Der heilige Anno war aus einem edlen alemannischen Geschlecht entsprossen und widmete sich auf den Wunsch seiner Eltern in den Jugendjahren dem Waffendienst. Als ihn aber sein Oheim, ein frommer Kanonikus in Bamberg, die Nichtigkeit der irdischen Dinge ans Herz legte, entsagte er der Welt und begann die Erlernung der göttlichen Wissenschaften. Bald erschwang er sich durch seinen Eifer zum Magister an der Schule zu Bamberg, und der Ruf seiner Tugenden und Kenntnisse verlautete im ganzen Reich, so dass ihn Kaiser Heinrich III. an seinen Hof berief und ihm die Erziehung seines Sohnes, des nachmaligen Kaisers Heinrich IV., übertrug. Einige Zeit später wurde er von seinem Gönner zum Probst von Goslar ernannt, ja 1056 sogar auf den erzbischöflichen Stuhl von Köln befördert. Demütig und gottesfürchtig, wie Anno war, übersah er nicht, welche große Bürde seinen Schultern aufgelegt werde, und er konnte sich nicht enthalten, während er die Weihe empfing, viele Tränen zu vergießen. Unablässig suchte er am Fuß der Altäre jenen Trost und jene Hilfe, die ihm in jenen schwierigen Zeiten doppelt notwendig waren. Und mit dem Beistand des Himmels brachte er auch das Ansehen des Erzstiftes höher, als je einer seiner Vorfahren. Er durchreiste seinen Sprengel öfter und predigte selbst mit rührender Salbung. Überall ließ er bleibende Spuren seiner Anwesenheit zurück, und keine Gemeinde war, die ihm nicht irgendeine große Wohltat zu danken hatte. Als Pflanzschule der Gottseligkeit erbaute er fünf Klöster, unter denen das berühmteste das auf dem Siegeberg war. In den Mauern dieses Klosters weilte er oft längere Zeit, um sein Gemüt von den Zerstreuungen der vielen Geschäfte zu sammeln und durch Beobachtung der Ordensregeln Gott allein zu dienen. Nach dem Tod Heinrichs III. unternahm er mit Einverständnis der Großen die Aufsicht über den Thronerben und die Verwaltung des Reiches. Als streng sittlicher Mann suchte er des jungen Königs Leidenschaften zu zügeln und das Wohl Deutschlands ernstlich zu fördern. Allein die Verhältnisse waren mächtiger als er, und er sah sich trotz aller Bemühungen außer Stande, die immer mehr überhandnehmenden Unordnungen, besonders den eingerissenen Simonismus zu unterdrücken. Auch die Schranken, die er durch Warnung seinem königlichen Pflegling gesetzt hatte, wurden von anderen mit frevelnder Hand niedergerissen. Des lästigen Wächters loszuwerden, sandte man ihn 1073 nach Rom, von wo er, nachdem er dem Heiligen Vater über die Zustände in Deutschland Bericht erstattet hatte, die Vorladungsbulle gegen Heinrich IV. mit zurückbrachte. Fortan hielt er sich auf immer vom Hof entfernt und verlebte den noch übrigen Rest seiner Tage auf dem Siegeberg, hier unter fortwährenden Verleumdungen und Lästerungen, körperlichen Gebrechlichkeiten und Schmerzen in stiller Geduld die Ankunft des Herrn erwartend, die am 4. Dezember 1075 erfolgte. Nach seinem ausdrücklichen Wunsch wurde er in der Klosterkirche begraben. Kurz nach seinem Tod erschien ein Lobgesang auf ihn, das sogenannte „Annolied“, das in legendenartiger Weise seine Taten und Wunder feiert.