Man muss damit rechnen, dass man in unseren Gotteshäusern neben den Bildern und Statuen der älteren Heiligen mit bunten Kleidern und langen Bärten eines Tages auch Darstellungen von neueren Heiligen finden wird, die gerade so gekleidet sind wie die Leute von heute, denn weil die katholische Kirche heilig ist, sterben in ihr auch die Heiligen nie aus. Jede Zeit hat ihre Heiligen, auch unsere Zeit, nur dauert es wegen der sorgfältigen Prüfungen, die einer Heiligsprechung vorausgehen, oft recht lange, bis der Papst einem Menschen die Ehre der Altäre zuerkennt.
So soll sich heute uns einer von den neueren Heiligen vorstellen, der am 4. April 1859 geboren wurde und dessen Gedächtnis nicht nur in Italien am 17. Oktober, seinem Sterbetag, begangen wird. Es ist der Italiener Contardo Ferrini, der am 13. April 1947 von Papst Pius XII. seliggesprochen wurde, ein Hochschullehrer, der erste Heilige in Gehrock und Lackschuhen.
Contardo Ferrini, der Sohn eines Gelehrten, war ein kluger Junge, der spielend lernte und dabei äußerst fleißig war. So kam es, dass er mit der Zeit außer dem Italienischen, seiner Muttersprache, fließend lateinisch, griechisch, deutsch, französisch, englisch und spanisch sprach und dass er auch das Holländische, Hebräische und Syrische verstand.
Groß war also Ferrinis, Sprachgewandtheit, aber die lag bei ihm nur so nebenbei am Rand, sein eigentliches Können offenbarte sich auf dem Gebiet der Rechtsforschung. Da war er, der nach glänzenden Studien, unter anderem auch an der Berliner Hochschule, selbst Hochschullehrer zu Pavia geworden war, ein weltberühmter, anerkannter Meister.
Ferrini war jedoch nicht nur ein Gelehrter, sondern auch ein Heiliger, und wie sich der erwachsene Mensch aus dem Kind entwickelt, so meldet sich ebenso spätere Heiligkeit oft schon in den Jugendjahren an. Der kleine Ferrini war mit Liebe und Lust Messdiener. Wer überhaupt ein rechter Messdiener ist, wie Ferrini einer war, hat bereits einige Sprossen auf der Himmelsleiter hinter sich.
Der Student Contardo Ferrini liebte es, in den Pausen zwischen den Unterrichtsstunden für einen Augenblick in eine nahe Kirche zu springen, um sich vom Heiland und der Mutter Gottes, die er fromm verehrte, Licht und Kraft und Erfolg im Lernen zu erflehen. Nebenbei lernte der junge Ferrini die Heilige Schrift seitenlang auswendig, dass es eine Pracht war, ihn das Gelernte vortragen zu hören.
Wie der Junge, so der Mann. Der Hochschullehrer Ferrini betete viel, ging täglich zur heiligen Messe und zur heiligen Kommunion. Er tat als Vinzenzbruder den Armen viel Gutes und war dabei ganz ein Mensch unserer Zeit. Offen stand er dem Leben gegenüber. Weltmännisch gab er sich auch im Auftreten. Heiter und liebenswürdig war er im Verkehr, ein Mann mit vornehmen Umgangsformen, stets nach dem neuesten Schnitt tadellos gekleidet. Er benutzte wie wir Eisenbahn und Straßenbahn, war nicht minder auch ein begeisterter Bergsteiger, und bei all dem war er ein Heiliger, der erste Heilige in Gehrock und Lackschuhen.