Der heilige Aldrich empfing das Leben von einem Vater und einer Mutter, die beide durch hohe Geburt ausgezeichnet waren. Der Vater stammte aus Sachsen und die Mutter aus Bayern, beide aber waren Untertanen des Königs von Frankreich. Unser Heiliger erblickte im Jahr 800 das Licht der Welt. Kaum hatte er sein vierzehntes Lebensjahr erreicht, als ihn sein Vater an den Hof Ludwigs des Frommen brachte. Obgleich bei den Großen das Verdienst nicht immer erkannt wird, ließ man jedoch bald dem des jungen Aldrich Gerechtigkeit widerfahren. Sein unermüdliches Ausharren in ernsthaften Dingen, seine Gewissenhaftigkeit in der Erfüllung seiner Pflichten, und vor allem seine beispielhafte Tugend, erwarben ihm bald die allgemeine Hochachtung. Er fühlte zu sehr die Nichtigkeit irdischer Größe, als dass er sich durch ihren falschen Schimmer hätte sollen blenden lassen, und kannte keinen anderen wahren Ruhm, als den eines Dieners Gottes. Seine einzige Wonne wäre gewesen, in einer gänzlichen Abgeschiedenheit von der Welt zu leben, um sich nur mit der Ewigkeit zu beschäftigen. Wirklich folgte er diesem Drang der Gnade, die mit jedem Tag ihm eine größere Abneigung gegen die geräuschvolle und verführerische Welt einflößte, und verließ den Hof von Aachen etwa im Jahr 821, und wählte sich zum Ort seiner Einsamkeit das Haus des Bischofs von Metz, der mit seiner Geistlichkeit das erbaulichste Leben führte. Groß waren die Fortschritte, die er da in der Tugend machte, und man hielt ihn der Aufnahme in den geistlichen Stand würdig, machte ihn bald zum Diakon und später zum Priester.
Nicht so bald war der Ruf von Aldrichs Frömmigkeit und Weisheit Ludwig dem Frommen zu Ohren gekommen, als in ihm der Wunsch sich regte, ihn bei sich zu haben. Er berief ihn daher an den Hof, übertrug ihm die erste Kaplanstelle und wählte ihn zu seinem Beichtvater. Er glaubte sich aber in der Folge verpflichtet, ihn der Kirche wieder zurückzugeben, die seiner Dienste bedurfte. Der Mann Gottes wurde zum Bischof von Mans erwählt und am 22. Dezember 832 geweiht. Die Weihnachtstage brachte der heilige Oberhirt mit dem Kaiser zu, der nach Mans gekommen war. Auf dem Leuchter der Kirche stehend, war nun die Heiligung seiner Herde die einzige Sorge, die seine ganze Seele beschäftigte. Alle Tugenden eines wahren Bischofs, u.a. die bewunderungswürdigste Geduld und tiefste Demut, leuchteten aus allen seinen Handlungen hervor. Nur gegen sich selbst übte er eine unerbittliche Strenge aus, alle anderen Menschen behandelte er mit der zartesten Sanftmut und einer wahrhaft herzlichen Liebe. Sein Vermögen verwendete er einzig zu den heiligsten Zwecken. Er erleichterte die Not der Armen, kaufte Gefangene los, erbaute Kirchen, stiftete Klöster, und strebte überhaupt nach keinem anderen Ziel, als das Reich der Tugend immer mehr und mehr zu erweitern.
Nach all dem sollte man glauben, unser Heiliger hätte keine Feinde gehabt. Aber auch er musste durch das läuternde Feuer der Verfolgung gehen. Die Gelegenheit hierzu war folgende: Da die Flamme des Bürgerkriegs, unter der Herrschaft Ludwigs des Frommen und Karls des Kahlen, in Frankreich verheerend ausgebrochen war, erhob Aldrich, der diesen rechtmäßigen Fürsten mit unverbrüchlicher Treue ergeben war, kräftig seine Stimme gegen den Geist des Aufruhrs, um sein Volk in der Unterwürfigkeit zu erhalten. Hierdurch aber wurden die äußerst erbitterten Gemüter nur noch mehr erhitzt, und bald vereinigten sie alle ihre Kräfte, um ihren Bischof in den Untergang zu stürzen. Nicht zufrieden, ihn aus seiner Kirche verjagt zu haben, schändeten sie noch seine Ehre durch die schwärzesten Verleumdungen. Allein bald siegte die Wahrheit, und der Heilige wurde zurückberufen, nachdem er ungefähr ein Jahr in der Verbannung gelebt hatte.
Aldrich benützte die Ruhe, die er genoss, um eine strenge Kirchenzucht unter seiner Geistlichkeit wieder herzustellen. Dies bewog ihn, eine Sammlung der Kanons aus den Kirchenversammlungen und päpstlichen Verordnungen zu verfertigen. Der Verlust dieses kostbaren Denkmals, das unter dem Namen der Kapitularien Aldrichs bekannt war, ist nicht genug zu bedauern. Das neunte Jahrhundert hat in dieser Art nichts aufzuweisen, das mit mehr Weisheit und Scharfsinn bearbeitet wäre. Der Heilige traf auch noch weise Anordnungen in Betreff der Feier des Gottesdienstes. (Z.B. ist darin verordnet, dass man an den hohen Festtagen in der Kathedralkirche zehn Kerzen und neunzig Lampen anzünden soll.) Drei Testamente sind von ihm uns überliefert worden, wovon das letzte ein untrüglicher Beweis seiner Frömmigkeit ist. Man findet in den zwei anderen fromme Vermächtnisse und weise Vorschriften zur Erhaltung der guten Ordnung und der Liebe unter den Weltgeistlichen und Mönchen.
Die im Jahr 836 zu Aachen gehaltene Kirchenversammlung schickte unseren Heiligen mit Erchenrad, dem Bischof von Paris, zu Pipin, dem König von Aquitanien, der damals wieder mit seinem Vater, dem Kaiser, ausgesöhnt war. Er redete mit solchem Nachdruck zu dem Fürsten, dass er ihn bewog, die der Kirche während der Reichsverwirrung entrissenen Güter wieder zurückzugeben. Von seinem weiteren Leben wissen wir nichts mehr, als dass er dem achten Konzil, das 846 zu Paris, und einem anderen, das 849 zu Tours gehalten wurde, beigewohnt hat. Zuletzt befiel ihn eine Gicht, die ihn zwei Jahre lang an das Bett kettete. Seine Andachtsglut und sein Gebetseifer wurden hierdurch nur noch mehr angefacht. Schließlich starb er am 7. Januar 856, nachdem er vierundzwanzig Jahre lang Bischof war. Man setzte ihn in der Kirche des heiligen Vincentius bei, die er, neben dem Kloster, dem sie zugehörte, durch seine Freigebigkeit bereichert hatte. Seine Reliquien sind noch dort aufbewahrt. Die Diözese von Mans feiert seit undenklichen Zeiten das Fest des heiligen Aldrich.
Kathedrale von Le Mans