Heiliger Beatus, 1. Missionar in der Schweiz am Thursee, + 9.5.112 – Fest: 9. Mai

       

Das tapfere, freiheitsliebende Volk der Schweiz rühmt sich, einen Apostelschüler in seinen schönen Bergen aufgenommen und von ihm die Wahrheit und Gnade des Christentums empfangen zu haben. Dieser Schweizerapostel ist der heilige Beatus. Vor seiner Bekehrung hieß er Suetonius, stammte aus einer vornehmen Familie Schottlands, zeichnete sich durch Wohlgestalt, wie durch sein gesittetes, feines Benehmen vorteilhaft aus und reiste als junger Mann zu seiner weiteren Ausbildung nach Italien. In Mailand lernte er den Apostel Barnabas kennen, wurde von ihm im Christentum unterrichtet und getauft und fühlte sich in der Liebe und Gnade Jesu Christi so glücklich, dass er sich den Namen „Beatus“, d.h. der Glückselige, geben ließ. Als Christ reiste er nach Rom, sah dort den Apostelfürsten Petrus, erhielt von ihm die Priesterweihe und den Auftrag, den Helvetiern (Schweizern) das Evangelium zu verkünden.

 

Von dem Diakon Achates begleitet, verließ Beatus das schöne, anmutige Italien und überstieg unter unsäglichen Beschwerden die schneebedeckten Alpen. Seine Liebe zu Gott und den Menschenseelen, sein lebendiger Glaube und sein seliges Gottvertrauen waren sein einziger Reichtum. Was er vormals an Vermögen besaß, hatte er unter die Armen verteilt. Mit einem langen Rock bekleidet und einen Pilgerstab in der Hand kam er durch das Aartal bis zum Herzen des Schweizerlandes, zum Waldstätter See. Überall, wohin er kam, im Aargau, Solothurn, Bern, Thurgau und Luzern, streute er den Samen des Evangeliums, forderte die Bewohner des Landes zur Buße auf, stellte ihnen die Torheit ihres Götzendienstes vor Augen und mahnte sie, die heilbringende Lehre des Gottessohnes anzunehmen. Die schlichten Leute überzeugten sich bald, dass der fremde Prediger nichts anderes begehre, als das Heil ihrer Seelen, denn Geschenke nahm er nicht an. Mit seinem Freund Achates nährte er sich von der Arbeit seiner Hände, er flocht Fischreusen, Weidenkörbe und Binsenmatten, von deren Erlös er spärlich lebte. Gegen jedermann zeigte er Freundlichkeit, Wohlwollen und Dienstfertigkeit, Unbilden und Verfolgungen ertrug er heiter und gelassen, Beleidigungen verzieh er von Herzen, seine Geduld und Sanftmut ließen sich nie erschüttern. Durch Gebet und Handauflegung machte er viele Kranke gesund, und außerordentliche Zeichen bestätigten ihn als einen Gottesmann, den das Volk bald als seinen Vater ehrte und liebte. Immer mehr drang die rechte Gotteserkenntnis in die Seelen, sie nahmen die Lehre Jesu freudig an und rissen ihre Götzentempel nieder.

 

Von den anmutigen Gestaden des Vierwaldstätter Sees wandte sich Beatus zu den rauen Gebirgsgegenden des Thuner und Brienzer Sees, um auch dort den armen Bergbewohnern das Brot des Lebens zu brechen. Die biederen, einfachen Landleute nahmen ihn gastlich auf, hörten mit Freuden seine Lehre, entsagten dem Götzendienst und wurden eifrige Bekenner der ewigen Wahrheit.

 

Nachdem Beatus in allen Schweizergauen das Evangelium verkündet und durch sein heiliges Leben selbst die verwildertsten Heiden umgewandelt hatte, sehnte er sich, hochbetagt, nach Ruhe. Er hörte von einer schauerlichen Einöde, wohin sich niemand wagte, weil dort ein furchtbarer Drache hauste. Beatus bat einen Schiffer, ihn und seinen Freund Achates über den Thuner See an das jenseitige Gestade zu setzen. Der Schiffer trug Bedenken, weil ein starker Sturm wehte und die Wogen schäumend brandeten. Sobald sie aber ins Schiff stiegen, legte sich der Sturm und das Wasser bot eine spiegelklare Fläche.

 

In der Mitte des Berges fand Beatus eine Felsenhöhle, aus der ihm der Sage nach ein furchtbarer Drache, seit langem der Schrecken der ganzen Umgegend, schnaubend und mit aufgesperrtem Rachen entgegenkam. Beatus machte das heilige Kreuzzeichen und der Drache fuhr in den See hinab und ward nicht mehr gesehen.

 

Die Felsenhöhle wählte Beatus zu seiner Wohnung, um fortan sich unter Fasten, Bußwerken und Gebet auf eine glückselige Ewigkeit vorzubereiten. So große Verdienste sich Beatus erworben, so hielt er sich doch in seiner Demut für den unwürdigsten Diener Gottes und benetzte oft sein raues Lager mit Tränen. Die Wurzeln und Früchte der Wildnis waren seine Nahrung. Trotz dieser einfachen und abgetöteten Lebensweise erreichte er, wie die frommen Altväter der Wüste, ein hohes Greisenalter.

 

Neunzig Jahre war Beatus alt, als ihn ein heftiges Fieber befiel. Er erkannte, dass die Stunde seiner Heimkehr gekommen sei, und bat seinen Freund Achates, die Männer der Nachbarschaft an sein Sterbebett zu rufen. Sie kamen und standen voll tiefer Betrübnis am Sterbelager ihres Wohltäters und geistlichen Vaters. Er begrüßte sie freundlich mit den Worten: „Meine lieben Leute und Kinder in Christus! Vor meinem Hinscheiden möchte ich noch einiges zu euch reden. Erinnert euch an das, was ich euch so oft gesagt habe: es ist mit dem Tod des Gläubigen ganz anders, als mit dem Tod des Ungläubigen. Die Ungläubigen haben nach diesem Leben nichts Gutes zu hoffen, ihrer wartet die Verdammnis. Allein der Tod des wahren Christen ist nur ein sanfter Schlaf, er geht durch den Tod in die ewige Freude ein. So bleibt denn standhaft im christlichen Glauben! Lasst weder durch Unglauben, noch Irrlehre, noch Sünde euch von Jesus Christus abwendig machen! Lebt, wenn euch euer ewiges Heil lieb ist, eurem christlichen Beruf gemäß. Gottes Segen sei und bleibe mit euch und dem ganzen Land! Amen.“

 

Dann umarmte er Achates und sprach zu ihm: „Lieber Sohn und langbewährter Freund Achates! Wir wollen nicht trauern, vielmehr beide dem treuen Gott danken, dass wir unter seinem Beistand so viele Jahre im Glauben und in der Liebe ein Herz und ein Sinn geblieben sind, dass wir immer friedlich miteinander gelebt, Leid und Freude miteinander geteilt, die Mühseligkeiten gemeinsam übertragen und die Anfechtungen überwunden haben. Wie könntest du dich auch, mein guter Achates, darüber betrüben, dass Gott mich jetzt aus diesem vergänglichen Leben zum ewigen seligen Leben ruft? Lass es also geschehen und ergib dich in Gottes heiligen Willen! Entsetze dich nicht über meinen Tod und bekümmere dich nicht, dass ich jetzt sterbe! Es ist einmal Gott so gefällig und gereicht zum Heil meiner Seele. Ich gehe dir jetzt auf dem Weg voran, du folgst mir in kurzem nach. Vergiss daher meine väterlichen Ermahnungen nicht, bleibe deinem christlichen Beruf treu und befleiße dich aller Gottseligkeit. Befestige durch Wort und Beispiel die neubekehrten Christen im Glauben und erhalte sie dem Herrn! Wache und bete und bereite dich mit allem Fleiß auf deine Sterbestunde vor! Was meinen hinfälligen Leib anbetrifft, so begrabe ihn, wenn meine Seele davon wird abgeschieden sein, neben dieser Höhle, die ich die zum Erbteil hinterlasse. Ich scheide dahin in der gewissen Hoffnung der Auferstehung, der Herr wird auch meinen Leib wieder zum Leben erwecken.“

 

Der sterbende Greis faltete seine Hände, erhob seine Augen gen Himmel und sprach: „Herr, du guter und getreuer Gott! Du hast mich erlöst, in deine Hände empfehle ich meinen Geist!“ Mit diesen Worten entschlief er sanft am 9. Mai 112, neunzig Jahre alt.

 

Achates begrub ihn neben der Höhle, die fortan im Mund des dankbaren Volkes „Beatushöhle“ hieß. Gott verherrlichte die Ruhestätte seines treuen Dieners durch viele wunderbare Gebetserhörungen. Deshalb erbauten die Christgläubigen dort eine Kapelle, zu der zahlreiche Pilger wallfahrteten. Als aber die neue Lehre der Reformatoren des 16. Jahrhunderts auch in die Schweiz eindrang, wurden die Gebeine des heiligen Beatus nach Luzern in die Stiftskirche des heiligen Leodegar übertragen, wo sie alljährlich an den vier höchsten Festen zur Verehrung der Gläubigen ausgesetzt werden.