hat, als Spross der hochberühmten Grafenfamilie der Hohenzollern auf Haigerloch in Württemberg, sondern als Sohn eines Ritters, der in den Diensten der Haigerlocher Herren stand. Vermutlich ist sein Vater der schwäbische Sänger Hugo von Werbenwang, einem herrlichen Edelsitz im altwürttembergischen Donautal. Dem Rittersohn war von den Eltern eine hohe wissenschaftliche Bildung vermeint und er lernte auch so leicht, dass er seine Leidgenossen auf der Schulbank weit hinter sich ließ. Aber eines Tages hatte Albert das Zanken seiner Erzieher satt und lief hinaus ins lockende Leben, der Sorgen und Kümmernisse seiner Eltern auch nicht mit einem Gedanken sich besinnend. Eine Zeitlang war er Mitläufer bei fahrendem Volk und er versteifte sich im Unverstand der Jugend noch darauf, es ihnen in der Ungebundenheit des weltlichen Wandels gleichzutun. Es war eben die klägliche kaiserlose Zeit um die Mitte des dreizehnten Jahrhunderts (1254-1273), wo Gesetz und Gericht nichts galten und alle Laster frei walten konnten. In seinem zwanzigsten Jahr ungefähr traf ihn der Ruf Gottes, der ihn aus der ärgsten Armseligkeit zur himmlischen Höhe erheben wollte. Und Gott sei’s auch von uns gedankt, Albert überhörte die Mahnung von oben nicht und übersah nicht die rechte Stunde der Umkehr. Als hochgemutes Ritterskind schuf er gleich gründlichen Wandel: Er machte schnellen und restlosen Schluss mit der Welt und ging ins Kloster. In seiner Heimat gab es viele geistliche Anstalten; in höchstem Ansehen standen damals die Stiftungen des Deutschritterordens. Späteren Andeutungen zufolge scheint Albert hier zuerst um Aufnahme gebeten zu haben. Doch im gastlichen Schwabenland öffnete sich ihm keine fromme Tür. Man hat daraus zu Unrecht geschlossen, dass die Ungebundenheit seiner Jugend eine übermäßig arge gewesen ist. Wenn er aber ein Herr von Werbenwang war, dann mildert sich das harte Urteil. Seine Familie hatte etliche Streitigkeiten mit Klöstern um weltliches Gut, und da überlegten sich’s die letzteren trotz seiner Umkehr Albert aufzunehmen. Weil es ihm aber ernst war mit seinem Scheiden von der bösen Welt, ließ er sich durch den ersten Misserfolg nicht irremachen. Der Gottsucher nahm den Wanderstab und pilgerte den heimatlichen Donaustrom hinab, an alle Klosterpforten, so er am Wege fand, demütig pochend und um des Herrn Jesus Christus willen Aufnahme erbittend. In Oberaltaich erkannte Abt Poppo, selber ein Heiliger, die kommende Heiligkeit des um das Gewand des heiligen Benedikt Flehenden und willfahrte seinem dringlich vorgebrachten Wunsch. Poppo hatte recht gesehen. Vom ersten Tag an zeigte sich, dass Albert wahrhaft ein Gottsucher war, wie der heilige Ordensvater es von seinen Schülern verlangte; denn er war ein starker und ständiger Beter. Sein Breviergebet verrichtete er viele Jahre doppelt: Das erste Mal für sich allein, gleichsam als Vorbereitung, und das andere Mal mit den Brüdern im Chor. Das muss ein köstlich kraftvoll Gebet gewesen sein, das also grundgelegt und gesichert war durch eine so umfassende Vorübung! Klingt uns aus diesem Beispiel nicht die Mahnung der Heiligen Schrift anklagend ans Ohr: „Vor dem Gebet bereite deine Seele und sei nicht wie ein Mensch, der Gott versucht!“ Gut beten erschien dem seligen Albert als das Beste und zugleich Unentbehrlichste; darum stand er mitten in der Nacht auf und eilte in die Kirche, um zu beten. Damit er aber die Brüder nicht aus dem Schlaf scheuche, verzichtete er auf seine Zelle und begnügte sich mit einem Winkelchen bei der Kirchentür, von wo er ungesehen und ohne Störung anderer ins Gotteshaus kommen mochte.

 

Bruder Albert wäre aber kein rechter Sohn des heiligen Benedikt gewesen, wenn er nur aufs Beten sich verlegt hätte. Sein Leben ist auch ein aufreibendes Arbeitsleben gewesen. Nachdem er zum Priester geweiht worden war, übertrug man ihm die Leitung der Klosterschule, später machte man ihn zum Prior des Stiftes und daneben versah er noch das Amt eines Pfarrers von Oberaltaich. Von all diesen Arbeiten wäre jede für sich allein genug gewesen. Da stoßen wir wieder auf die schon mehr als einmal festgelegte Tatsache: Die Heiligen und Seligen haben so viel gearbeitet, dass man nicht weiß, woher sie die Zeit zum Beten nahmen, und wieder haben sie so viel gebetet, dass man sich fragt, wie ihnen noch Zeit und Kraft zum Arbeiten geblieben ist. Neben den drei genannten Ämtern ging noch eine entsagungsreiche Tätigkeit als Bücherabschreiber einher. Wieviel Mühe und Sorgfalt Albert darauf verwendete, mag man daraus ersehen, dass die Oberaltaicher Abschreiber in der ersten Hälfte des vierzehnten Jahrhunderts sich im Vergleich mit dem seligen Albert als faule Jungen bezeichnen. Und doch haben wir aus jener Zeit heute noch an die hundert Bücher, deren jedes bei der Anfertigung schier ein Menschenalter beanspruchte. Über der geisttötenden Arbeit des Buchstabenmalens büßte er nichts von dem hohen Flug seines Geistes ein; er war sich bewusst, dass er auch hier dem Höchsten diene. Als man ihn eines Tages fragte, wie er sich denn so viel abplagen möge mit den alten Scharteken, gab er die hübsche Antwort: „Es kommt noch die Zeit, wo man diese und andere gering geachtete Werkchen unseres Stiftes mit Begier aufspüren wird.“ Er erkannte schon damals, dass die Bücher des Mittelalters den Ruhm der heiligen Kirche bis in die fernsten Zeiten verkünden würden. Darum hatte er fürs Schreiben geradezu eine heilige Leidenschaft: und während er sonst auf allen irdischen Besitz verzichtete, von Feder und Tinte konnte er sich nicht trennen.

 

Wie sehr der Selige im Übrigen die klösterliche Armut schätzte und übte, beweist ein Geschichtlein, das lange nach seinem Tod noch im Volk umging. Da hatte sein Abt eine neue Glocke gießen lassen und nun sollte Albert bei der Pfarrpredigt um eine Gabe zur Deckung der Kosten bitten. Das verstand der Freund der Armut nicht. Die Glocke war ja mit Gottes Hilfe fertig; wozu noch um ein Almosen betteln, wenn es nicht mehr nötig war? Aber ungehorsam wollte er noch weniger sein. Da fand seine schwäbische Schalkhaftigkeit den rechten Ausweg; mit trockenem Humor bemerkte der Pfarrer am Schluss seiner Predigt: „Wer reicher ist als wir, der steure also bei zur neuen Glocke, die schon fertig ist.“ Das Wort machte den Leuten anfangs mächtigen Spaß. Aber als man nach und nach ahnte, dass es aus dem Geist der wahren klösterlichen Armut gesprochen war, da war des heiligen Staunens und Wunderns schier kein Ende. Dass solch ein selbstloser Seelsorger, der ganz und gar nichts vom übelberufenen Geldsorger an sich hatte, über die Seelen Gewalt besaß und leicht sie leiten konnte auf den Wegen der himmlischen Wanderschaft, braucht nicht eigens bewiesen zu werden.

 

Der selige Albert war in Wahrheit ein guter Hirte. Der gute Hirt gibt sein Leben für seine Schafe. Dass er zur Aufopferung seines Lebens bereit war, hat Albert im Dienst der Leprosen gezeigt. Die Leprakrankheit, die dem aus der Bibel bekannten Aussatz verwandt ist und sehr ansteckend wirkt, war in der Zeit der Kreuzzüge in Niederbayern eingeschleppt worden; denn vielfach kehrten die Wallfahrer auf der Donaustraße in die Heimat zurück. Albert ist der erste, der in Bayern eine eigene Seelsorge für die Leprosen eingerichtet hat. Bekanntlich durften diese „Sondersiechen“, wie man sie auch nannte, sich niemand nahen und durch eine Klapper, die sie immer mitzutragen hatten, mussten sie die Begegnenden auf ihre gefährliche Krankheit aufmerksam machen. Albert war aber in seinen Gedanken so ausschließlich bei Gott und dem Heil der Seelen, dass er jede Gefahr der Ansteckung verachtete. „An Feiertagen stellte er die Sondersiechen so nahe zu seiner Rechten und Linken, dass er ihnen allen die Hand aufs Haupt legen konnte, wenn ihrer nicht zu viele waren, und dann hielt er Ansprachen, in denen er sie zu geduldigem und demütigem Leiden aufforderte. Und als er eines Tages einer sterbenden Sondersiechin die Wegzehrung bringen musste, sah er, wie fromme Frauen die Ärmste aus ihrem Hüttlein trugen. Da ergrimmte der mutige, eifervolle Priester und schalt die für ihn Besorgten: „Was schafft ihr da in eurem Wahnwitz ohne des Priesters Wissen? Lasst mich Sünder stehen im Haus der Armen, deren Leib und Seele unser Herr Jesus Christus nicht als Behausung verachtet!“ Und so betrat er die schmutzstarrende Stätte und labte die Kranke mit dem Himmelsbrot, die Gesunden aber durch das Wort Gottes. Und staunend stand das Volk eine lange Weile vor der Tür, auf ihn wartend. Nach einem solchen Leben kann man mit Recht schließen: Voll der Verdienste ging Albert am 26. November 1311 in seine Ruhe ein, und niemanden kann es wundern, wenn er seit seinem Tod bis auf unsere Tage vom Volk als Seliger des Himmels angesehen und verehrt wurde.

 

Was willst du, liebe Seele, am seligen Albert am meisten schätzen und nachahmen? Lass dir gut raten: Was ihn zu staunenswerten Taten stark gemacht hat, war die ausschließliche Richtung des Geistes auf Gott, war das ständige Gottsuchen, war das lernbeflissene Lauschen auf dessen Einsprechungen. Mach auch du den Grundsatz des seligen Albert zu dem deinen: „Ich will nichts wissen und kennen außer Gott und die Seele.“