Gottselige Caritas Pirckheimer, Klarissen-Äbtissin, + 19.8.1532 – Gedenktag: 19. August

 

Unsere heilige Kirche gibt ihren Kindern, die nicht durch das blutige Martyrium, wohl aber durch einen gottgefälligen, gesetzestreuen Wandel, durch Wort und Tat, Zeugnis für die Wahrheit und Heiligkeit der Kirche abgelegt haben den Ehrentitel „Bekenner“. In der Allerheiligenlitanei ruft sie alle „Bekenner“, deren Namen „im Buch des Lebens“ aufgezeichnet sind, im Verzeichnis der Kirche aber nicht genannt werden können, in mütterlich weiter Liebe um ihre Fürbitte an. Nun will ja die liebe Caritas Pirckheimer durchaus nicht darauf Anspruch erheben, unter die kirchlich anerkannten Heiligen gezählt zu werden. Aber den Titel einer ausgezeichneten, mutigen und beharrlichen Bekennerin und Verteidigerin ihres teuren katholischen Glaubens hat sie sich in wahrhaft heldenmütiger Weise erworben und seit 1962 ist man auch mit ihrer Seligsprechung befasst. In einer der traurigsten Perioden der Kirchengeschichte Deutschlands steht diese edle, hochgebildete und tieffromme Frau als hellleuchtender Stern katholischer Glaubenstreue da, gerühmt durch alle Zeiten ob des unvergleichlichen Starkmutes, der Geduld und der Gelehrsamkeit, womit sie sich und ihr Kloster gegen alle gewaltsamen Versuche, es vom Glauben abspenstig zu machen, wehrte. Die Lebensgeschichte dieser treukatholischen, exemplarischen Ordensfrau, inmitten des traurigsten Abfalles, lehrt auch überzeugend, wie einerseits trotz aller Sittenverderbnis, die damals in die Kirche eingedrungen war, lebendiger Glaube, christlich frommes Leben und echte Ordenszucht auch damals noch in Klöstern ihre Heimstätte hatten, wie andererseits weltliches Machtgebot mit Unduldsamkeit und Gewalt, aus ganz unedlen Beweggründen, das alte Kirchenwesen abgeschafft und das neue Evangelium eingeführt hat. Welch schmählicher Missbrauch mit dem „göttlichen Wort“ und mit der „evangelischen Freiheit“ getrieben wurde, wie alle Gewissensfreiheit zerstört, alle althergebrachten Grundsätze des Rechtes, der Ehre und Scham beiseitegesetzt wurden, das ist aus keiner der Nachwelt erhaltenen Quellenschrift jener Zeit so deutlich zu erkennen, in keiner so ergreifend dargestellt worden, als in den Denkwürdigkeiten, Tagebüchern und Briefen der Caritas Pirckheimer, der Äbtissin von St. Klara in Nürnberg.

 

Die Pirckheimer waren ein altes, angesehenes Patriziergeschlecht der freien Reichsstadt Nürnberg, der Fürstin der oberdeutschen Städte, in der zur katholischen Zeit religiöses Leben, Kunst und Wissenschaft zu hoher Blüte gelangt waren. Johann Pirckheimer, der Vater unserer Caritas, hatte sich auf der Universität zu Padua in Oberitalien den juristischen Doktorhut erworben. Er wirkte als Rat des Bischofs von Eichstätt, dann des Herzogs Albrecht von Bayern und des Erzherzogs Sigmund von Österreich, versah auch Gesandtschaftsposten an verschiedenen Höfen. Später zog er sich in seine Vaterstadt Nürnberg zurück. Hier bildete er und später sein weithin bekannter Sohn Willibald einen Brennpunkt für wissenschaftliches und künstlerisches Streben. Dem neubeginnenden Humanismus, der Vorliebe für griechisch-römische Bildung, lebhaft zugetan, haben die Pirckheimer den alten christlichen Glauben und seine Grundsätze in schönstem Einklang mit dem Neuen zu wahren verstanden. In diesem Kreis wuchs Caritas auf.

 

Gleich Willibald zu Eichstätt 1467 geboren, kam Caritas im Alter von zwölf Jahren zur Ausbildung in das Klarissenkloster zu Nürnberg. Hier nahmen nach einem alten Herkommen nur Nürnberger Bürgerstöchter, zum Teil aus den vornehmsten Familien, den Schleier, um nach der Regel des heiligen Franziskus ein strenges Ordensleben zu führen. Auch Caritas wählte diesen Stand, um sich in Übung seiner Vorschriften und Heilsmittel leichter zu heiligen. Sie hat es ernst genommen mit der Heiligung. Ihre Frömmigkeit war rein und ungeheuchelt. Wie der Nürnberger Rechtsgelehrte Christoph Scheurl bezeugt, bewunderten „alle durch Geist und Macht Hervorragende ihre Geschicklichkeit, Gelehrsamkeit und erhabene Sittenreinheit“. Der bekannte Humanist und Dichter Konrad Celtes, obgleich zügellosen, neuheidnisch-humanistischen Geistes, feiert Caritas als „seltene Zier in deutschen Gauen“, als „Jungfrau, ähnlich den Römertöchtern, wie einstmals auch Spanien sie und Frankreich barg in den Klöstern“. Die freimütige Antwort auf das Lobgedicht des über Deutschland hinaus berühmten Mannes zeigt uns treffend die „demütige“ Ordensfrau, die über alle irdische Weisheit und Ehre die Sorge für das Heil der Seele und eine gläubig-fromme Gesinnung obenan stellt. Sie schrieb ihm: „Als eine Liebhaberin Eures Seelenheils . . . möchte ich Euch von ganzem Herzen gar fleißig bitten, die weltliche Weisheit zwar nicht aufzugeben, wohl aber sie höher auszuprägen, d.h. von den Schriften der Heiden zu den heiligen Büchern, von dem Irdischen zum Himmlischen, von dem Geschöpf zum Schöpfer Euch zu erheben. Wiewohl keine Wissenschaft, noch irgendeine Kenntnis der Erfahrung, die von Gott geordnet, zu verwerfen ist, so ist doch die mystische Theologie (Wissenschaft der Gottgeeintheit) und ein gutes tugendhaftes Leben allzeit höher zu achten. Denn die menschliche Vernunft ist schwach und kann sich täuschen. Der wahre Glaube aber und ein gutes Gewissen kann niemals getäuscht werden.“ Auf die Heilige Schrift übergehend, fährt Caritas fort: „Da finden wir die kostbarsten Perlen, denn auf jenem Acker des Herrn zieht die Gotteswissenschaft aus der Schale den Kern, aus dem Buchstaben den Geist, aus dem Felsen das Öl, aus den Dornen die Blume. Zu dieser ernsten Betrachtung des göttlichen Gesetzes und der Heiligen Schrift lade ich Eure Würdigkeit mit vertrauensvoller Herzlichkeit ein als meinen sonderlich teuren Freund und Meister, den ich gerne groß geachtet wünschte vor den Augen des Herrn und bitte Euch, solches nicht auf den morgigen Tag zu verschieben. Jetzt, o Teuerster, arbeitet, so viel Ihr arbeiten könnt, denn morgen ist ein ungewisser Tag und Ihr wisst nicht, ob Ihr ein Morgen habt . . . In dieser freundschaftlichen Gesinnung möchte ich Euch auch zureden, dass Ihr doch ablassen möchtet von der Verherrlichung der unziemlichen Sagen von Jupiter, Venus, Diana und anderen heidnischen Geschöpfen. O, macht doch die Heiligen Gottes Euch zu Freunden, indem Ihr sie verehrt und ihre Handlungen nachahmt, damit, wenn Ihr das Irdische verlassen müsst, sie Euch in die ewigen Wohnungen nehmen. Möge es geschehen, möge es geschehen!“ . . . Zartfühlig und bescheiden bittet schließlich die Schreiberin um Nachsicht, wenn sie etwa „die Ehrfurcht (gegen den Dichter) einigermaßen verletzt“ hätte. Die Schuld müsste auf den zurückfallen, der (Celtes selbst) ihr, „dem unerfahrenen und unkundigen Mädchen, bei der Strafe des Ungehorsams geboten“ hätte, zu schreiben.

 

Welche Klugheit, welch apostolischer Geist, welch lodernder Eifer und ausbrechende Sorge um das Heil der unsterblichen Seele des ihr befreundeten Mannes haben da die Feder geführt! So kann nur jemand schreiben, der selbst gläubig-fromm, von Gott zutiefst ergriffen ist, dass er auch andere von dem Glück, das Glaube und Unschuld über die Seele gießen, beseligt sehen möchte. Schon dass die Pirckheimerin zumal in jener Zeit rauschvoller Begeisterung für die schönen Künste, nicht der Eitelkeit über die Ehre erlag, von dem ersten „gekrönten Dichter“ Deutschland besungen zu werden, verrät die große Frau, die vollkommene Ordensfrau.

 

Ob ihrer hervorragenden Geistesbildung wurde Caritas frühzeitig zur Lehrerin aufgestellt. Noch mehr mag das vorbildliche Ordens- und Tugendleben die Frauen von St. Klara veranlasst haben, bei der Äbtissinwahl am 20. Dezember 1503 der edlen Caritas einmütig ihr Vertrauen zu bekunden. Mit innigster Liebe hingen ihr die Schwestern an. Schönste Ordenszucht und eifriges Tugendstreben herrschten unter ihrer weisen und gütigen Führung im Kloster. Gebet und Betrachtung, Studium und Jugendunterricht, Teppichwirkerei und andere Arbeiten beschäftigten die Nonnen. In der Geschicklichkeit der Hände, wie des Geistes scheinen die Nürnberger Klarissinnen den besten Ruf besessen zu haben. Als 1520 Kaiser Karl V. gekrönt werden sollte, musste der alte Krönungsornat vorher einer Ausbesserung unterzogen werden. Der ehrenvolle Auftrag hierzu wurde den Nonnen von St. Klara zuteil. Die Heilige Schrift, das Neue wie das Alte Testament, wurde deutsch und lateinisch sowohl von den einzelnen Frauen, als auch gemeinschaftlich von ihnen gelesen. Auch in den sonstigen Schriften, die das frische Geistesleben brachte, sahen sie sich fleißig um. Die weltliche Literatur war der hochstrebenden Äbtissin wohl bekannt. Sie stand mit den hervorragendsten Männern und Frauen ihrer Zeit in lateinischem und deutschem Briefwechsel, war daher mit den religiösen und geistigen Strömungen ihrer Zeit völlig vertraut. Wie sie als Lieblingsschriftsteller den heiligen Hieronymus las, so studierte Caritas im Verein mit ihrer gleichgearteten Schwester Klara Pirckheimer, einer „kindlich heiteren und gemütvollen Klosterfrau“, auch die Schriften der Neuerer, die mit ihren Angriffen auf das Glaubensleben und die sittliche Ordnung in der Kirche das altererbte christliche Heilsgut des Volkes zu zerstören drohten.

 

Die Zeit der religiösen Einheit Deutschlands war vorbei. Ein neues Evangelium riss die eine Hälfte unseres Vaterlandes vom alten katholischen Glauben los. Überall Zank und Streit! Gewaltsame Reformiererei in Kirchensachen! Mit der klösterlichen Ruhe und dem friedlichen Leben in St. Klara zu Nürnberg, wie in anderen Klöstern war es nun auch vorbei! Kampf und Untergang brach herein. Bei Luthers erstem Auftreten war es der Äbtissin Caritas unbegreiflich, dass nicht alle Gelehrten sich einmütig zur Verteidigung der Kirche erhoben. Des Hieronymus Emser Schriften gegen Luther ließ sie im Konvent vorlesen und richtete (1522) hocherfreut ein Dankschreiben an Emser mit der Aufforderung so fortzufahren. Es gebe im geistlichen und weltlichen Stand viele Katholiken, die des Trostes und der Stärkung bedürften. Andererseits fresse das Übel täglich um sich, und es habe auch in Nürnberg „allermeist der Regenten halber“ seine Verheerungen angerichtet. Ja, auch in der alten fränkischen Reichsstadt hatte es der Magistrat rasch erkannt, dass die neue Lehre ihm mit dem geistlichen Regiment auch die Aussicht auf das viele Kirchengut in die Hand gäbe. Im Jahr 1524 begannen die Eingriffe des Stadtrates gegen alle Klöster. Von den Kanzeln wurde der Ordensstand als „verdammlicher Stand“ geschmäht; es hieß, die Nonnen „wären alle des Teufels“. Die erste Maßregel gegen die Klarissen, die der Gegenpartei schon ob ihrer offenen Zustimmungserklärung zu der Emserschen Verteidigung des alten Glaubens verhasst waren, bestand in dem Antrag des Rates, 1524, dass ihnen die geistliche Leitung durch die Franziskaner (Barfüßer), die mit Entschiedenheit für die altkirchliche Lehre eintraten, entzogen würde. In einer herrlichen Bittschrift an den Rat zeigt sich die Äbtissin als geschickten, mutigen Anwalt ihres Konventes und der Rechtgläubigkeit. Eindringlichst stellt sie dem Rat vor, wie sehr sie sich stets gegenüber der Obrigkeit „in allen ziemlichen und leidlichen Dingen“ vorwurfsfrei verhalten und wie man ihrer ganzen Lebensweise keinen Tadel beimessen könne. Man möchte sie darum in der Freiheit ihrer religiösen Überzeugung und in der Freiheit ihrer klösterlichen Ordnung nicht vergewaltigen. Es sei ein eingewurzelter Argwohn, dass ihnen ihre Väter (die Franziskaner) das heilige Evangelium und andere Bücher zu lesen verbieten würden. Die Frauen hätten „das Alte und Neue Testament deutsch und lateinisch in täglichen Gebrauch und Übung“. Nur die neuen „Schmachbüchlein, die ihr Gewissen beschwerten und ihres Erachtens nit allweg der christlichen Einfältigkeit gemäß“ wären, würden sie nicht lesen. „Hoffen ja,“ so schrieb sie bescheiden, „Gott werde uns seinen heiligen und wahren Geist mit unserer herzlichen Bitt nit versagen noch verhalten, damit wir das Werk Gottes recht und nach seinem wahren Verstand mögen vernehmen, nit allein dem Buchstaben nach, sondern dem Geist nach.“

 

Wie schön verteidigt sich Caritas gegen den bekannten Vorwurf der „Werkheiligkeit“. „Wiewohl uns von etlichen will beigelegt werden, als verlassen wir uns auf unsere eigenen Werke, hoffen allein durch sie selig zu werden, so ist uns doch von der Gnade Gottes unverborgen, es sage jedermann was er wolle, dass durch die Werk allein kein Mensch, wie der heilige Paulus sagt, gerechtfertigt werden kann, sondern durch den Glauben unseres Herrn Jesu Christi. Zudem, dass uns der Herr Jesus Christus selbst lehrt: wenn wir die Werk alle getan haben, dass wir uns dennoch unnütze Diener achten sollen. Wir wissen aber hinwiederum auch, dass ein rechter wahrer Glaube nit ohne gutes Werk kann sein als so wenig als ein guter Baum ohne gute Frücht; dass auch Gott einem jeglichen Menschen nach seinem Verdienst lohnen wird, und so wir vor dem Gerichte Christi erscheinen werden, dass männiglich nach seinen Werken, sie sind gut oder bös, empfahen wird.“ „Wir wissen auch, dass wir uns allein die eigene Werk nit sollen zumessen, geschieht aber etwas durch uns, dass solches nit unser, sondern Gottes Werk ist. Darum es uns ohne Grund beigelegt wird, dass wir uns unser Werk rühmen, sondern unser Ruhm ist allein in dem gekreuzigten und geschmähten Christo, der uns heißt sein Kreuz auf uns zu nehmen und ihm nachfolgen. Deswegen erkennen wir uns schuldig, werden auch das geheißen, den alten Adam unterzudrücken, den Leib dem Geist durch Kasteiung unterwürfig zu machen, dass wir gleich im Kloster mehr Statt und Ursach haben, dann auswendig (= denn außerhalb). Sämtlich hätten sie sich denn entschlossen, nicht aus dem Kloster zu treten, sondern zu bleiben in der Berufung, zu der Gott sie erfordert habe; nicht um guten Lebens willen seien sie im Kloster, denn Gott und die Welt wisse, dass sie „arme elende Leute“ seinen; der Rat selbst wisse aus ihrer jährlichen Rechnung, dass Not und Armut bei ihnen vorhanden und sie kaum zu leben hätten. Sie seien auch keine Verächterinnen des ehelichen Standes, aber für sich wollten sie Gott in der Jungfrauschaft dienen, und das könne ihnen doch „wahrlich von niemanden Verständigen verwiesen werden“.“

 

Der Erfolg der Bittschrift äußerte sich lediglich in einem kurzen Aufschub der Beichtväterangelegenheit. Am Josephstag 1525 erzwang sich eine Ratsdeputation Einlass in die Klausur und ließ den Ordensfrauen nur die Wahl unter mehreren neugläubigen Beichtvätern. Caritas lehnte entschieden ab, zwang dagegen die Ratsherren durch die Frage, welches Ärgernis ihrerseits den Rat zu einem solchen Vorgehen veranlasse, zu dem Eingeständnis: „Von Missbrauch oder Ärgernis habe der Rat kein Wissen, vielmehr von Zucht, Ehrbarkeit und gutem Leumund.“ Seitdem wurde im Kloster kein Sakrament mehr gespendet. Eine siebzigjährige Schwester musste ohne die heilige Wegzehrung hinscheiden. In einer weiteren Eingabe an den Rat meinten die Frauen mit feiner Ironie: „Es sei doch ein kläglich erbärmlich Ding, dass man ihnen in einer Zeit, in der evangelischen Freiheit gepredigt werde, das Gewissen gefangen nehmen wolle.“ Alles umsonst! Man ließ wöchentlich vier Predigten in der Klosterkirche halten, und die armen Nonnen mussten die rohesten, unflätigsten Beschimpfungen ihres Standes und Konventes über sich ergehen lassen. Überdies hetzte man das Volk gegen das Kloster derart auf, dass bereits Steine gegen den Chor und die Kirchenfenster geschleudert wurden und die Frauen jeden Augenblick die Erstürmung und Zerstörung des Hauses erwarten mussten. Sie harrten aber standhaft aus unter steten Ängsten und Sorgen.

 

Diese mehrten sich noch. Ein Ratsbeschluss war ergangen, wonach die Eltern befugt sein sollten, ihre Töchter aus dem Kloster zu holen, „es möge diesen lieb sein oder leid“. Von diesem Recht wollten drei Frauen, die Mütter der Schwestern Margareta Tetzel, Katharina Ebner und Klara Nützel, Gebrauch machen und verlangten ihre Töchter. Die erste hatte schon vor neun Jahren, die anderen zwei, Töchter von Ratsherren, vor sechs Jahren Profess gemacht. „O, da hub sich Not und Angst und Herzeleid um die armen Kinder,“ schreibt die Äbtissin, „man kann nit glauben, was sie von derselben Stund für eine elende Zeit haben gehabt, wiewohl sie dennoch immer hofften, sie wollten sich erretten.“ Aber am 14. Juni erschienen die drei Frauen mit ihren Verwandten. Eine große Volksmenge hatte sich versammelt. Die armen Opfer, die man suchte, wollten aber keinesfalls freiwillig ihr liebes Klösterlein verlassen. Sie weinten und jammerten, dass es einen Stein hätte erbarmen mögen; sie umklammerten ihre geistliche Mutter, die Äbtissin, mit schluchzendem Flehen, sie möchte doch nicht zulassen, dass man sie aus dem Kloster reiße, gegen ihren eigenen Willen und gegen ihre Gelübde. Caritas führte sie in die Kapelle. Man verlangte, sie sollte ihnen befehlen, zu den Ihrigen zu gehen. Aber Caritas erwiderte: „Ich kann und will sie zu dem nicht nötigen, was ihnen von Seele und Herzen zuwider ist.“ Nun drangen die Frauen in die Kapelle, „wie grimmige Wölfinnen“. Weiteres Verhandeln, Lärm und Tumult! Die Mütter drohten, sie wollten die Widerspenstigen mit Gewalt herauszerren, ihnen Hände und Füße binden und sie wie Hunde hinaustragen lassen. Die „starken Ritterinnen Christi aber wehrten sich, soviel sie konnten, mit Weinen, Bitten und Flehen. Aber weniger Barmherzigkeit war da, als in der Höll.“ Sie wollten „von sich von dem frommen, heiligen Konvent nicht scheiden, sie wollten ihre Seelen am jüngsten Tag vor dem strengen Richter von ihnen fordern“. Gar tapferlich und beständig redete die mutige Katharina Ebner und begründete alle ihre Worte mit der Heiligen Schrift und bewies ihnen, wie sehr sie wider das heilige Evangelium handelten. Die Herren draußen – es waren sogar Ratsherren mitanwesend – sagten danach, sie hätten ihr Lebtag keinen Menschen dergleichen reden hören, „aber kein vergeben Wort, sunder so wol bedächlich, dass ein jeglich Wort ein Pfund hätt getragen. Hätten sie den Streit vorausgesehen, sie wollten nicht um dreißig Gulden gekommen sein; niemand sollte sie mehr zu einem solchen Schimpf bringen.“ Der wahren Würdigen Mutter aber blutete das Herz. Auf Verlangen und der Gewalt weichend, sprach sie die armen Kinder wenigstens dessen frei und ledig, was sie ihr, der Äbtissin, schuldeten und empfahl sie dem Schutz des Allmächtigen. Da „schrien die drei Kinder als aus einem Mund: wir wollen nit ledig gezählt sein, sondern, was wir Gott gelobt haben, wollen wir mit seiner Hilfe halten. O, liebe Mutter, treibt uns nit also von Euch!“

 

So wurden die drei Martyrinnen des Ordenslebens mit roher Gewalt gefasst, gezogen, geschoben, zu Boden gestoßen, des Ordenskleides beraubt und in den Wagen gehoben. Der armen Schwester Margarete wurde schier ein Fuß abgetreten. Groß war der Jammer der Hinausgestoßenen. Laut beteuerten sie den Leuten, sie litten Gewalt und Unrecht. Schwester Katharina Ebner erhielt noch im Wagen von der eigenen Mutter einen Schlag ins Gesicht, dass das Blut aus dem Mund strömte. Die milde Klara Nützel aber rief laut vor allem Volk: „Du liebe Mutter Gottes, du weißt, dass es mein Wille nicht ist.“ Rohe Landsknechte, die mitliefen, meinten danach mitleidig: wenn sie nicht wegen eines Auflaufes in Sorge gewesen wären, so wollten sie mit dem Schwert dreinschlagen und den armen Kindern geholfen haben.

 

Diese Gewalttat hat über Nürnberg hinaus peinliches Aufsehen erregt. Beschämender noch, aber ebenso bezeichnend für jene Zeit ist die offenbare Geschichtsfälschung. Der offizielle Geschichtsschreiber Nürnbergs, Müllner, gibt nämlich über jene Vorgänge der Nachwelt keck die Kunde: „Es seien auch etlich Klosterfrauen in der Stadt des Klosterlebens überdrüssig worden, denn Hieronymus Ebners, Kaspar Nützels und Friedrich Tetzels Töchter haben die Ordenskleider abgelegt und sich aus dem Klarakloster wieder zu ihren Eltern begeben.“

 

Statt gewaltsamer Angriffe folgten nun Quälereien anderer Art, Ratskommissionen und Bekehrungsversuche. Bei einem solchen Einzelverhör erklärte Caritas: „Liebe Herren, Ihr seid sehr heftige Beichtväter. Die Ohrenbeicht hat man abgeschafft, welche vor einem Menschen abgelegt wird und verschwiegen bleibt, und nun verlangt ihr, dass wir vier Männern beichten und alle Mängel unseres Gewissens vor ihnen ausbreiten sollen, und sagt dabei noch, dass nichts werde verschwiegen bleiben . . . Ihr habt gesagt, es seien dem Rat solche Mängel und Gebrechen unter uns gewisslich vorgekommen. Diese wünschten wir zu wissen. Wir haben uns durch drei Jahre geduckt und geschmuckt wie die armen Würmlein; hätten wir uns unter einem Stein können verbergen, hätten wir es gern getan. Haben wir aber jemand beleidigt, so zeige man es uns an.“

 

So wussten die Festigkeit und Klugheit der Äbtissin die Angriffe auf ihr Kloster abzuwehren, so gut es ging. Wo ihr Gewissen es erlaubte, gab sie nach; wo die Pflicht es forderte, stand sie wie eine Mauer den Männern des neuen Evangeliums gegenüber. Unermüdlich wandte sie sich an einflussreiche Personen, um ihr gutes Recht darzulegen. Vor ihrem Scharfsinn und ihrer geschickten Beweisführung mussten die Abtrünnigen, die sie zu „bekehren“ versuchten, beschämt abziehen. Ein unerschütterliches Gottvertrauen, der feste Entschluss, lieber Unrecht zu leiden als Unrecht zu tun, spricht sich in den Briefen der unvergleichlichen Bekennerin aus. So blieben die braven Klarissen-Ordensfrauen unter der bewährten Führung ihrer gottseligen Mutter treukatholisch. Nur eine einzige von den sechzig ließ sich umgarnen und trat aus. Beharrlich und ergeben duldeten sie leibliche und geistliche Not. Das Kloster wurde mit einer unerschwinglichen Steuer belastet und zum Aussterben verurteilt. Fünf Jahre lang blieben die Nonnen der Sakramente beraubt, da es für einen katholischen Priester mit Lebensgefahr verbunden war, zu ihnen zu dringen. Manche wurden gemütskrank unter den dauernden Belästigungen und Plackereien. Im Juli 1529 starb Schwester Kreszentia Pirckheimer, eine Nichte der Äbtissin und Tochter Willibalds, ohne Sakramente, aber selig und beglückt. „Herr, seist ewig gelobt,“ hatte sie gejubelt, „dass ich bei dem Konvent soll sterben, du hast mein Gebet erhört!“ Die von menschlicher Hilfe verlassenen Schwestern wussten, wo in aller Not Trost und Stärke zu finden war. Hatte doch das heiligste Herz Jesu gerade im Nürnberger St.-Klara-Kloster eine bevorzugte Stätte der Verehrung gefunden, nicht zuletzt durch die Predigten des unermüdlichen gelehrten Franziskaners Stephan Fridolin (+ 1498). Rührend und vielsagend liest sich auch der Eingang der Pirckheimerschen Briefe aus jenen Tagen: Jesus Christus den Gekreuzigten zum Gruß (pro salute)!

 

Noch ein Sonnenblick unter all dem trüben Leid, wie er im Spätherbst wohl sich zeigt, war 1528/29 dem Klösterlein und seiner edlen Führerin beschieden, ein Doppeljubiläum, das fünfundzwanzigjährige Äbtissinjubiläum und das fünfzigjährige ihres Eintritts ins Haus. Willibalds andere Tochter Katharina berichtet in anmutiger Schilderung des Festes ihrem Vater, wie über Beschreiben groß die Freude gewesen, wie so einmütiglich und herzlich die Liebe, dass sie „die Mutter schier erdrückt hätten“, als „jegliche Schwester durch Umfang und Kuss“ sich aufs Neue mit ihr vereinte. Kindliche Heiterkeit lebte in diesen hartgeprüften, unschuldsvollen Seelen. Ach, wie bald kehrte wieder Betrübnis und Trauer ein! Am 20. Dezember 1530 verlor das Kloster seinen treuen Ratgeber, Beschützer und Helfer: Willibald Pirckheimer. Am 19. August 1532 folgte ihm auch Caritas. Sie wurde am Weihbrunnkessel bei der Kapellentür des Klosters begraben.

 

Bis das Jahrhundert zu Ende ging, war das St.-Klara-Kloster ausgestorben. Die Kirche blieb längere Zeit geschlossen. Dann diente sie dem protestantischen Gottesdienst, wurde nacheinander Warenmagazin, Markt- und Ausstellungslokal und endlich – Kaserne. Ein Bild des Kulturlebens in Deutschland! Doch leuchtete die Hoffnung besserer Zeit! Seit 1854 war die St.-Klara-Kirche wieder Friedensstätte und Wohnung des eucharistischen Heilandes. Das Pirckheimerhaus diente caritativen Zwecken. Es barg ein Lehrlingsheim, wo Schwestern fürsorglich walteten.

 

Wiedervereinigung unseres lieben deutschen Volkes in einem Glauben und einer Liebe sei ständige Gebets- und Kommunionmeinung für alle eifrigen Gläubigen. Unsere frommen Ordensfrauen mögen nach dem Beispiel der heiligen Theresia ihre Gebete, Bußwerke und Kommunionen in gedachter Meinung aufopfern.