Seliger Bernhard von Offida, Kapuzinerbruder, + 22. August 1694 – Gedenktag: 22. August

 

Unermesslich ist der Segen, der allezeit von den wahrhaft christlichen Familien auf die Welt und die Seelen ausgegangen ist. Nazareth ist das erste christliche Gotteshaus und zugleich das Musterbild einer christlichen Familie im praktischen Berufsleben. Ein Nazarethheim soll nach der Absicht unserer heiligen Kirche jede Familie darstellen, um Gottes Gnaden und Segen, zeitliches und ewiges Glück den Eltern und Kindern zu vermitteln. Wenn man die Lebensgeschichte der Heiligen und Seligen betrachtet, wird man meistens die Entdeckung machen, dass die später sich voll entfaltende Vollkommenheit bereits im Keim in das Herz des Kindes im Elternhaus gesenkt worden war. Das Beispiel der ganzen Familie, besonders die frommen Lehren und die religiöse Erziehung durch eine gute christliche Mutter geben meist die Grundrichtung für die ganze spätere Entwicklung der Seele.

 

Eine solch „heilige Familie“ nach dem Vorbild von Nazareth lebte im Anfang des 17. Jahrhunderts im päpstlichen Kirchenstaat. Christliche Frömmigkeit und Arbeitsamkeit, Zufriedenheit und Schlichtheit zeichneten diese Landmannsfamilie aus, die der Kirche und dem Kapuzinerorden einen Seligen, Bernhard von Offida, schenken sollte. Frühzeitig offenbarte sich an dem jungen „Eremiten“, wie man den frommen Knaben allgemein nannte, ein tiefer, religiöser Ernst, Eifer für geistliche Übungen und Belehrungen, Liebe zum Stillschweigen und zu innerer Sammlung. Der Eintritt in den Franziskanerorden der Kapuziner versetzte die Tugendpflanzung in dieser gottbegnadeten Seele in den Gottesgarten gesteigerten Tugendwachstums und alsbald zeigten sich die reichsten Früchte der standesgemäßen Vollkommenheit.

 

Neunzig volle Lebensjahre währte die Pilgerschaft unseres Seligen zum Himmel und als Leitstern leuchtete ihm dabei das große, goldene Dreigestirn der göttlichen Tugenden. Bernhard war ein Mann des tiefsten Glaubens. Ganz durchdrungen von Glaubensgeist und Glaubensfreude, lebte er in der überirdischen Welt dieses Glaubens und der Gnade und bedauerte nur, dass er bloß mit dem unblutigen Martyrium vorliebnehmen müsse. „Ach könnte ich“, sagte er oft, “das Glück haben, mein Blut für unseren Glauben zu vergießen! Aber Gott schenkt mir diese Gnade nicht, weil ich sie nicht verdiene.“ Aus diesem erleuchteten Glauben an Gottes Allmacht, Allgegenwart, Weisheit und Vatergüte entsprang des Seligen unerschütterliche Hoffnung, Gottvertrauen und Gottergebenheit und die demütige Hingabe an Fügungen und Führungen der göttlichen Vorsehung. „Von Gott hoffe ich alles,“ lautete sein Losungswort. Er hoffte wider alle Hoffnung in Not und Bedrängnis, besonders wenn das Kloster durch seine Mildtätigkeit Armen gegenüber in großen Mangel zu kommen schien. Des Bruders Antlitz leuchtete dann von tiefstem Frieden und zuversichtlichem Vertrauen, und jedes Mal sorgte die göttliche Vorsehung in überreichlicher Weise. Die größte der göttlichen Tugenden ist nach dem heiligen Paulus die Liebe. „Gott ist so würdig geliebt zu werden, dass selbst die Felsen vor Liebe zu ihm brennen würden, wenn sie der Liebe fähig wären,“ so rief Bruder Bernhard oft in der überwallenden Inbrunst seiner Seraphsliebe. Beständig lebte er mit Gott in inniger Liebes- und Gnadenvereinigung. Doch war seine Seraphsglut, von der oft sein Antlitz flammte und sein Herz zu springen drohte, kein leeres Spiel des Gefühls. Seine Gottesliebe bewährte sich vor allem als dankbare, gleichförmige, opfernde und sühnende Liebe. Leib und Seele wollte der Selige als Brandopfer darbringen auf dem heiligen Altar der göttlichen Opferliebe. Eine kindliche Verehrung trug der Selige auch zur lieben Gottesmutter. Besonders der heilige Rosenkranz bildete seine Lieblingsandacht und wie oft mahnte er andere dazu: „Glaubt mir, Maria ist mittels des Rosenkranzes auf eine vorzügliche Weise die Ausspenderin der Gnaden.“ Diese himmlische Mutter brachte im Orden alle Tugendkeime voll zur Entfaltung, die einst die irdische Mutter in das jugendlich-empfängliche Herz gesenkt hatte. In heiliger Siebenzahl erblühten in der Seele des demütigen Bruders durch Gottes Gnade und eigene treue Mitwirkung die sogenannten „menschlichen Tugenden“.

 

Geistessammlung und Gebetseifer verlangt der heilige Ordensvater Franziskus vor allem von seinen Schülern: „Der Leib ist die Klosterzelle und die Seele der Klausner, der darin wohnt,“ mahnte er oft und sein opferwilliger Schüler, der selige Bernhard von Offida, hielt eingedenk dieser Mahnung die Fenster und Türen seiner Seelenklause, d.h. seine Sinne, wohl verwahrt, damit der Lärm und Trubel der Außenwelt nicht die heilige, andächtige Stille in seiner Herzenskapelle stören konnten. Dort hielt er beständig Gottes- und Gebetsdienst mitten in aller äußeren Arbeit durch Stoßgebete, Wandel in Gottes Gegenwart, durch Betrachtung und Beschauung. Dadurch verwandelte sich auch seine Berufsarbeit als Almosensammler, Krankenbruder usw. in ein „tätiges Gebet“. Die Abtötung der Sinne, Bußgeist und Herzensreinheit übte der Selige in heldenmütiger Weise, vor allem die innere Abtötung der Eigenliebe durch demütigen Gehorsam, die freiwillige strengste Armut und Losschälung vom Irdischen und zarteste Reinheit des Herzens. Nicht als ob er nie Kampf und Sturm im Seelenleben hätte bestehen müssen. Allein er wehrte sich mit Martyrermut und sein Herz war reiner und herrlicher als zuvor, so wie der blaue, lichtstrahlende Himmel nach einem Sturm. In den Schwestertugenden Demut und Sanftmut wurde Bernhard von seiner Umgebung auf den Sammelgängen genügend geübt und staunenswert war seine Ruhe und Gleichmütigkeit bei der beleidigendsten und ungerechtesten Behandlung. Das Geheimnis zu diesem Heroismus lag in seiner übernatürlichen Nächstenliebe, die das Wort des göttlichen Heilandes recht praktisch übte: „Was ihr dem Geringsten getan habt, das habt ihr mir getan.“ Die christliche Mildtätigkeit, die der Selige als Kind im elterlichen Haus einst gelernt hatte, begleitete ihn bis in das höchste Greisenalter, wo er aus körperlicher Gebrechlichkeit von schwereren Arbeiten befreit, den Kranken, Armen und Gefangenen seine Liebestätigkeit angedeihen ließ. Nach neunzig Jahren bußfertigen Lebens erreichte der Selige in freudiger Hochstimmung das Ziel seiner Himmelspilgerschaft, nachdem er den Segen seines Obern sich erbeten hatte mit den letzten Worten: „Pater Guardian, gebt mir den Segen auf die Reise zum Paradies.“

 

Bernhard wurde am 25. Mai 1795 seliggesprochen.

 

Ein langer, schwerer, gefährlicher Weg liegt für den Menschen oft zwischen dem irdischen und himmlischen Vaterhaus. Wohl dem, der durch Beispiel und Erziehung im Elternhaus eine gute Grundrichtung für das christliche Leben erhalten. Das Elternhaus muss die religiöse Bildung übernehmen und der Schoß der Mutter Betschemel und Schulbank für die Kinder werden!

 

„Wenn aus ihren Schulpalästen

Die neue Zeit das Kreuz verbannt,

Dann, Christen, von der Berge Festen

Tragt rings den Kriegsruf in das Land,

Wie`s unsere Väter oft getan:

Die Kinderseelen rührt nicht an!“