Frömmigkeit und Gehorsam zeichneten den jungen Bonaventura vor anderen Kindern aus. Die Vögel und die Blumen waren seine Lieblinge, und selbst über Kleinigkeiten konnte er sich über alle Maßen freuen. So war er für den Franziskanerorden wie geschaffen. Mit siebzehn Jahren ging er bereits ins Kloster. Nachdem er das Probejahr bestanden hatte, schickten ihn die Obern auf die Hochschule nach Paris.
In Paria hatte Bonaventura den heiligen Thomas von Aquin aus dem Dominikanerorden zum Mitschüler, und bald waren die beiden in herzlicher Freundschaft verbunden. Eigentlich passten die beiden gar nicht recht zueinander, denn Thomas war mit seinem scharfen Verstand die Spitzfindigkeit selbst. Während bei Bonaventura alles, was er lernte und später auch lehrte, zu einem gottinnigen Gedicht wurde. Thomas stand stämmig mit beiden Füßen in der Gottesgelehrtheit. Bonaventura dagegen flog stets wie ein Engel im Himmel herum. Es ist schwer zu sagen, wem von den beiden man den Vorrang geben soll. Untereinander jedoch bewunderte in schöner Demut der eine den anderen ohne jeden Neid, wie das die Heiligen fertig bringen. Und als Thomas eines Tages den Freund in ehrlichem Erstaunen fragte: „Sag, Bonaventura, woher hast du eigentlich deine himmelhohe Weisheit? Du musst in deiner Zelle sicher eine große und schöne Bücherei haben.“ Da nahm der Gefragte den Frager mit. Aber in Bonaventuras Klosterklause war nur die Heilige Schrift zu finden und sonst kein Buch. Da machte der gelehrte Thomas ein erstauntes Gesicht, und als er fragend den Freund anblickte, wies dieser auf ein Kruzifix an der Wand hin und sagte: „Das ist meine Bücherei.“ Bonaventura wollte damit sagen, dass man im Gebet vor dem Kreuz alle Weisheit findet.
Bonaventura war erst sechsunddreißig Jahre alt, als er zum Generalobern der Franziskaner gewählt wurde. Da hatte er keine guten Zeiten, denn einerseits wurde damals der Orden von mächtigen Gegnern bekämpft, wie das bei allem Guten, was geschieht, stets der Fall ist, andererseits gab es aber auch unter den Franziskanern selbst eine Spaltung. Die einen waren für ein strenges und die anderen für ein milderes Ordensleben. Bonaventura ließ jedoch die Kirche im Dorf stehen, das bedeutet, dass er weder den einen noch den anderen recht gab, sondern alle auf eine goldene Mitte führte. Die Zukunft hat dann bewiesen, dass es der richtige Weg war.
Nachdem Bonaventura sechzehn Jahre als General den Franziskanerorden mit Geschick geleitet hatte, kam eine feierliche Gesandtschaft vom Heiligen Vater zu ihm. Sie teilte ihm mit, dass er zum Kardinal erhoben sei. Sie überbrachte ihm außerdem als Zeichen der hohen Würde den Kardinalshut. Es war kurz nach dem Mittagessen, als die Boten des Papstes im Kloster eintrafen, und Bonaventura half gerade den Mitbrüdern beim Spülen. Deshalb sagte er zu den Gesandten, sie sollten den Hut einstweilen an einen Baum im Garten hängen. So wenig wichtig war ihm äußere Ehre, und so tief war er in der Demut verwurzelt. Da muss man schon sagen, dass er wirklich ein Heiliger war, denn die Heiligen erkennt man am ehesten an der Demut.
Nur ein Jahr lang war Bonaventura Kardinal, aber in dieser kurzen Zeit hat er der Kirche unschätzbare Dienste geleistet. Als er im Sterben lag, hat ihm der Heilige Vater in eigener Person die Sterbesakramente gereicht. Das war eine Ehre, deren sich Bonaventura allerdings auch würdig erwiesen hatte. Der heilige Bonaventura starb am 15. Juli 1274.
Die Andacht des heiligen Bonaventura (aus: Marianischer Festkalender, 1866):
Dieser eifrige Verehrer Mariens, der im Jahr 1221 in Toskana geboren, in der Taufe den Namen Johannes erhielt, wurde, als er todkrank war, von seiner Mutter dem Orden des heiligen Franziskus gewidmet, falls er gesund würde. Der heilige Franz von Assisi heilte ihn durch sein frommes Gebet und rief hierbei überrascht: O buona Ventura!“ O glückliches Ereignis! Und dieser Name blieb dem Kind auch als es groß geworden war.
Da er zweiundzwanzig Jahre alt war, trat er in den Franziskaner-Orden, schloss mit dem heiligen Thomas von Aquin innige Freundschaft, bildete sich zum Gottesgelehrten aus, lehrte zwei Jahre zu Paris und wurde später zum General seines Ordens gewählt.
Er empfand schon frühzeitig die lebhafteste Andacht zur Königin der Engel. Nie unternahm er etwas, ohne sie angerufen zu haben, und in allen seinen Zweifeln und Nöten nahm er zu ihr seine Zuflucht. Immer hatte er seine Augen nach jenem mystischen Stern gerichtet, und ermahnte jeden, sich durch ihn leiten zu lassen. Wenn er Marien eine wichtige Angelegenheit empfohlen hatte, glaubte er sicher, dass er sie zum guten Ende führen werde. Und wirklich ließ ihn seine mächtige Beschützerin nie ohne Hilfe und Unterstützung. Gleich nachdem er zum General seines Ordens gewählt worden war, stellte er die ganze Genossenschaft unter den Schutz der Mutter Gottes, und unterließ nichts, bei seinen Brüdern das Vertrauen auf diese gütige Jungfrau zu erhalten und zu vermehren. Er entwarf für sich selbst und für die übrigen einen geregelten Plan zu Übungen zu ihrer Ehre. Er verfasste den Spiegel und den Psalter der Jungfrau, um die Gnaden, Tugenden und Vorzüge aufzuzählen, womit Maria ausgerüstet worden war. Diese lieblichen Schriften voller Salbung und Frömmigkeit, zeigen allen Augen die Gefühle von Zärtlichkeit, Liebe und Dankbarkeit, wovon der heilige Lehrer zu der durchdrungen war, die er so gerne seine geliebte Mutter nannte. Er verfasste auch eine rührende Umschreibung des Salve Regina. Man kann sie nicht lesen, ohne dass Bedürfnis zu fühlen, sich mehr und mehr an Marien anzuschließen, die die Herzen so gut zu gewinnen weiß. In den Generalkapiteln, die er zu Pisa und zu Assisi abhielt, ließ er sich ganz besonders angelegen sein, seinen Brüdern von Neuem einzuschärfen, alle ihre Hoffnung auf die Mutter Gottes zu setzen, sie in allen Angelegenheiten zu Rat zu ziehen, und zum Volk oft von ihrer Größe und Güte zu reden. Er setzte ferner fest, dass jeden Morgen um sechs Uhr der Angelus gebetet werde, um das Geheimnis der Menschwerdung zu ehren, und dass von Mariä Geburt bis zur Erscheinung des Herrn die Hymnen mit der Doxologie beendet werden sollten: „Ehre dir, o Herr, der du aus der Jungfrau geboren wurdest! Ehre dem Vater und dem heiligen Geist in Ewigkeit!“
Die Vorrede zu dem Werkchen des heiligen Bonaventura, betitelt „Spiegel der heiligen Jungfrau“, würde allein schon hinreichen, seine ganze Hingabe an Maria, und seine heiße Sehnsucht zu beweisen, ihr zu gefallen und zu ihrer Verherrlichung beizutragen.
Es ist wohl wenigen bekannt, dass der heilige Bonaventura, der große Kirchenlehrer, nicht bloß als Theologe und Philosoph ausgezeichnet war, sondern auch als Bildhauer wertvolle Kunstwerke geschaffen hat. Als er auf Befehl des Papstes zum Konzil nach Lyon reisen musste, war er der Gesundheit halber genötigt, sich während der Reise einige Zeit zu Aix aufzuhalten. In diesen Tagen der Erholung fertigte der Heilige dort eine Statue der Mutter Gottes aus Stein von ausgezeichneter Schönheit. Sie wird noch heutigen Tages in jener Stadt als Gnadenbild geehrt, und als die Cholera auch durch Frankreich ihren Umzug hielt, blieb die Stadt Aix gänzlich verschont. Diese Gnade schrieb man der Fürbitte der allerheiligsten Jungfrau zu, die dort eifrig verehrt wird. Bonaventura wirkte auch beim Konzil von Lyon tätig mit und förderte nebenher allenthalben die Verehrung Mariens.
Bis zu seinem Tod blieb er eine treuer Diener der Gottesmutter und starb mit frommer Ergebung am 15. Juli 1274.
Bonaventura wird Kardinal