Der heilige Gregor, jener berühmte Papst erzählt selbst in seinen Schriften das Leben des heiligen Eleutherius in folgenden Worten:
„Eleutherius, der Vater des Klosters vom heiligen Evangelisten Markus, welches vor den Mauern von Spoleto liegt, hat lange in dieser Stadt in einem Kloster mit mir Umgang gehabt und ist daselbst gestorben. Seine Schüler erzählen von ihm, dass er durch sein Gebet einen Toten erweckt habe. Er war aber ein Mann von solcher Einfachheit und Zerknirschung, dass nicht zu zweifeln ist, dass die Tränen, die aus einem so demütigen und einfachen Herzen kamen, bei dem allmächtigen Gott vieles erlangen konnten. Ich will nun ein Wunder von ihm erzählen, welches er mir auf meine Fragen einfach selbst erzählt hat:
Als er eines Tages auf der Reise war und am Abend sonst keinen Ort zur Unterkunft fand, kehrte er in einem Kloster von Jungfrauen ein; in diesem war ein kleiner Junge, den der böse Geist jede Nacht zu plagen pflegte. Da aber die gottgeweihten Frauen den Mann Gottes aufnahmen, fragten sie ihn und sprachen: darf jener Junge heute Nacht bei dir bleiben? Eleutherius nahm ihn gütig auf und erlaubte, dass er die Nacht hindurch bei ihm liege. Als es Morgen geworden war, fragten die Klosterfrauen den genannten Vater sorgfältig aus, ob ihm der Junge, den sie ihm beigegeben hatten, in der Nacht etwas getan habe. Verwundert, warum sie ihn so fragten, antwortete er: „Nichts.“ Nun teilten jene den Umstand des Jungen mit und erzählten, dass der böse Geist keine Nacht von ihm weiche und baten inständig, Eleutherius möge ihn mit sich in sein Kloster nehmen, weil sie bereits sein Elend nicht mehr sehen könnten. Der Greis willigte ein; er führte den Jungen in das Kloster. Als dieser nun schon lange Zeit im Kloster war und bisher der alte Feind nicht mehr sich getraute zu kommen, wurde das Herz des Greises über die Befreiung des Jungen etwas übermäßig von Fröhlichkeit erfasst; denn er sagte einst zu den Brüdern: Brüder, der Teufel trieb seinen Spaß mit jenen Schwestern; da nun aber der Junge zu den Dienern Gottes gekommen ist, wagt jener nicht mehr den Jungen anzufallen. Kaum war das Wort gesprochen, so wurde in dieser Stunde und in diesem Augenblick der Junge vor allen Brüdern von dem Teufel ergriffen und gequält. Über diesen Anblick brach der Greis in Wehklagen aus. Da ihn die Brüder zu trösten versuchten, antwortete er: Glaubt mir, es wird heute keiner einen Bissen Brot in den Mund bekommen, wenn nicht jener Junge dem Teufel entrissen wird. Hierauf begab er sich mit allen den Brüdern zum Gebet, und es ist so lange gebetet worden, bis der Junge von der Besessenheit befreit war. Und zwar ist er so vollkommen geheilt worden, dass der Teufel keinen neuen Anfall mehr wagte.“
Es ist eine schon tausendmal gemachte Erfahrung, dass, wenn man von Gott irgendeine Gnade empfangen hat und sich dieser Gnade rühmt oder überhaupt unnötigerweise davon spricht, man sie gewöhnlich verliert. Selbst Weltmenschen wissen dies. Sobald nämlich an einer Gnade Gottes, die wir besitzen, Selbstgefälligkeit und Eitelkeit sich einstellt, wird uns die Gnade Gift an der Seele, gleichsam Nahrung für die Sünde. Deshalb nimmt sie Gott dann hinweg. Sei deshalb besorgt und schweige über die Gnaden Gottes; wo du aber glaubst davon reden zu müssen, tue es in einer Absicht und Art, dass nicht du, sondern nur Gott Ehre davon habe. – Die kleine Eitelkeit, die den heiligen Eleutherius beschlichen hat, wurde wieder gesühnt, durch die Reue, Demütigung und das eifrige Gebet. Andere haben keinen so heiligen Wandel und das Gebet frommer Brüder in die Waagschale zu legen, dass sie gleich dem heiligen Eleutherius die verscherzte und entzogene Gnade wieder zurückrufen könnten.
Der heilige Gregor erzählt weiter: „Wie groß die Gewalt des Gebetes dieses Mannes war, habe ich an mir selbst erfahren. Denn als ich zu einer gewissen Zeit im Kloster an großer Entkräftung litt und durch häufige Beengungen stündlich meinem Ende mich nahte, und die Brüder nur durch öftere Darreichung von Stärkungsmitteln verhinderten, dass mir der Lebensfunke nicht ganz ausging, kam der Ostertag. Da nun am heiligen Karsamstag, wo alle, selbst kleine Kinder fasten, ich nicht fasten konnte, so fing ich an, mehr durch den Kummer darüber, als durch die Leibeskrankheit dahinzuschmachten. Aber das traurige Gemüt fand bald Rat; ich führte den Mann Gottes heimlich in den Betsaal und bat ihn, er möge beim allmächtigen Herrn durch seine Bitte die Kraft zu fasten mir erflehen. Das geschah auch. Auf sein Gebet hin bekam mein Magen eine solche Stärkung, dass mir Speise und Krankheit ganz aus dem Sinn kamen. Ich fing an, mit Verwunderung zu betrachten, wer ich jetzt sei und wer ich gewesen war, weil ich nichts mehr von dem fühlte, woran ich vorher litt. Ja, als es Abend wurde, war ich so kräftig, dass ich das Fasten, wenn ich gewollt hätte, bis an den anderen Tag hätte aushalten können. Ich machte auf diese Art an mir die Erfahrung, dass auch das von Eleutherius wahr sein werde, was ich nicht selbst mit eigenen Augen gesehen habe.“
Außer dem, was der heilige Gregor hier erzählt, weiß man vom heiligen Eleutherius keine genaueren Lebensumstände; dagegen findet sich in den Schriften des großen Papstes noch folgende Nachricht über den Bruder des heiligen Eleutherius: „Es pflegt meistens zu geschehen, dass die Seele beim Abscheiden diejenigen erkennt, mit welchen sie vermöge der Schuld oder der Verdienste dem nämlichen Aufenthaltsort zugewiesen wird. Denn der verehrungswürdige Greis Eleutherius hatte in seinem Kloster einen Bruder, namens Johannes, der 14 Tage vorher den Brüdern sein Ende ankündigte. Als er nun täglich die abnehmenden Tage zählte, wurde er drei Tage, bevor er starb, vom Fieber ergriffen. Beim Herannahen des Todes empfing er das Geheimnis des Leibes und Blutes unseres Herrn, ließ die Brüder herbeirufen und forderte sie auf, vor ihm Psalmen zu singen. Während des Gesanges rief er plötzlich: Ursus komm! Kaum hatte er das gesagt, da starb er. Die Brüder wunderten sich, weil sie nicht wussten, was jener Ausruf des Sterbenden zu bedeuten habe. Im Kloster war aber große Traurigkeit über sein Abscheiden. Den vierten Tag aber brauchten die Brüder etwas, wegen dessen sie zu einem anderen, weit entfernten Kloster sandten. Die abgesandten Brüder fanden dort alle Brüder des Klosters sehr traurig. Gefragt, was sie hätten, dass sie so niedergeschlagen seien, antworteten sie: Wir beklagen die Verwaisung dieses Ortes, indem ein Bruder, dessen Leben im Kloster uns erbaute, vor vier Tagen hinweggerafft worden ist. Als die Brüder, die angekommen waren, fragten, wie jener geheißen habe, antworteten sie: Ursus. Da sie nun auch genauer über die Stunde seines Todes sich erkundigten, erfuhren sie, dass er im gleichen Augenblick seinen Geist aufgegeben habe, da er durch Johannes, der bei ihnen gestorben ist, gerufen worden war. Hieraus schließt man, dass das Verdienst beider gleich war und ihnen gegeben wurde, dass sie in einer und derselben Wohnung gemeinsam leben, denen es zusammentraf, gemeinsam den Leib zu verlassen.