Seine Eltern, eine der vornehmsten Familien in Lyonnais, ließen ihn mit großer Sorgfalt in den Wissenschaften und der Übung christlicher Tugend erziehen. Nach dem Tod seiner Brüder schickten sie ihn an den Hof Karls des Großen, im Jahr 799. – Barnard war damals18 Jahre alt. Er lebte mitten in der Welt, wie er mitten in der Wüste gelebt haben würde. Mit reichlichem Almosen verband er strenges Fasten und inbrünstiges Gebet, mit dem er oftmals ganze Nächte zubrachte. Aus Gehorsam gegenüber seinen Eltern trat er in den Ehestand. Aber als in der Folge seine Frau in seine frommen Absichten einwilligte, verließ er die Welt in einem Alter von 25 Jahren und legte in dem Kloster, das er zu Ambournai in Bügey gestiftet hatte, das Ordenskleid an. (Dieses Kloster lag acht Stunden von Lyon. In der Folge kam es zu der Congregation von St. Maur und unterstand unmittelbar dem Hl. Stuhl. Das Städtchen Ambournai im Aindedepartement hat ihm seinen Ursprung zu verdanken und stand allzeit unter der Herrschaft dieser Äbte.) Er betrachtete sich stets als den Letzten der Brüder und nie erregte der Name des Stifters irgendeinen eitlen Gedanken in ihm. Seine Lebensweise war so streng, dass sie beinahe die Kräfte der menschlichen Natur zu übersteigen schien. Als der erste Abt von Ambournai gestorben war, wurde er genötigt an dessen Stelle zu treten und die Leitung des Klosters auf sich zu nehmen.
Der Ruf seiner Heiligkeit war so fest begründet, dass man ihn um das Jahr 817 zu Wolfers Nachfolger auf den erzbischöflichen Stuhl von Vienne erwählte. Er wollte dieser Wahl nicht beistimmen und man musste ihn zur Einwilligung durch einen ausdrücklichen Befehl des Papstes gleichsam zwingen. Papst Paschal sandte ihm das Pallium und bestätigte alle seiner Kirche vom Hl. Stuhl zugestandenen Rechte. Der Heilige verband die Bußübungen des Klosters mit den apostolischen Arbeiten und der oberhirtlichen Sorge. Mit väterlicher Liebe nahm er sich der Armen und besonders der Sünder an und empfand, wenn sie ihm das Bekenntnis ihrer Sünden ablegten, einen innigeren Schmerz, als der reuevollste Büßer, der zu seinen Füßen lag.
Ludwig der Fromme, der nach Karl des Großen Tod 814 zum Besitz seines Reiches gelangte, gab in einer Reichsversammlung, die im selben Jahr zu Aachen abgehalten wurde, Lothar, seinem ältesten Sohn, den Kaisertitel. Obgleich nun dieser Beschluss dem Papst zur Bestätigung übersandt worden war, ließ sich Lothar doch erst im Jahr 823 zu Rom krönen. Und im Jahr 830 ergriff dieser Fürst mit den Königen Ludwig und Pipin, seinen Brüdern, die Waffen gegen seinen eigenen Vater. Zum Vorwand ihres Aufruhrs erklärten sie, die Kaiserin Judith, ihre Stiefmutter, übe eine grausame Tyrannei aus und stehe in einem lasterhaften Verkehr mit Bernard, dem Grafen von Barcellona. Der Kaiser und die Kaiserin wurden zu Soissons eingesperrt. Der Vater in das Kloster des heiligen Medard und die Stiefmutter in das zum heiligen Kreuz. Der Kaiser erhielt zwar wieder im Oktober desselben Jahres seine Freiheit, verlor sie aber von neuem im Jahr 833. Die drei Fürsten ergriffen zum zweiten Mal die Waffen gegen ihren unglücklichen Vater, weil sie mit Unwillen den Einfluss sahen, den seine Gemahlin Judith auf ihn hatte, und weil er zugunsten des mit ihr gezeugten Sohnes (Karl in der Folge der Kahle genannt.) eine neue Teilung des Reiches gemacht hatte. Sie sperrten ihn wieder in das Kloster des heiligen Medard. – Mit gerechtem Unwillen sah man den ohnmächtigen Vater zu Soissons, in der Kirche unserer Lieben Frau, das Bekenntnis seiner angeblichen Verbrechen ablegen und sich in das Kleid öffentlicher Büßer einhüllen. Der größte Teil der Aufrührer wurde durch diese Demütigung besänftigt. Ludwig und Pipin begnügten sich nun und vereinigten sich im folgenden Jahr gegen ihren Bruder Lothar, um ihn zu zwingen, ihren Vater in Freiheit zu setzen, was auch wirklich am 1. März zu St. Denys durchgeführt wurde.
Der Erzbischof von Vienne, der sich unglücklicher Weise von den Prälaten und Großen des Reiches, die an der Entthronung Ludwig des Frommen, Anteil genommen, hatte hinreißen lassen, floh, sobald er ihn wieder auf seinem Thron erblickte, in Lothars Länder nach Italien mit Agobard, den er zum Erzbischof von Lyon geweiht hatte. (Agobard, der Erzbischof von Lyon, erklärte sich offen für die aufrührerischen Söhne. Er schrieb sogar eine Verteidigung ihres Betragens, die wir noch haben. Nach der Wiederversöhnung Lothars mit seinem Vater im Jahr 837, kehrte er nach Lyon zurück, wo er am 6. Juni 840 starb. Er wird an diesem Tag zu Lyon und in Saintonge unter dem Namen des Heiligen von Aguebaud öffentlich verehrt. Agobard war ein sehr gelehrter Oberhirt, er hat mehrere Schriften hinterlassen.) Als sich Lothar wieder mit seinem Vater ausgesöhnt hatte, kehrte Barnard in seine Kirche zurück und büßte durch aufrichtige Reue seine begangenen Fehler. Einige Zeit später stiftete er in seiner Diözese das Kloster von Romans, in das er sich oft zurückzog, um sich durch Gebet und Bußübungen auf den Tod vorzubereiten. Da er verschiedene Anzeichen vom herannahenden Ende seines Lebens spürte, predigte er zum letzten Mal in seiner Kathedralkirche, und sagte dem Volk ein väterliches Lebewohl. Dann zog er sich in das Kloster von Romans zurück, wo er drei Tage und drei Nächte auf einem Bußkleid hingestreckt zubrachte. Bei Anbruch des vierten Tages hörte er eine Stimme: „Komm, du bist erwartet.“ Hierauf empfing er die heilige Wegzehr und verschied bei den ersten Strahlen der aufgehenden Sonne, in seinem 64. Lebensjahr, dem 32. Seines bischöflichen Hirtenamtes, an einem Sonntag im Jahr 842 nach der Geburt Jesu Christi. Man beerdigte ihn am 23. Januar, an dem Tag, an dem man in der Folge auch sein Fest beging. Seine Reliquien wurden zu Romans aufbewahrt, bis zu den Verheerungen der Hugenotten, durch die sie zerstört wurden. Sein Name stand nie im römischen Martyrologium. In den Diözesen von Vienne, Grenoble, Vivier und Die u.a.m. hat man eigene Tagzeiten zu seiner Verehrung eingeführt.
Kathedrale Vienne