Diese Abtei, in einem großen Wald am Ufer der Tweed gelegen, gehörte im 7. Jahrhundert zum angelsächsischen Königreich Northumberland, das sich gegen Morgen von Schottland, bis an das Meer ausdehnte. Man befolgte in ihr ursprünglich die Regel des heiligen Columbus, in der Folge aber nahm man die der Zisterzienser an.
Der heilige Abt Eata stand als Oberer dem Kloster vor, in dem der heilige Boisilius Prior war. Es scheint, dass beide aus England stammten und der heilige Aidan sie dahin bewogen hatte, sich dem Klosterleben zu widmen. Boisilius war, nach dem Zeugnis des ehrwürdigen Beda, mit glänzenden Tugenden und dem prophetischen Geist begabt. Überall redete man von seinem heiligen Lebenswandel. Dies bewog auch den heiligen Cuthbert, als er die Welt verließ, das Kloster Mailros dem von Lindisfarn vorzuziehen. Als ihn Boisilius zum ersten Mal sah, sprach er zu den Anwesenden: „Seht einen Diener Gottes.“ Er ließ sich besonders angelegen sein, ihn in den Geist der göttlichen Schriften einzuweihen, und in allen Tugenden zu vervollkommnen.
Boisilius redete oft von den drei Personen der heiligen Dreieinigkeit; und wenn er den heiligen Namen Jesus nannte, tat er es mit so zärtlicher Andacht und oft mit solcher Tränenfülle, dass die Zuhörer dadurch ganz ergriffen wurden. Da er seinem Amt gemäß die Brüder zu belehren verpflichtet war, erfüllte er diese Aufgabe mit allem Eifer und der möglichsten Erbauung. Er empfahl ihnen besonders an, Gott für die Gnade zu danken, dass er sie zum klösterlichen Leben berufen habe, stets die Triebe der Eigenliebe zu unterdrücken, alle Anhänglichkeit an den eigenen Willen und an die Sinne zu verbannen, sich immerdar mit Gott durch fortgesetztes Gebet zu unterhalten, und beständig nach der Herzensreinheit zu streben, ohne die keine Vollkommenheit möglich ist. Er beschränkte sich aber nicht allein auf den Unterricht seiner Brüder, sondern predigte noch in den Städten und ahmte das Beispiel Jesu Christi nach, der im Umgang mit den Armen seine Freude fand.
Der ehrwürdige Beda redet von mehreren Prophezeiungen unseres Heiligen, unter anderen sagte er die Pest vorher, die im Jahr 664 England verheerte. Der heilige Cuthbert wurde auch von diesem furchtbaren Übel befallen, allein er starb nicht daran. Da ihn Boisilius nach seiner Wiedergenesung sah, sprach er zu ihm: „Gott hat dich geheilt, mein Bruder, und deine letzte Stunde ist noch nicht gekommen. Was mich betrifft, werde ich in sieben Tagen sterben, und du hast nur noch diese Zeit, um dich mit mir zu unterhalten und mich um Rat zu fragen.“ – „Allein was werde ich in einer so kurzen Zeit lesen können,“ fragte der heilige Cuthbert? „Das Evangelium des heiligen Johannes,“ erwiderte unser Heiliger. „In sieben Tagen können wir es lesen und unsere Betrachtungen darüber anstellen.“ Diese Betrachtungen sollten nicht eine eitle Neugierde befriedigen, sondern das Licht des Glaubens vermehren und seine Wirksamkeit noch höher steigern.“ Die Wonne, die der heilige Boisilius im Lesen des heiligen Johannes empfand, kam aus einer brennenden Liebe zu Jesus Christus und aus der großen Begierde, in sich immer mehr und mehr das Feuer der göttlichen Liebe anzufachen. Der Schüler ererbte von seinem Lehrer jene erleuchtete Frömmigkeit, und man fand in seinem Grab eine lateinische Abschrift des Evangeliums des heiligen Johannes. (Diese Abschrift war in den Händen des Grafen von Litchfield, der sie dem verstorbenen Thomas Philips, Kanoniker von Tongern, zum Geschenk machte.)
Als der siebente Tag herangekommen war, wurde der Heilige von der Pest angesteckt, wie er es vorhergesagt hatte. Je näher er seine letzte Stunde heranrücken sah, desto größer wurde seine Freude wegen seiner baldigen Befreiung. Er wiederholte öfters und mit sichtbarer Inbrunst, die Worte des heiligen Stephanus: „Herr Jesus, nimm auf meinen Geist.“ Sein gottseliger Tod erfolgte im Jahr 664.
Beda sagt, unser Heiliger habe sich besonders seines Landes und seiner Freunde von der Höhe des Himmels angenommen, er sei zwei Mal einem seiner Schüler erschienen und habe ihm befohlen, den heiligen Egbert zu benachrichtigen, es sei der Wille Gottes, dass er in die Klöster des heiligen Columbus gehe, um dort die wahre Weise zu lehren, wie das Osterfest solle gefeiert werden. (Diese Klöster waren: jenes der Insel Kolm-Kill, wo die Begräbnisstätte der schottischen Könige bis auf Malcolm III. war, und jenes von Magis, auf den orkadischen Inseln. Sie waren durch den Bischof Colman erbaut worden.)
Die Reliquien des heiligen Boisilius wurden nach Durham gebracht und dort im Jahr 1030 neben denen des heiligen Euthbert, seines Schülers, beigesetzt. Wilson und andere englische Schriftsteller geben sein Fest auf den 7. August an, allein man findet es den 23. Februar in dem Kalender von Schottland.