Epipodius und Alexander
Epipodius und Alexander, dieser gebürtig aus Lyon, jener aus Griechenland, stammten beide aus edlen Familien und waren junge Männer, nicht weniger ausgezeichnet durch Wohlgestalt, als durch Wissenschaft und wahre Tugend. Schon als Schulkameraden waren sie Freunde und diese Freundschaft wurde mit den Jahren noch stärker und fester und gottgefälliger. Sie wurden von ihren Eltern zum Christentum erzogen, bestärkten sich aber auch gegenseitig im Glauben und in der Frömmigkeit. Durch Nüchternheit, Zurückgezogenheit, Aufrichtigkeit und alle Werke der Barmherzigkeit bereiteten sie sich früh schon vor auf den Opferweg der Nachfolge Christi in jener Zeit der Verfolgung.
Die beiden Freunde waren junge Männer und noch nicht verheiratet, als im Jahr 177 zu Lyon eine blutige Verfolgung gegen die treuen Bekenner Jesu ausbrach. Obrigkeit und Volk schienen sich in höchster Erbitterung zur völligen Ausrottung der Christen verschworen zu haben. Mit den vielfältigsten Martern wurde gegen sie verfahren, und man verbrannte sogar die Körper der Hingemordeten zu Asche und verstreute diese in der Rhone, damit auch nicht die geringste Spur auf Erden von ihnen übrig bleibe. Mit stolzer Selbstgefälligkeit rühmte sich der kaiserliche Statthalter, alles Land, das unter seinem Befehl stehe, von den Bekennern des Gekreuzigten gesäubert zu haben. Epipodius und Alexander wichen, als das Feuer der Verfolgung aufloderte, derselben dem Rat des Evangeliums gemäß. Sie gingen heimlich aus der Stadt und versteckten sich in einem Dorf in der Nähe in der Hütte einer frommen christlichen Witwe. Die Verschwiegenheit ihrer Wirtin und die Unscheinbarkeit ihrer Zufluchtsstätte schützten sie eine Zeit lang vor der Entdeckung; allein in die Länge konnte ihr Aufenthalt den überall herumspürenden Heiden nicht unbekannt bleiben. Sie wurden aufgefunden, und als sie den Häschern eben durch eine kleine Hintertür entfliehen wollten, verlor Epipodius einen Schuh, welchen die gute Witwe als einen köstlichen Schatz sorgfältig aufbewahrte. Kaum waren sie in Haft genommen, als man sie in den Kerker warf, ohne sie vorher zu verhören, obwohl die römischen Gesetze diese Förmlichkeiten vorschrieben.
Drei Tage danach führte man sie, die Hände auf den Rücken gebunden, vor den Richterstuhl des Statthalters. Sobald sie das Bekenntnis ihres christlichen Glaubens abgelegt hatten, stieß das Volk ein grimmiges Wutgeschrei gegen sie aus. Der Statthalter schrie voller Wut: „Was haben denn unsere Peinigungen genützt, wenn es immer noch Leute gibt, welche der Lehre jenes Christus folgen?“ Besorgt darüber, dass die beiden Heiligen sich gegenseitig stärken und ermuntern, nahm er Epipodius, den er für den Jüngeren und darum für den Schwächeren hielt, auf die Seite und versuchte ihn zu verwirren. Er stellte ihm das Beispiel aller Völker vor, die froh den Göttern huldigten und freudenreich lebten, und dagegen den traurigen Dienst der Christen, verbunden mit Entbehrungen und Leiden, den sie dem Gekreuzigten leisten. Der junge Mann aber entgegnete ihm mutig: „Dein Mitleiden und die Ergötzungen, die du mir anbietest, rühren mich nicht. Eure schändlichen Freuden erlustigen den Leib, töten aber die Seele. Was ist nun das für ein Leben, wo der edelste Teil des Menschen Schaden leidet? Der Welt wegen bekriegen wir den Körper, der Seele wegen bekämpfen wir die Laster. Euer Gott ist der Bauch, und ihr meint, dass wie bei den Tieren nach einem durchschwelgten Leben mit dem Tod alles ein Ende habe. Wir hingegen, so viele von uns auch durch eure Verfolgungen umkommen, gehen, indem wir das Zeitliche verlassen, in das ewige Leben ein.“ Diese schneidende Antwort erzürnte den Richter und er befahl den Schergen, dass sie den Mund des Martyrers mit Fäusten zerschlagen sollten. Aber Epipodius, obwohl mit Blut überströmt, fuhr fort zu reden: „Ich bekenne, dass Jesus Christus mit dem Vater und dem Heiligen Geist ein Gott sei; und es ist recht, dass ich ihm die Seele, die er erschaffen und erlöst hat, hingebe. Denn so wird mir das Leben nicht genommen, sondern in ein besseres verwandelt.“ Auf diese Worte hin ließ ihn der Statthalter an der Folter aufziehen und seine Seiten mit eisernen Krallen zerfleischen. Der Bekenner aber blieb unter diese grausamen Marter so standhaft und ruhig, dass die blutdürstige Menge, der das Verfahren der Henker zu langsam erschien, plötzlich ein tobendes Geschrei erhob und den jungen Mann verlangte, um ihn zu steinigen oder in Stücke zu zerreißen. Der Statthalter war besorgt um sein richterliches Ansehen und gab den Befehl, den heiligen Blutzeugen wegzuführen und sogleich zu enthaupten. So diente nach Gottes weiser Fügung die Ungeduld der Verfolger zur schnelleren Vollendung der Marter.
Zwei Tage danach wurde Alexander vor den Richterstuhl gestellt. Der Statthalter redete ihn an: „Noch ist es in deiner Gewalt, dem Schicksal deiner Vorgänger zu entgehen. Bedenke es wohl! So ganz und gar haben wir die Bekenner Christi ausgerottet, dass du von allen allein noch übrig bist; denn auch Epipodius, der Genosse deiner Torheit, ist unterlegen. Daher rate dir besser und streue den Göttern zu Ehren Weihrauch.“ Der Heilige entgegnete: „ Was du mir da sagst, macht mir nur Mut, dem Beispiel der Martyrer, besonders aber meinem teuren Freund Epipodius nachzufolgen. Der christliche Glaube kann nicht vernichtet werden; er ist zu fest von Gott gegründet.“ Jetzt ließ ihm der Richter die Beine weit auseinander spreizen, worauf ihn drei einander abwechselnde Henkersknechte aufs Grausamste mit Ruten schlugen. Diese Peinigung dauerte lange, ohne dass der Heilige einen einzigen Seufzer hören ließ; und als man ihn fragte, ob er noch immer bei seinem Bekenntnis bleibe, antwortete er: „Wie sollte ich nicht dabei bleiben! Eure Götter sind Teufel; der Gott aber, den ich anbete, ist der allmächtige, der unsichtbare, der ewige. Er wird mich in meinem Glauben und in meinem Vorsatz beschützen.“ Da nun der Richter sah, dass er die Standhaftigkeit des Martyrers nicht besiegen könnte, verdammte er ihn zum Kreuz, sagend: „Man muss diesen wahnsinnigen Christen nicht Gelegenheit geben, sich durch die Langwierigkeit der Qualen bei den Ihrigen Ruhm zu erwerben.“ Alexander, am ganzen Körper so zerfetzt, dass man ihm bis an die Eingeweide hineinsehen konnte, lebte nicht lange mehr am Kreuz und hauchte, mit sterbender Stimme noch den Namen „Jesus!“ ausrufend, alsbald seinen seligen Geist aus.
Die Christen trugen die Leichname der beiden Martyrer in der Nacht heimlich hinweg und begruben sie auf einem Hügel nahe der Stadt, in einer durch dichtes Gesträuch verborgene Höhle. Dieser Ort wurde bald berühmt durch fortwährende Wunder. Der Staub von den Gräbern der Heiligen wurde in alle Länder getragen und gab überall den Kranken die Gesundheit wieder. Ähnliche Wunder wurden durch den Schuh bewirkt, den jene fromme Witwe als Andenken an Epipodius aufbewahrt hatte, so dass der Unglaube der Hartnäckigsten unter so vielen unwidersprechlichen Zeichen sich beugen musste.