(Symbolbild Dominikanerin)
Die Zeit des 18. Jahrhunderts war eine der echten Religiosität feindlich gesinnte. Der Unglaube und die rücksichtsloseste Kritik gegen das Heiligste kämpften gegen treuen Gottesglauben und lebendige Frömmigkeit an und bereiteten die Zeit der sogenannten Aufklärung und der Revolution vor. In der Kirche selbst, der Hüterin von Wahrheit und Frömmigkeit, entstand als Gegensatz der Jansenismus, der eine so bedenkliche Strenge betonte, dass tiefe Religiosität und Frömmigkeit darin nicht gedeihen konnten. Damals ließ der liebe Gott in Deutschland einige schwache Frauen erstehen, die er mit herrlichen Gnadengaben ausrüstete, in denen zur Beschämung des Unglaubens das Eingreifen der Übernatur und das Walten eines persönlichen und unendlich gütigen Gottes deutlich sichtbar über die denkenden Geister leuchtete. Es gilt auch hier, was der gelehrte und fromme Dominikaner Pater Albert Weiß ausgesprochen hat: „Man muss jene Heiligen, deren Leben mit dem Geist der Welt überhaupt oder ihrer Zeit insbesondere in einem ausgeprägten Widerspruch steht, als auserlesene Hilfsmittel auffassen, die der gütige Arzt der Völker für die Menschheit bereitet hat.“ Die heilige Kreszentia von Kaufbeuren, die selige Katharina Emmerich sind allein durch ihr frommes, glaubensinniges, gottergebenes Leben solche heilbringende, wegweisende Sterne ihrer Zeit gewesen. Noch eine Reihe anderer tieffrommer und hochbegnadeter Seelen – sie gibt es zu jeder Zeit, auch in der unsrigen – lässt uns gerade damals ein neues, zartes Aufblühen eines vollkommenen Minnelebens in Gott schauen, ein freudiges Streben, alle Gebote aus reiner Liebe zu erfüllen, ein volles Einswerden mit Jesus, ein glühendes erlangen, aus Liebe mit ihm und für ihn zu leiden, ihm zu helfen in der Errettung der Seelen. Gerade der Gedanke des stellvertretenden Leidens und Büßens begegnet uns an jenen gottinnigen Personen in vollster Klarheit.
Gedenken wir hier nur einer in dieser Art von Gott auserwählten Seele, der Dominikanerordensfrau Cäcilia Mayrin, die sich in dem jetzt so bekannten Wörishofen im Läuterungsbad übernatürlicher Gnadenwasser Heil und unvergessliches Leben erworben hat. Ihre Heimat ist Röstingen unweit Burgau in Schwaben. Der Vater, ein schlichter, ehrenwerter Bürgersmann, hieß Dionys Mayr, die Mutter Maria Ursula Gescheiderin. Das Kind, das ihnen am 17. September 1717 geboren wurde, entwickelte ein heiteres, mitunter recht lebhaftes Temperament. Ihre Liebe zu Übungen der Frömmigkeit, eine besondere Verehrung des heiligen Kreuzes zu Markt-Biberbach, die sorgsame, entschiedene Hut ihrer Herzensreinheit führten Maria Anna in das Kloster der Dominikanerinnen nach Wörishofen. Große Selbstbeherrschung zeichnete sie aus. Nach der Profess, 1736, suchte Gott die junge Ordensfrau alsbald mit schmerzvollen, langwierigen Krankheiten heim. Gliederschmerzen, Lähmungen und dergleichen traten plötzlich auf und vergingen dann wieder mitunter ebenso unerwartet. Diese körperlichen Leiden schien die fromme Ordensfrau, die es schon mit Übung der Armut und des vollkommenen Gehorsams streng nahm, nicht hart zu empfinden. Großen Kummer und fühlbare Entbehrung brachte ihr nur der Umstand, dass sie dadurch längere Zeit vom heiligsten Sakrament geschieden war.
Die heilige Eucharistie, der liebe Heiland im hohen Geheimnis seiner Liebe, war ja der Zentralpunkt im Leben der gottseligen M. Cäcilia Mayr. Schon von Anfang ihrer Ordenszeit an zog es sie mit innigem Verlangen zum Tabernakel hin, vor dem sie Tag und Nacht zu weilen verlangte. Beim Empfang der heiligen Kommunion war es ihr unmöglich, die innere Herzensglut zu verbergen. Ihr Antlitz glühte dabei wie eine Rose. Oft, wenn die Allgewalt der Liebe zu übermächtig zu werden drohte, ging sie aus dem Chor. Aber oft auch wurde sie vom Übermaß der Gefühle überwältigt und sank dann ohnmächtig zu Boden. Um ihr inneres Gnadenleben anderen zu verbergen, nannte Schwester M. Cäcilia solche Zustände selber nur Ohnmachten. In Wirklichkeit aber ruhte dabei ihr Geist in lebensvoller Versenkung in Gott. In verzehrendem Verlangen seufzte sie täglich, wenn sie den Heiland auf dem Altar in den Händen des zelebrierenden Priesters sah, nach der heiligen Kommunion. Doch war deren täglicher Empfang damals auch bei den Ordensfrauen nicht üblich. Wie nun Cäcilia einst im Chor kniete, gequält von unaussprechlicher Sehnsucht und doch durch das Menschengebot von dem Gegenstand ihrer Liebe getrennt, da sah sie vor sich am Boden eine Hostie liegen. Ihre heilige Begierde fragte nicht, wie si da hingekommen war. Das hätte ihr auch kein Sterblicher sagen können. Die Liebe riss sie hin und hieß sie die Hostie von den kalten Steinen aufküssen. Noch nie hatte Schwester Cäcilia eine solch beseligende Gnadenfülle empfunden wie damals.
Vor dem Allerheiligsten war es auch, wo sie einmal von einer Lähmung gesund aufstand. Und doch betete sie eher um Zuteilung als um Befreiung von Leiden. Als einst ein Franziskanerpater aus Mitleid mit der leidenden Nonne um Erleichterung für sie bitten wollte, schrieb sie ihm: „Ich kann keiner Schmerzen entraten, davon kann ich nichts abgeben. Ich bin selbst das eine oder andere Mal bald mit Gott deshalb in Händel geraten, weil er mir nicht mehr schickt . . . Bitten Sie ferner für mich um Leiden.“ Daran ließ es nun der Herr auch nicht fehlen. Seine Gunstbezeigungen sind anderer Art als die der Menschen. Eine Gunst und eine Anerkennung für die überaus innige eucharistische Liebe der Ordensfrau war es gewiss, dass sie in den letzten Jahren ihres Lebens jeden Donnerstag abends die Ereignisse der Passion Christi durchleben und miterleiden durfte.
Den äußeren Dingen entrückt, sah ihr Geistesauge Jesus das letzte Abendmahl und die Einsetzung des heiligsten Sakramentes feiern; sie sah ihn in den Ölgarten gehen und sich zum Sühnopfer für die Menschheit anbieten. So stark wurde Cäcilia von diesen Visionen ergriffen, dass sie in ihrer Zelle umherging und sich so benahm, wie wenn dort vor ihren Augen alle Szenen sich abgespielt hätten. Dabei durfte sie dem Heiland sowohl die grenzenlose Liebe bei Einsetzung des heiligsten Sakramentes nachempfinden als auch die unbeschreiblichen Qualen, die er im Ölgarten und dann in seinem Leiden bis zum Tod erduldete. Für gewöhnlich konnte Cäcilia nicht die ganze Leidensgeschichte durchleben, weil das Gebot der Oberin sie aus ihrer Entrückung zurückrief und zu ruhen befahl. Eine noch vorhandene Handschrift einer Mitschwester der Gottseligen, Ludowica von Freiburg, gibt eine genaue Beschreibung der Ereignisse, die sich an neunzehn aufeinanderfolgenden Donnerstagen zutrugen. Daraus spricht nur reinste Wahrheitsliebe einer Ordensfrau, die im Gehorsam aufzeichnet, was sie sah und hörte. Erregte Phantasie und Nervenschwäche bringen das nicht zustande.
Ja, Gott selbst war es, der seiner treuen Dienerin in diesen Gesichten die tiefsten Einblicke in das Geheimnis seiner Liebe und seines Leidens gewährte. Dadurch wuchs ihr Verlangen und ihre innige Liebesvereinigung mit dem in der heiligen Eucharistie lebendig gegenwärtigen Heiland noch immer mehr an. In den letzten Lebensjahren gestand sie ihrem Seelenführer: „O, was wirkt in mir die lebhafte Gegenwart meines im heiligsten Sakrament verborgenen Jesus! Dieses Liebesgeheimnis ist meinem Herzen so lebendig eingedrückt, dass es mir niemals aus meinem Gemüt entfällt oder meinen Augen entweicht. Immer und unaufhörlich, wo ich gehe und stehe, wo ich rede und handle mit den Menschen, schwebt es mir vor meinen Augen. Es wallt auf und verändert sich gleichsam die ganze Natur, hingerissen vor Liebe gegen die einzige, göttliche Liebe, gegen Jesus im allerheiligsten Sakrament.“
Erst zweiunddreißig Jahre zählte M. Cäcilia Mayrin, als sie, von der Sonne der göttlichen Liebe gereift, am 27. November 1749 ihrer Sehnsucht nimmerendende Erfüllung fand.
Was verdanken wir doch dem heiligmäßigen Papst Pius X., dass er allen den Zugang zum Mahl der Liebe aufgetan und erleichtert hat. Die gottselige Wörishofener Dominikanerin ist uns ein Beispiel, wie das Verlangen nach der täglichen Kommunion eben nur die folgerichtige Forderung eines lebendig gläubigen, tief liebenden Herzens ist. Derselbe fromme, innige Zug zur heiligen Eucharistie, der den Besuchungen des heiligen Altarsakramentes vom großen Beter und Geistesmann Alphons von Liguori eigen ist, bricht auch in den noch erhaltenen wunderlieben Gebeten Cäcilias durch. So lauten einige ihrer Anmutungen: „O Liebe Jesu, entzünde mein Herz! O Zuwendung des Vaters in diesem heiligen Sakrament, beseele mich! O Ruheplatz meiner Anmutungen, heiliges Sakrament, in dir ruhe ich! Göttliches Liebesfeuer, süßester Jesus! Ich unterwerfe mich dir mit solcher Demut und so vollständiger Vernichtung meiner Selbst, als es immer möglich ist. Ja, ich versenke mich unter den Staub der Erde, den alle Menschen mit Füßen treten, und bekenne, dass dir allein alles Lob gebührt. O Jesus! Ach, hätte ich jetzt, da ich vor dir stehe, alle Herzen der Menschen in meiner Gewalt, mit allen diesen wollte ich dich lieben.“