Der heilige Beda, von Geburt ein Engländer, der um das Jahr 700 lebte, gehört zu den Stillen und bescheidenen Menschen, die nicht viel aus sich machen, sich nicht vordrängen, gern im Hintergrund stehen, deren Leben sich trotzdem wie eine breite Segensspur über die Erde hinzieht.
Als siebenjähriger Junge ging Beda ins Kloster und blieb darin bis an sein Lebensende. Erst war er Schüler, dann wurde er Mönch und Priester, schließlich unterrichtete er als Lehrer an der Klosterschule und schrieb Bücher über alle möglichen Dinge, denn durch fleißiges Lernen war er mit den Jahren so klug geworden, dass er als der gelehrteste Mann seiner Zeit angesehen wurde. Es war einzig nur der Fleiß, der ihn zu dem gemacht hatte, was er war. Jeden freien Augenblick, den der Tag ihm bot, nutzte Beda aus zum Lernen. Faulenzerei kannte er nur dem Namen nach. Stets saß er hinter den Büchern. Lernen war lebenslang seine Wonne.
Der heilige Beda war aber nicht nur fleißig, sondern auch fromm. Wenn vom hohen Klosterturm die Glocke zum Gottesdienst rief, mehrmals am Tag und einmal in der Nacht, war Beda meist als erster von den Brüdern zur Stelle. Mit ganzer Seele diente er dem Herrn in seinem Heiligtum. Schon die Art, wie er die Kniebeuge machte, war wie eine Predigt, so schön und lehrreich sah es sich an. Stets auch betete und sang er mit den anderen und sprach jedes Wort deutlich aus, und dass er mit dem Nebenmann in der Kirche schwätzte, ist nie beobachtet worden, und ganz undenkbar war es, dass er beim Gebet umhersah, um zu beobachten, was die anderen trieben. Bei ihm war es so, wie es sein soll, dass nämlich beim Beten das Herz vorbeten, der Mund nachbeten und Augen, Hände und Knie mitbeten müssen.
Schön war auch Sankt Bedas Tod. Lange vorher litt er bereits schwer an Atemnot, die ihn aber nicht daran hinderte, bis zu seinem letzten Lebenstag Schule zu halten. Die übrige Zeit des Tages und einen Teil der Nacht brachte er während der Krankheit im Gebet zu, damit ihn der Herr bei seinem Kommen wachend finde. Als die körperliche Schwäche zunahm, empfing Beda am Tag vor Christi Himmelfahrt kniend die heiligen Sterbesakramente, ging anschließend in das Klassenzimmer und diktierte den Schülern wie immer. Nur sagte er, sie möchten schneller schreiben als sonst, weil er bald abberufen werde. So sagte er, und er behielt recht, denn am anderen Morgen, am Himmelfahrtstag des Herrn, trat er die eigene Himmelfahrt an. Wieder kniete er auf dem Fußboden seiner Zelle, und als er merkte, dass der Tod neben ihm stand, schlug er über sich noch einmal ein Kreuzzeichen und sagte: „Nun ist alles gut vorüber im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.“ Das waren Bedas letzte Worte, und während der tote Körper noch eine Weile in der knienden Stellung verharrte, zog die Seele himmelwärts am Himmelfahrtstag des Jahres 735. Es war ein schöner Tod.
Wohl war das Christentum schon früh nach England vorgedrungen. Aber die Wogen der Völkerwanderung hatten im 4. Und 5. Jahrhundert die hoffnungsvoll aufsprossende Saat wieder überschwemmt und vernichtet. Erst unter Abt Augustin, der gegen Ende des 6. Jahrhunderts mit 40 Gefährten nach England kam, fasste das Christentum auf den britischen Inseln festen Fuß und nahm nun einen raschen Aufschwung. Schon hundert Jahre nach Augustin erreichte es in der überragenden Gestalt des heiligen Beda einen Gipfelpunkt geistiger Bildung. Beda, den die Nachwelt mit dem wohlverdienten Beinamen Venerabilis (der Ehrwürdige) auszeichnete, war die hellste Leuchte seines Jahrhunderts und der Stolz seines Volkes.
Die Inschrift auf dem Grab des Heiligen in der Marienkirche zu Dunelm konnte ohne Übertreibung von Beda rühmen, es sei in ihm aus einem entlegensten Ende der Erde eine Leuchte für die ganze Welt aufgegangen. Hat doch kaum ein anderer Gelehrter einen nachhaltigeren Einfluss auf das Geistesleben der späteren Jahrhunderte ausgeübt als Beda Venerabilis.
Wenn die Kirche Beda unter die Schar der Heiligen aufnahm und Papst Leo XIII. ihn der Zahl der heiligen Kirchenlehrer beigesellte, so galt diese Verehrung nicht bloß dem gelehrten Professor und Schriftsteller, sondern auch dem Vorbild christlicher Vollkommenheit. In Bedas Leben gibt es keine außerordentlichen Wunderwerke. Seine Heiligkeit bestand darin, dass er die gewöhnlichen Andachts- und Tugendübungen des Ordensmannes mit ungewöhnlicher Vollkommenheit und Heiligkeit verrichtete. Beda lehrt durch sein Leben, dass der Schwerpunkt der Selbstheiligung und Vervollkommnung nicht in den außerordentlichen Taten und Wunderwerken liegt, sondern in den sogenannten kleinen Tugenden. Gute Meinung, starker Opfergeist und reine Gottesliebe vermögen mit Hilfe der Gnade Gottes aus kleinen Steinchen einen Ewigkeitsbau leuchtender Heiligkeit zu errichten. Auch die kleinen Schritte alltäglicher treuester Pflichterfüllung führen zum Berg Gottes und zu den Höhen strahlender Heiligkeit, wenn sie nur beschwingt sind von lauterer Absicht.