Am 14. Dezember 1876, also innerhalb der Achttagefeier von Mariä Unbefleckte Empfängnis, starb in ihrer Heimatstadt Aachen die Ordensstifterin Franziska Schervier, die man wohl zu den besonders begnadeten Kindern der Immakulata rechnen darf.
Franziska Schervier entstammte einem reichen Fabrikantenhaus. Ihr Taufpate, von dem sie den Namen erhielt, war Kaiser Franz von Österreich. Aus dem Kind entwickelte sich ein bildschönes, kluges und frohes junges Mädchen, das nach dem frühen Tod der Mutter, vierzehnjährig bereits, mit Geschick den großen Haushalt daheim zu führen verstand. Es konnte nur eine Frage der Zeit sein, dass sich bei ihr der rechte Freiersmann einstellte und sie als Braut heimholte, ein Prinz vielleicht, der das holde Prinzesschen auf sein Schloss entführte.
Ja, der Freiersmann kam, und ein Prinz war er auch, allerdings ein Prinz in Lumpen, denn nicht der irdischen Liebe verfiel das reiche Mädchen, sondern die Liebe zum notleidenden Nächsten um Christi willen nahm Beschlag von ihr ganz und gar. Christus in den Lumpen der Armen wurde Franziskas vielgeliebter fürstlicher Bräutigam.
Schon als Kind saß Franziska Schervier sommertags, sobald es in der Frühe dämmerte, im Bett und strickte Strümpfe für die Armen. Was sie an Geschenken erhielt, versilberte sie, um mit dem Erlös den Notleidenden zu helfen. Als junge Haushälterin gab sie alles an Nahrungsmitteln, Kleidern, Wäsche und Bettzeug weg, was ihr als überflüssig erschien, und kleinlich und ängstlich war sie bei der Auswahl dessen, was sie für überflüssig ansah, durchaus nicht, so dass die alte Magd jedem, der es hören oder auch nicht hören wollte, das ständige Klagelied vorsang: „Das Kind bringt uns noch alles aus dem Haus.“
Fast wie närrisch war das junge Mädchen in der Liebe zu den Armen um Christi willen. In ihr war anscheinend Sankt Elisabeth von den Toten auferstanden, und wie diese nicht nur Gaben, sondern sich auch selbst verschenkte, so machte es Franziska Schervier ebenfalls. Zum Entsetzen der eingebildeten Verwandtschaft suchte sie persönlich die Armeleutewohnungen auf, pflegte die kranken Arbeiterfrauen, fegte ihnen die Stuben und die Kammern, wusch die Kinder und wachte nachts an den Betten der Sterbenden. Bald ging die neue heilige Elisabeth von Tür zu Tür für die Notleidenden betteln, während die vornehmen Leute in der Stadt über sie die Achseln zuckten oder auch mit dem Zeigefinger auf die Stirn tippten.
Es war ein Glück, dass Franziska Schervier sich durch die Redereien der Siebenmalklugen nicht beirren ließ. Je mehr die Leute schwätzten, desto starkmütiger ging sie den Weg der tätigen Nächstenliebe. Durch das Beispiel angelockt, schlossen sich gleichgesinnte Mädchen ihr an. Eine neue Ordensgemeinschaft von Barmherzigen Schwestern bildete sich, die heute schon über hundertfünfzig Jahren in Europa und Amerika Hunderttausenden von Menschen in dienender Liebe geholfen haben und immer noch helfen. Franziska Schervier ist wie eine heilige Elisabeth durch die Zeit gegangen und lebt heute in Tausenden von Barmherzigen Schwestern zum Segen vieler weiter.
Noch bleibt zu erzählen, warum Franziska Schervier nach der eingangs gemachten Bemerkung ein bevorzugtes Gnadenkind der Immakulata war. Das ist folgendermaßen zu verstehen:
Feierlich hatte Papst Pius IX. im Jahr 1854 den Glaubenssatz von der Unbefleckten Empfängnis verkündet. Gleichsam als eine Bestätigung von oben ist vier Jahre später zu Lourdes in Frankreich jener Marienbrunnen entsprungen, an dem Wunder sich ereignen bis auf den heutigen Tag.
Auch Franziska Schervier ist in Lourdes von schwerer Krankheit geheilt worden. Einen Monat lang hatte die damals Fünfzigjährige, halbgelähmt und von Atemnot gequält, sozusagen im Todeskampf gelegen, als eine reiche Frau sie gegen alle Vernunft nach Lourdes brachte. Am dritten Tag der Eisenbahnfahrt lag Franziska offensichtlich im Sterben. Mit letzter Not erreichte man noch das Spital in Lourdes. Nach einem besonders heftigen Anfall hielt man sie, die leblos dalag, bereits für tot. Sie kam jedoch wieder zu sich, und als man sie widerwillig, nur auf ihr ungestümes Drängen hin, zur Grotte fuhr, wurde sie bei der ersten Berührung mit dem Wasser der heiligen Quelle auf der Stelle gesund und lebte danach noch sieben Jahre.
Franziska Schervier war also ein bevorzugtes Gnadenkind der Immakulata. Das ist immer so, denn wer in den Armen und Kranken dem Heiland gut ist, dem ist auch die Mutter gut.
Franziska Schervier wurde am 28. April 1974 von Papst Paul VI. seliggesprochen.