Heiliger Arsenius, Diakon und Einsiedler in Ägypten, + 449 - Fest: 8. Mai / 19. Juli

       

Arsenius, von Geburt ein Römer, war aus einer mit mehreren Senatorenhäusern verwandten Familie entsprossen. Er wurde mit großer Sorgfalt erzogen, und von Kindheit an bewies er glühenden Eifer für die Tugendübung. Er erwarb sich vielseitige Kenntnis der griechischen und lateinischen Literatur, und drang tief in den Geist der göttlichen Schriften ein. Da er den geistlichen Stand erwählt hatte, erhielt er die Diakonenweihe, und ging sodann in Rom mit einer Schwester die Wege der Gottseligkeit.

 

Kaiser Theodos der Große, der angelegentlich einen Mann suchte, dem er die Erziehung seiner Kinder anvertrauen könnte, wandte sich an Kaiser Gratian, und bat ihn, sich über die von ihm zu treffende Wahl mit dem römischen Bischof zu besprechen. Dieser redete zu ihm von Arsenius auf eine so vorteilhafte Weise, dass er daraus schloss, er müsse alle Eigenschaften besitzen, die Theodosius zu verlangen schien. Gratian schickte ihn daher nach Konstantinopel. Der Kaiser empfing ihn mit großen Ehrenbezeigungen, erhob ihn zur Senatorenwürde, und befahl, ihn als den Vater seiner Kinder, zu deren Vormund und Lehrer er ihn ernannte, zu ehren. Er wies ihm ein prachtvolles Gefolge an, und gab ihm zu seinem Beruf hundert prachtvoll gekleidete Diener.

 

Als eines Tages der Kaiser die Prinzen während der Studienzeit besuchte, und sie sitzend antraf, während Arsenius stehend mit ihnen redete, wurde er darüber nicht nur augenblicklich ungehalten, er nahm sogar seinen Kindern auf einige Zeit ihre Ehrenzeichen, und befahl, dass sie während der Lehrstunden stehen und Arsenius sitzen sollte.

 

Arsenius hatte stets einen unwiderstehlichen Hang zur Abgeschiedenheit; und dieser Hang verstärkte sich von Tag zu Tag wegen des Prunkes und der Zerstreuungen, die mit seinem Amt verbunden waren. Titel und Ehrenstellen waren ihm eine unerträgliche Bürde. Endlich fand er um das Jahr 396 eine Gelegenheit, die Bande, die ihn an den Hof knüpften, zu zerbrechen. Als Arkadius, eines der kaiserlichen Kinder, einen bedeutenden Fehler begangen hatte, ahndete er denselben mit unerbittlicher Strenge. Dies verdross den jungen Prinzen, und er wurde nur noch halsstarriger. Arsenius nützte diesen Anlass, um den seit Jahren her gemachten Plan, die Welt zu verlassen, in Ausführung zu bringen. Als er eines Tages nach seiner Gewohnheit ein inbrünstiges Gebet verrichtete, um den Willen Gottes zu erkennen, vernahm er eine Stimme, die ihm zurief: „Arsenius, fliehe die Gesellschaft der Menschen, und du wirst leben.“ Ohne Verzug befolgte er den Befehl des Himmels, bestieg ein Schiff, das eben nach Alexandrien absegelte: von da ging er in die Wüste Scete, um sich dem Einsiedlerleben zu widmen. Dieses trug sich um das Jahr 394 zu. Arsenius hatte damals sein vierzigstes Jahr erreicht, nachdem er elf an dem Hof zu Konstantinopel zugebracht hatte.

 

Da er in allen Dingen nur Gott zu gefallen suchte, verdoppelte er seinen Gebetseifer, um noch besser zu erkennen, was der Herr von ihm verlangte. Als er nun eines Tages betete, hörte er eine Stimme, die ihm abermals sagte: „Arsenius, fliehe, schweige, ruhe; dieses sind die Grundlagen des Heils“; nämlich: dies sind die Hauptsachen, die man befolgen muss, um das Heil zu erlangen. Zufolge dieser zweimal wiederholten Ermahnung, verschloss er sich in eine weit entlegene Zelle, um keine Besuche annehmen zu müssen; sogar seine eigenen Brüder sah er nur selten. Wenn er in die Kirche ging, die ungefähr dreißig Meilen von seiner Wohnung entfernt lag, stellte er sich hinter einen Pfeiler, um von niemanden bemerkt zu werden und selbst niemanden zu sehen.

 

Indessen ließ Theodosius, der durch des Arsenius Flucht äußerst bestürzt war, zu Wasser und zu Land die genauesten Nachforschungen anstellen, um ihn zu entdecken: bald darauf aber musste er sich in das Abendland begeben, um den Tod Valentinians II. zu rächen, und einen Aufruhr zu dämpfen, an dessen Spitze Eugenius und Arbogast standen. Er starb zu Mailand 395 an der Wassersucht, und hinterließ das morgenländische Reich seinem Sohn Arkadius. Dieser Fürst gab die Stelle eines ersten Ministers einem gewissen Rufin, der Präfectus Prätorio war, und ihm, da er sein Hofmeister gewesen, niederträchtig geschmeichelt hatte. Doch vergaß er auch den Arsenius nicht, und wollte ihn an den kaiserlichen Hof berufen, um dessen weise Räte zu befolgen. Als er erfuhr, dass er in der Wüste Scete sich aufhalte, schrieb er ihm einen Brief, um sich in dessen Gebete zu empfehlen; auch überließ er ihm die Einkünfte von Ägypten, um damit die Klöster zu versehen, und die Armen zu unterstützen, wie er es für dienlich halte: der Heilige aber, der allen zeitlichen Vorteilen das Glück in der Einsamkeit zu leben vorzog, in der er ohne Zerstreuung seine Sünden beweinen, und sich zum Hintritt in die Ewigkeit vorbereiten konnte, begnügte sich damit, dass er dem Gesandten des Kaisers mündlich antwortete: „Ich bitte Gott, dass er uns allen unsere Sünden verzeihen möge. Was die Verurteilung des Geldes anlangt, bin ich keineswegs geeignet, dieses Geschäft über mich zu nehmen, weil ich der Welt abgestorben bin.“

 

Was ihm beim Eintritt in die Wüste begegnete, verdient zur Erbauung des Lesers hier angeführt zu werden. Als er das erste Mal vor den Ältesten oder den Obern der Mönche von Scete erschien, und nun Erlaubnis erhielt, unter ihrer Leitung Gott zu dienen, übergaben sie ihn der Aufsicht des heiligen Johannes, der Zwerg genannt. Dieser setzte sich abends mit seinen Brüdern nieder, um die geringe Mahlzeit zu genießen, den Arsenius aber ließ er stehen mitten in der Versammlung, ohne seiner zu achten. Dieses war in der Tat eine harte Prüfung für einen Hofmann; allein sie hatte in ihrem Gefolge eine zweite, die noch weit empfindlicher war. Unter der Mahlzeit nimmt der heilige Johannes ein Stück Brot, wirft es Arsenius vor die Füße, und sagte ihm ganz gleichgültig und trocken, er möge es essen, wenn er Lust dazu habe. Arsenius wirft sich auf die Erde nieder und isst es in dieser Stellung. Der heilige Johannes, durch ein solches Betragen entzückt und erbaut, ließ es bei dieser Prüfung bewenden, und nahm ihn freudig auf. „Kehrt nun heim“, sagte er dann zu den Brüdern, „in eure Zellen mit dem Segen des Herrn. Betet für uns. Dieser Mann passt für das Einsiedlerleben.“

 

Arsenius zeichnete sich vor allen Einsiedlern aus durch seine Demut und seinen Eifer. Im Anfang erlaubte er sich, ohne jedoch daran zu denken, gewisse Dinge, an die er in der Welt gewohnt war, und die, wiewohl an sich ganz unschuldig, dennoch etwas Leichtsinn und Behaglichkeit zu verraten schienen, wie z.B. die Gewohnheit, die Füße übereinander zu legen. Die Alten, die ihn überaus hochschätzten, wollten ihn nicht in einer öffentlichen Versammlung, wo die Brüder zur Konferenz eingeladen waren, darauf aufmerksam machen. Allein der Abt Pemen oder Pastor bediente sich folgender List: Er kam mit einem Mönch überein, dass dieser jene Stellung einnehme, und dann von ihm darüber zurechtgewiesen würde, als sei sie der Eingezogenheit zuwider: was auch geschah. Der Mönch hörte die Rüge geduldig an, ohne ein Wort zu seiner Entschuldigung zu sagen. Arsenius merkte wohl, dass es ihm auf mittelbare Weise gelte; und von nun an hatte er ein aufmerksames Auge auf sich selber, und suchte sich zu bessern.

 

Unter allen Mönchen von Scete war keiner so ärmlich gekleidet wie er. Er wollte dadurch jene äußere Pracht sühnen, in der er vordem am Hof gelebt hatte. An den Werktagen flocht er Matten aus Palmblättern, und hatte stets ein Tuch auf seinem Schoß, um die Tränen, die beständig seinen Augen entflossen, abzuwischen. Niemals schüttete er das Wasser aus, in das er seine Palmblätter tauchte, mochte es auch einen noch so widerlichen Gestank von sich geben, sondern füllte es nur mit frischem auf. Als ihn jemand um die Ursache dieses Benehmens fragte, erwiderte er: „Durch diesen üblen Geruch muss ich mich abtöten für die Sinnlichkeit, die mich bewogen hatte, wohlriechende Dinge zu gebrauchen, als ich noch in der Welt lebte.“ Um seinen von ihm sogenannten alten Geschmack an überflüssigen Sachen zu sühnen, beschränkte er sich auf die unbedingteste Armut, so dass er in einer Fieberkrankheit einige ihm nötige Unterstützung anzunehmen sich gezwungen sah. Er dankte Gott, dass er ihn würdig erachtet, in seinem Namen von den Gläubigen unterstützt zu werden. Seine Krankheit war von langer Dauer, und der Priester der Einöde ließ ihn in seine Wohnung, die nahe bei der Kirche war, tragen. Man brachte ihn auf ein kleines Bett von Tierhäuten, und legte ein Kissen unter sein Haupt. Als ihn einer der Mönche besuchte, nahm er Ärgernis daran, dass er ihn so liegend fand, und fragte, ob dies der Abt Arsenius sei. Der Priester zog ihn auf die Seite, und befragte ihn, welches Geschäft er im Dorf getrieben habe, bevor er Mönch wurde. „Ich war Hirte“, entgegnete dieser, „und konnte kaum meine Labsucht erschwingen.“ Da antwortete der Priester: „Sieh da den Abt Arsenius; als er noch in der Welt lebte, war er Vater der Kaiser. Er hatte in seinem Gefolge hundert Sklaven in Seide gekleidet, und mit goldenen Armbändern und Gürteln geschmückt; er hatte ein weiches und prächtiges Lager. Du aber, in der Welt ein Hirte, befandest dich weit unbequemer als jetzt.“ Der gute Mönch, durch diese Worte gerührt, warf sich nieder und sagte: „Verzeih mir, mein Vater, denn ich habe gesündigt; ich erkenne, dass Arsenius auf dem wahren Weg der Demut wandelt.“ Dann entfernte er sich innigst erbaut.

 

Einer der kaiserlichen Hofbeamten brachte eines Tages dem Arsenius das Testament eines verwandten Senators, der vor seinem Ableben ihn zum Erben eingesetzt hatte. Der Heilige nahm das Testament, und wollte es zerreißen, hätte nicht der Beamte sich zu dessen Füßen geworfen, und ihn gebeten, dieses nicht zu tun, weil er sonst Gefahr liefe, sein Leben zu verlieren. Arsenius zerriss es also nicht; weigerte sich aber, das ihm zugedachte Gut anzunehmen: „Ich bin“, sagte er, „vor meinem Verwandten gestorben; ich kann demnach unmöglich sein Erbe sein.“

 

Wiewohl man keine genaue Kenntnis seiner Fastenübungen hat, so lässt sich dennoch denken, dass sie außerordentlich streng mussten gewesen sein. Man schickte ihm für das ganze Jahr nur ein gewisses Maß Getreide, das die Ägypter Thallin nennen (Das Thallin war ein kleines Maß aus Palmblättern gefertigt, dessen man sich für die Pflanzen bediente). Nicht nur kam er damit aus, sondern teilte noch seinen Jüngern davon mit, wenn sie ihn besuchten. Brachte man ihm eine Erstlingsfrucht, so kostete er sie, und dankte Gott dafür; doch aß er davon nur so viel, als nötig war, um dem Vorwurf der Sonderbarkeit vorzubeugen. Bei strenger Enthaltsamkeit genügt der Natur ein kurzer Schlaf. Daher brachte Arsenius oft ganze Nächte im Gebet zu. Wenn seine Kräfte erschöpft waren, schlief er einen Augenblick sitzend, worauf er wieder seinen Übungen sich unterzog. Daniel, einer seiner Jünger, berichtet uns, er habe an den Samstagen, beim Sonnenuntergang, begonnen mit aufgehobenen Händen zu beten, und sein Gebet des andern Morgens erst beschlossen, wenn die Sonnenstrahlen in sein Angesicht zu leuchten anfingen. Seine Liebe zu dieser heiligen Übung, wie auch die Furcht vor den Gefahren der Eitelkeit, flößte ihm den glühendsten Eifer für die gänzliche Absonderung von der Welt ein. Er hatte zwei Jünger, die bei ihm lebten, und die auswärtigen Geschäfte führten: der eine hieß Alexander, der andere Zoilus. In der Folge bekam er einen dritten, namens Daniel. Alle drei wurden berühmt durch ihre Heiligkeit und Klugheit. Im Leben der Väter der ägyptischen Wüsten wird ihrer oft gedacht.

 

Arsenius sah ungerne die Fremden, die ihn zu besuchen kamen, indem er, wie er sagte, nur deshalb von seinen Augen Gebrauch machen wollte, um den Himmel zu schauen. Eines Tages begab sich Theophilus, Patriarch von Alexandrien, mit einem Hofbeamten und einigen anderen Personen, in seine Zelle, und bat ihn sich über geistige Gegenstände mit ihm zu unterhalten: da fragte er sie alle, ob sie entschlossen wären, das zu halten, was er ihnen sagen würde. Sie antworteten bejahend. Da sagte der Heilige: „Wohlan! So bitte ich euch, mich, an welchem Ort meinen Aufenthalt ihr erfahren möget, ruhig zu lassen, und auch selber die Mühe zu ersparen, mich aufzusuchen.“ Als ihn der Patriarch Theophilus ein anderes Mal fragen ließ, ob er ihm seine Tür öffnen würde, wenn er ihn zu besuchen käme, erwiderte Arsenius: „Ja, wenn er allein kommt; bringt er aber andere Personen mit sich, so bleibe ich nicht hier, sondern ziehe an einen anderen Ort.“

 

Eine römische Matrone, namens Melania, hatte eigens die Reise nach Ägypten unternommen, um Arsenius zu sehen, und sah ihn durch Vermittlung des Patriarchen Theophilus, als er eben aus seiner Zelle ging. Sie hatte ihn nicht sobald erblickt, als sie sich ihm zu Füßen warf. Da sagte ihr der Diener Gottes: „Eine Frau soll nie ihr Haus verlassen. Du hast eine weite Reise gemacht über das Meer, um in Rom sagen zu können, du habest Arsenius gesehen, und dadurch in den anderen dieselbe Neugier zu erregen.“ Melania, die immer noch auf den Knien lag, und ihre Augen zu erheben sich nicht getraute, beschwur ihn, ihrer zu gedenken, und für ihr Seelenheil zu beten. „Ich bitte Gott,“ erwiderte Arsenius, „dass ich niemals an dich denken möge.“ Melania, durch diese Antwort sehr niedergeschlagen, kehrte zurück nach Alexandrien. Der Patriarch redete ihr aber Trost zu, indem er ihr die letzten Worte des Heiligen dahin auslegte: „Er betet,“ sagte er, „er möchte deine Person vergessen, weil du eine Frau bist; anlangend deine Seele, so zweifle nicht, dass er sie inständig dem Herrn empfehlen werde.“

 

Nie besuchte Arsenius seine Brüder. Er begnügte sich damit, dass er in ihrer Gemeinschaft den geistlichen Konferenzen beiwohnte. Als der Abt Markus eines Tages im Namen sämtlicher Einsiedler von ihm wissen wollte, warum er also ihre Gesellschaft fliehe, entgegnete er: „Gott weiß, wie sehr ich euch alle liebe. Ich fühle aber, dass ich nicht zugleich mit Gott und mit den Menschen sein kann. Es ist mir also nicht erlaubt, den einen zu verlassen, um mit den anderen zu reden.“ Dieses hinderte ihn aber nicht, seinen Brüdern Tugendlehren zu erteilen, und wirklich haben wir von ihm noch verschiedene Apophthegmen, die sich unter denen der Väter befinden. Man hörte ihn oft sagen: „Es hat mich immer ein wenig gereut, dass ich mich mit den Menschen unterhalten, nie aber, dass ich das Stillschweigen beobachtet habe.“ Häufig führte er jene Worte im Mund, die der heilige Euthimius und der heilige Bernhard in der Folge stets wiederholten, um sich zur Tugend anzueifern: „Arsenius, warum hast du die Welt verlassen, und warum bist du hierhergekommen?“ Als man ihn eines Tages fragte, warum er, da er doch in den Wissenschaften so bewandert sei, sich Unterricht und Lehren von einem Mönch erteilen lasse, der nie mit einem Fuß das Feld der Literatur betreten habe, erwiderte er: „Ich kann die Wissenschaften der Griechen und Römer, bin aber noch im Alphabet der Wissenschaft der Heiligen, in welcher dieser vermeinte Unwissende ein vollendeter Meister ist.“ Ungeachtet seiner tiefen Kunde der göttlichen Schriften und der Grundsätze der christlichen Vollkommenheit, vermied er jede Gelegenheit zum Reden, indem er vorzog, von anderen sich unterweisen zu lassen, um nicht in die Sünde der Eitelkeit zu fallen; und dies ist der Grund der Demut und aller übrigen Tugenden.

 

Evagrius von Pontus, der, nachdem er sich zu Konstantinopel durch seine Gelehrsamkeit hohen Ruhm erworben, und zuerst nach Jerusalem begeben hatte, von wo er 385 in die Wüste von Nitria gezogen war, drückte in Gegenwart des Heiligen sein Befremden aus, dass so viele Gelehrte keine Fortschritte in der Tugend machen, während eine Menge Ägypter, die nicht einmal lesen könnten, eine so erhabene Stufe der Beschaulichkeit erschwingen. Da gab ihm Arsenius folgenden Aufschluss: „Die Ursache, warum wir in der Tugend nicht voranschreiten, ist, weil wir uns mit jenem äußeren wissenschaftlichen Punkt begnügen, der nur geeignet ist, das Herz aufzublähen, während jene guten Ägypter ihre Schwäche, ihre Blindheit, ihr Elend wahrhaft erkennen, und dieser Erkenntnis zufolge mit glücklichem Gelingen an der Erlangung der Tugend arbeiten.“ Oft begegnete es dem heiligen Arsenius, dass er mit betränten Augen ausrief: „Herr, verlasse mich nicht, ich habe nichts getan, was dir wohlgefällig sein könnte. Allein ich beschwöre dich durch deine unendliche Barmherzigkeit, mir beizustehen, auf dass ich nun anfange, dir als treuer Knecht zu dienen.“

 

Die Alten haben, wenn sie mit ihm redeten, vorzüglich bemerkt, dass er fast beständig Tränen vergoss. Diese entquollen jener Sehnsucht, womit er ohne Unterlass der glorreichen Ewigkeit entgegenharrte, und jenem Geist der Zerknirschung, mit dem er unaufhörlich die Fehler seines vergangenen Lebens, und die kleinen Vergehen, die täglich seiner Schwachheit entschlüpften, beweinte. Er fand aber in seinen Tränen eine unaussprechliche Wonne, wie man leicht ablesen konnte von der wundervollen Heiterkeit, die immerdar sein Antlitz bestrahlte. Übrigens haben alle Heiligen dasselbe erfahren. „Wenn du von Tränen hörst“, sagt der heilige Chrysostomus bei dieser Gelegenheit, „so denke dir nur nicht das Bild des Harmes; sie sind süßer als alle Süßigkeiten, die man in der Welt genießen mag.“ Der heilige Augustin drückt sich auf dieselbe Weise aus: „Die Tränen der Andacht haben eine Süßigkeit, welche die falschen Freuden der Bühne nicht gewähren.“ Der heilige Johannes Climakus legt wunderschön die Früchte der Tränen dar, die die Diener Gottes vergießen, und sagt unter anderem: „Ich bin erstaunt, wenn ich die Wonne betrachte, womit eine heilige Zerknirschung unsere Seele überschüttet. Wie mögen demnach wohl fleischliche Menschen nur Traurigkeit und Betrübnis darin erblicken? Gleich dem Wachs, das den Honig umschließt, enthält sie eine unversiegbare Quelle himmlischer Süßigkeiten. Gott besucht und tröstet unsichtbarer Weise die im heiligen Schmerz zermalmten Herzen.“

 

Arsenius gab folgende Antwort einer Person, die ihn über die Mittel befragte, die sie anzuwenden habe, um einer heftigen Versuchung, welche unreine Gedanken in ihr erweckten, los zu werden: „Was taten die Madianiten? Sie schmückten ihre Töchter, und führten sie den Israeliten vor, ohne jedoch diesen irgendeine Gewalt anzutun. Die treuen Diener Gottes, die die Madianiten mit Strenge behandelten, und in ihrem Blut ihre Treulosigkeit und frevelnde Absichten wuschen, fielen nicht in das Laster. Tue also desgleichen in Bezug auf deine bösen Gedanken, dränge sie mutig zurück, und züchtige dich selber, dass du auch nur durch eine unwillkürliche Empörung des Fleisches versucht worden bist.“

 

Dieser große Heilige lebte in steter Erinnerung an den Tod und das Gericht: daher rief Theophilus, Patriarch von Alexandrien, der sich immer zu sehr mit Geschäften überhäuft hatte, vor seinem Hinscheiden aus: „Glückseliger Arsenius, dass du diesen Augenblick stets vor Augen hattest!“

 

Die beständigen Tränen, die Arsenius vergoss, hatten ihn nicht entstellt; es strahlte sogar aus seinem Äußeren etwas Himmlisches, das aus der Ruhe seiner Seele, und aus jener nie unterbrochenen Vereinigung mit Gott durch die Bande des Gebetes herrührte. Man bewunderte an ihm eine gewisse anmutige Schönheit, über die jene milden Züge von Würde und Sanftmut, die er bis in seinen Tod behielt, neuen Glanz verbreiteten. Er war schlank und wohl gebildet. In seinem hohen Alter aber beugte ihn etwas die Bürde der Jahre. Er hatte weiße Haare und einen schneeweißen Bart, der bis auf den Gürtel hinabfloss. Der heilige Johannes Climacus, der ihn als ein vollendetes Muster aufstellt, vergleicht ihn mit einem Engel, und sagt, dass, wenn er mit so großer Sorgfalt die Gesellschaft der Menschen floh, es darum geschah, um nicht etwas Kostbareres – seinen Gott – der seine ganze Seele erfüllte – zu verlieren. Zufolge jener Abschälung von der Erde, behauptet Arsenius, die Hauptpflicht eines Mönches bestehe darin, dass er sich nicht in zeitlichen Angelegenheiten mische, und sich niemals erkundige, was in der Welt vorgeht.

 

Er hatte sein vierzigstes Jahr erreicht, als er den Hof verließ. Eine gleiche Anzahl Jahre brachte er in der Wüste Scete zu, ausgenommen, dass er um das Jahr 395 sie auf einige Zeit verlassen musste, wegen der Einfälle der Maziken, eines wilden Volkes in Lybien. Nachdem die Gefahr vorüber war, kam er wieder in seine Zelle zurück, wurde aber um das Jahr 434 abermals genötigt, bei einem zweiten Einfall derselben Barbaren, die mehrere Einsiedler ermordeten, die Flucht zu ergreifen. Anfänglich zog er auf den Felsen Troe, auch Petra genannt, unweit von Memphis, und zehn Jahre später nach Kanope bei Alexandrien. Da er aber die Zerstreuungen, die ihm die Nähe dieser großen Stadt verursachte, nicht ertragen konnte, kehrte er wieder nach Troe zurück, wo er auch starb.

 

Als er seinem Ende sich nahe fühlte, sagte er seinen Jüngern: „Ich bitte, eure Liebe, mir eines zu gewähren, dass ihr nämlich nach meinem Tod beim heiligen Opfer meiner gedenkt. Möchte ich doch, wenn ich in meinem Leben etwas getan habe, das meinem Gott wohlgefällig sein sollte, ihn durch seine Barmherzigkeit besitzen!“ Da seine Jünger sehr betrübt waren, als er zu ihnen redete wie einer, der auf immer Abschied nimmt, fügte er bei: „Meine Stunde ist noch nicht herangekommen, ich werde euch davon Kunde geben. Wenn ihr aber zulasst, dass man irgendetwas von mir als eine Reliquie aufbewahrt, so werdet ihr dafür verantwortlich sein vor dem Richterstuhl Jesu Christi.“ Da sie in Verlegenheit waren, wie sie ihn mit den üblichen Zeremonien begraben könnten, sagten sie ihm, in Tränen zerfließend: „Was sollen wir tun, Vater! Denn wir wissen nicht, wie man die Toten bestattet?“ – „Bindet mir“, erwiderte er ihnen, „einen Strick an den Fuß, schleift dann meinen Leichnam auf die Bergspitze, und lasst ihn allda liegen.“ Da er in den letzten Zügen liegend weinte, befragte ihn einer der Brüder um die Ursache. „Warum weinst du, mein Vater?“ sagte er ihm. „Du fürchtest dich also zu sterben, gleich anderen Menschen?“ – „Ich bekenne“, antwortete er ihnen, „dass ich vor Schrecken erbebe, und dass mich diese Furcht nie verlassen habe, seit ich in der Einöde wohne.“ So fürchten selbst die wahren Diener Gottes seine Gerichte. Allein dieses Gefühl begleitet immer eine wonnevolle Zuversicht auf das göttliche Erbarmen. Es ist mehr oder weniger lebhaft, je nach der Wirkung des heiligen Geistes, der seine Gaben zum Heil der Auserwählten verschiedenartig austeilt. Dieser Furcht ungeachtet, gab daher Arsenius in ungetrübter Ruhe seinen Geist auf. Sein glückseliger Tod ereignete sich um das Jahr 449. Er war fünfundneunzig Jahre alt, und hatte fünfundfünfzig in den Wüsten zugebracht. Als ihn der Abt Pemen sterben sah, rief er mit betränten Augen aus: „Glücklicher Arsenius, dass du, solange du auf Erden warst, über dich weintest! Die hier nicht weinen, werden ewig weinen drüben im anderen Leben.“

 

Die durch ihre Tugenden preiswürdigsten Ordensmänner haben in allen nachfolgenden Jahrhunderten Arsenius als das vollendetste Muster der Vollkommenheit angesehen. Der große heilige Euthimius suchte ihm in allen seinen Übungen nachzuahmen, und dessen Demut, Milde, Gleichmut, Wachsamkeit, Zerknirschung, Enthaltsamkeit, Liebe zur Einsamkeit und zum Gebet, Gottes- und Nächstenliebe, Eifer, Bescheidenheit, und jene Tugendheldenmütigkeit, die mit solchem Glanz in allen seinen Werken strahlte, in sich abzubilden.

 

Der heilige Arsenius wird im römischen Martyrologium unter dem 19. Juli genannt.