In seiner Jugend war Augustinus wegen seines leichtsinnigen Lebens ein Sorgenkind seiner Mutter Monika. Wie er aber ein Heiliger wurde, hat er selbst in einem Buch erzählt. Darin beschreibt er das eigene Leben mit den Verirrungen der Jugendzeit, die Flucht aus dem Elternhaus, das Gebet der treuen Mutter, seine Seelenqualen und schließlich die Bekehrung.
Das alles erzählt der Schreiber in aufrichtiger Demut und mit einem Herzen voll Reue, Liebe und Dankbarkeit. Heute noch wird das Buch mit dem Titel „Bekenntnisse“ des Heiligen von ungezählten Menschen mit großem Interesse gelesen und nachempfunden, und die Zahl jener, die durch die Schrift bekehrt wurden, kennt Gott allein.
Noch andere Bücher hat der heilige Augustinus geschrieben, voll von tiefer Gottesgelehrtheit. Deshalb zählt er auch zu den vier Großen Kirchenvätern des Abendlandes. Eins von diesen Büchern berichtet über die Allerheiligste Dreifaltigkeit. Bevor der Heilige es schrieb, hat er wochen- und monatelang über das große Geheimnis nachgedacht, ohne an ein Ende zu gelangen. Denn wer sich in Gott hineindenkt, der kommt nie auf den Grund, weil Gott unergründlich, tiefer als die Erde und höher als der Himmel ist.
In dieser Zeit nun, so berichtet die Legende, als Augustinus über den dreieinigen Gott eifrig nachdachte, ging er eines Tages, in Gedanken verloren, am Meeresstrand entlang. Wie zufällig traf er auf einen etwa sechsjährigen Jungen, der am Ufer spielte. Nach Kinderart hatte er mit einer Schaufel eine Vertiefung im Sand ausgehoben und trug in einer Muschel Wasser aus dem Meer in die Grube. Zehn-, zwanzigmal lief der Kleine hin und her. Augustinus schaute interessiert dem kindlichen Spiel zu, bis er nach einer Weile fragte: „Kind, was machst du da?“ „Das kannst du doch selbst sehen, was ich mache“, antwortete der Junge, „ich will das Meer in die Grube umfüllen.“ Da schüttelte Augustinus den Kopf und sagte überlegen: „Kind, das ist nicht möglich, das geht doch nicht.“ So sprach der Heilige, aber da war es an dem Kleinen, mit überlegenem Lächeln zu erwidern: „Eher gelingt es mir, das weite Meer in die kleine Grube umzufüllen, als dass es dir gelingt, das Geheimnis der Allerheiligsten Dreifaltigkeit zu ergründen.“ Nach diesen Worten war der Junge verschwunden.
Vielleicht ist es ein Engel gewesen, der Augustinus warnen wollte, sich in den Abgründen des göttlichen Wesens zu verlieren. Gott ist nämlich viel zu groß, als dass er von einem kleinen Menschengeist erforscht werden kann. Deshalb muss sich auch bei den Geheimnissen Gottes der Verstand dem Glauben unterordnen.
Augustinus, der die zweite Hälfte des Lebens, über dreißig Jahre lang, Bischof von Hippo in Nordafrika war, starb am 28. August 430. Seitdem glänzt er als ein Stern erster Größe am Himmel der Heiligen Gottes. Augustinus war groß als Mensch und als Kirchenlehrer. Aber die schönste Seite in seinem Leben hat die Gnade damals geschrieben, als sie ihn aus einem verlorenen Sünder zu einem Heiligen machte.
Nie darf daher der Christ das Vertrauen auf die Barmherzigkeit Gottes verlieren.
Verehrung des heiligen Augustinus für die jungfräuliche Mutter
Aus den verschiedenen Schriften über das Leben des heiligen Augustin erfahren wir, dass er die größte Verehrung für Maria hatte, wie sie das Kind Jesus säugt, und die tiefste Anbetung zum gekreuzigten Erlöser hegte. Auch haben ihn die Maler oft zwischen diesen zwei Gegenständen seiner zärtlichen Liebe dargestellt mit folgender Aufschrift: „Von dieser Seite fühle ich mich durch die Wunden, und von dieser anderen von der Milch der jungfräulichen Brust angezogen.“ „Ich werde“, sagte er oft, „jedes Mal mit Vertrauen und Liebe erfüllt, wenn ich meinen gekreuzigten Gott betrachte. Ich muss aber gestehen, dass ich dasselbe Gefühl in demselben Grad empfinde, wenn ich die glücklichen Brüste betrachte, die den Sohn Gottes genährt haben, so dass ich, zwischen diese zwei himmlischen Gemälde gestellt, nicht weiß, nach welchem ich zuerst mich wenden soll, so mächtig fühle ich mich zu gleicher Zeit vom Blut des Sohnes und der Milch der Mutter angezogen“.
Ein Tag aus dem Leben des heiligen Augustinus
Als die afrikanische Kirche ihre erste Blüte erlebte
Von G. Douillet, in „Vivante Afrique“, abgedruckt in „“Ecclesia“, Paris 1960
Die Aufgaben eines Bischofs im 5. Jahrhundert waren vielfältiger Natur. Um sich eine Vorstellung zu machen, braucht man nur einmal den Tageslauf des Bischofs jener Zeit, den wir am besten kennen, des heiligen Augustinus, zu verfolgen:
Noch ist es Nacht. Doch schon werden die Lampen in der Bischofswohnung von Hippo angezündet, wo Augustinus mit seinen Priestern seit dem Tag lebt, an dem Valerius ihm vor seinem Tod das Bischofsamt übertragen hat.
Für Augustinus ist die Bischofswürde keine Ehre, um die man sich bewirbt, sondern eine Aufgabe, die man übernimmt: „Mein lieber Bruder“, schreibt er, „Du weißt, wie viele Dinge in meinen Händen liegen und mit wie vielen wichtigen Geschäften mein Bischofsleben beschwert ist. Meine Augenblicke der Muße sind kurz und selten, und wenn ich sie für andere Dinge verwendete, würde ich glauben, dass ich meine Pflicht nicht erfülle.“ Daher lädt er die Gläubigen ein, diese Last zusammen mit ihm zu tragen: „Ach, meine Brüder, wenn ihr auch nicht das Steuer führt, seid ihr nicht trotzdem Passagiere im selben Boot?“
Im bischöflichen Haus, in dem Augustinus, sein Klerus und einige zukünftige Priester ein fast mönchisches Leben führen, beginnt der Tag mit dem Beten oder Singen der Psalmen, was etwa dem heutigen Chorgebet entspricht. Dann kommt die Betrachtung der Heiligen Schrift, Augustinus` geistiger Nahrung: „Es gibt nichts Besseres und Angenehmeres, als ungestört im göttlichen Schatz der Schrift zu forschen. Wie köstlich ist das, wie gut!“ ruft er am Jahrestag seiner Weihe aus.
Im Laufe des Vormittags feiert der Bischof das heilige Messopfer. Aber schon während er sich in der Sakristei vorbereitet, kommt eine Menge Leute, um ihm ihre Anliegen vorzutragen und ihn zu bitten, ihre Streitfälle – oft die alltäglichsten Dinge, wie Baubeschwerden, Vormundschaftsangelegenheiten, Erbschaftsstreitigkeiten usw. – zu schlichten. Aber auch nach der heiligen Messe reißt der Strom der Bittsteller nicht ab. Der Bischof aber ist bemüht, gerecht zu urteilen, und benützt die Gelegenheit, um die Streitenden Achtung vor dem Gesetz Gottes zu lehren.
Sobald die Stunde des feierlichen Gottesdienstes gekommen ist, gibt Augustinus das Zeichen, und der Zug zieht in die riesige Kathedrale von Hippo ein, wo eine bunt zusammengewürfelte Menge von Menschen aller Rassen und Berufe die Kirche dichtgedrängt füllt. Die Männer befinden sich auf der einen Seite und die Frauen auf der anderen, davor die Kinder, beaufsichtigt von den Sklaven, die sie hereingeführt haben. Ein besonderer Platz ist den Jungfrauen und Witwen vorbehalten.
Der Zug ist im Chor angelangt, die liturgische Feier beginnt. Dem Vorlesen des Textes des heiligen Paulus schließt sich ein Psalm an, dessen Verse von Sängern gesungen werden, während die Menge den Refrain aufnimmt. Dann folgt die Verlesung des Evangeliums durch einen Diakon, dem das Volk aufmerksam zuhört. Es braucht dabei nur das Beispiel seines Hirten nachzuahmen: „Ich höre das Evangelium, als ob der Herr selbst zugegen sei“, sagt Augustinus.
Sitzend beginnt der Bischof zu predigen. Die Leute sind noch näher herangekommen, um ja keines seiner Worte zu verlieren. Sie scheuen sich nicht, ihre Zustimmung und Freude laut zu bekunden. Der Bischof erklärt den eben verlesenen Text. Er lässt die Gläubigen seine Sorgen wissen und legt ihnen nahe, nicht zu stehlen, einander nicht zu schlagen usw. Dabei merkt man, dass ihm die Streitfälle in Erinnerung kommen, die er soeben erst in der Sakristei schlichtete. Alle hängen an seinen und hören offenen Mundes zu wie Kinder, die einem Märchenerzähler lauschen.
Nun hat Augustinus sich erhoben, um die Predigt zu beenden. Eine ganze Stunde lang hat er seine Leute ermahnt. Jetzt beginnt er mit ihnen zu beten. Das Volk erhebt die Hände zum Himmel als Zeichen der flehenden Bitte. Dann kommt die Verteilung des gesegneten Brotes und des Salzes an die Katechumenen, die sich hierauf zurückziehen, während sich die schweren Pforten der Basilika schließen, da nun die eigentliche Opferhandlung beginnen soll.
Von seinen Priestern umgeben, betet der Bischof die Litanei der Bitten, wie sie uns bis heute noch im Gottesdienst des Karfreitag erhalten geblieben ist. Hierauf nehmen die Diakone die Gaben der Gläubigen in Empfang, die in Prozession zum Opfer vortreten, während die Sängernach einer von Karthago übernommenen Sitte einen Jubelpsalm anstimmen. Hierauf folgen die vom Bischof je nach dem Fest des Tages improvisierte Präfation und der stille Kanon mit einem Text, der damals schon festgelegt war.
Anschließend wird die Litanei um den Frieden wieder aufgenommen und für die Einheit, für die Lebenden, besonders alle Wohltäter, deren Namen auf Täfelchen stehen, für die Erkrankten, für die Märtyrer aus Hippo und Rom, für die Vorgänger auf dem Stuhl von Hippo, für die Jungfrauen, für die kürzlich Verstorbenen und schließlich für alle Toten gebetet.
Es folgen das Paternoster, der Friedenskuss, der Leib des Herrn, den jeder in der Hand hält, ehe er kommuniziert, und schließlich das Auseinandergehen der Gläubigen, nachdem der Bischof verkündet hat: „Geht in Frieden!“
Der Morgen ist schon weit vorgeschritten, wenn das Amt beendet ist. Nachdem noch einige Bittsteller und Streitende verbeschieden sind, kehrt Augustinus mit seinen Geistlichen in das bischöfliche Haus zurück. Dort sind am Mittag und am Abend alle um einen einfachen Tisch geschart, wo es meist Gemüse und Obst gibt, ohne dass jedoch Fleisch und Wein verpönt wären. Die Löffel sind aus Silber, die anderen Geräte und Gefäße aus Holz oder Ton. Während der Mahlzeit wird vorgelesen, oder man unterhält sich über philosophische und theologische Fragen.
Am Nachmittag widmet der Bischof sich den verschiedensten Aufgaben. Sein Seelsorgeamt kann ihn dabei auch außer Haus führen. „Bei seinen Besuchen hielt er die vom Apostel Jakobus angegebene Regel ein“, berichtet uns Possidius. „Er besuchte nur die Waisen und die Witwen in ihrer Not. Wenn die Kranken ihn baten, zu kommen, ihnen die Hände aufzulegen und Gott für sie zu bitten, eilte er herbei. Frauenklöster dagegen besuchte er nur in seltenen Fällen.“
Er, der nach der Rückkehr nach Thagaste die paar Grundstücke, die er noch besaß, verkauft hatte, um ganz Gott zu gehören, musste nun zahlreiche Güter und Ländereien verwalten. Wieviel Arbeit und Mühe kostete ihn das! Daher vertraute er die Verwaltung dieser Güter, soweit er irgend konnte, den dafür am besten geeigneten Geistlichen an. (Die Laien wollten nichts davon wissen.)
Augustinus kümmerte sich auch um die Armen von Hippo, die bei ihm Hilfe suchten. Er verteilte das Geld unter ihnen, das eigentlich für seinen Unterhalt bestimmt war, und war bereit, selbst bettelarm zu werden für diese Bettler, in denen er Christus sah. In der Predigt sagte er: „Der Winter ist gekommen. Denkt an die Armen und daran, wie ihr den nackten Christus kleiden könnt!“
Nahmen ihn materielle Aufgaben zu sehr in Anspruch, dann verwendete Augustinus die Nächte, um seine Predigten auszuarbeiten und den Briefwechsel mit anderen Bischöfen, mit Rom und selbst mit Heiden, die Rat bei ihm suchten, zu erledigen. In einem Brief schreibt er: „Wenn ich euch von meinem Tageslauf und den vielen notwendigen Arbeiten, die mich beschäftigen, erzählen würde, würdet ihr seufzen über die Unmenge Geschäfte, die mich belasten und die ich nicht von mir weisen kann. Sie erlauben mir nicht, das zu tun, worum ihr mich so inständig bittet, und ich bedauere es unendlich, dass ich es nicht tun kann.“
Der Bischofssitz von Hippo war zwar nicht so wichtig, dass er ein solches Übermaß von Arbeit mit sich brachte, aber Augustinus, der damals schon als großer Theologe und Prediger galt, wurde oft über irgendeinen schwierigen Punkt der kirchlichen Lehre befragt. So z.B. bat ihn Aurelius, der Bischof von Karthago und Primas von Afrika, in einer seiner Basiliken zu predigen. Er überließ ihm gerne die Aufgabe, theologische oder Streitschriften zu schreiben und beschränkte sich auf die Verwaltung, die ihm mehr lag. Im Ganzen schrieb Augustinus 113 Werke (mit teilweise mehr als 2000 Seiten!), 224 Briefe, von denen manche die reinsten Abhandlungen sind, und über 500 (erhaltene) Predigten.
Diese Tätigkeit im Dienst der Kirche Afrikas vermochte ihn jedoch nicht von dem abzulenken, was er als seine erste Pflicht betrachtete, die Betreuung seiner Diözesanen: „Weide meine Schafe! Welche Schafe? Die, die ich mit meinem Blut gekauft habe. Ich bin für sie gestorben. Liebst du mich? Stirb für sie! Nicht Petrus allein hat diese Worte gehört. Auch die anderen Apostel hörten sie, und sie haben sie uns überliefert, damit auch wir sie hören. Möge der Herr uns die Kraft verleihen, euch genügend zu lieben, um für euch auch sterben zu können, sei es in Wirklichkeit oder im Geist.“