Der große Kirchenvater der kleinen Seestadt Ruspe in Nordafrika mag uns über Land und Meer die Hand zum Geleit ins neue Gnadenjahr des Herrn reichen. In zweifacher Hinsicht war sein Name Fulgentius, „der Leuchtende“, von prophetischer Bedeutung. Vor der hörenden Kirche nämlich steht der strenge Mönch und fromme Bischof als Leuchte vorbildlicher Christentugend; die lehrende Kirche aber feiert den berühmten Kirchenvater und großen Gottesgelehrten – vielleicht den größten seiner Zeit – als Leuchte der heiligen Wissenschaft, als den Augustinus seines Jahrhunderts.
Fulgentius war Sprössling einer vornehmen Familie. Im Jahr 468 erschloss sich die Edelknospe im damals so blühenden Gottesgarten der nordafrikanischen Kirchenprovinz. Das Gnadenkind empfing aus der Hand der Vorsehung zwei für das spätere Leben besonders entscheidende Wiegengeschenke: eine fromme, verständige Mutter, Mariana mit Namen, die ihm durch die Kindheitstage und Jugendjahre den sicheren Weg wies; sodann eine ungewöhnlich reiche Geistesanlage, die sich unter dem befruchtenden Tau sorgfältiger Ausbildung zu rascher Blüte und reifer Frucht entfaltete.
Der edle Charakter und das tiefgründige Wissen eröffneten dem heranreifenden jungen Mann eine glänzende Laufbahn in der Welt. Noch in jungen Jahren wurde er der oberste Verwaltungsbeamte (Präfekt) seiner Vaterstadt Telepte. Doch ihn zog es zum Dienst Gottes in die Einsamkeit der Klosterzelle. Des heiligen Augustin wundervolle Erklärung des 36. Psalmes hatte den Entschluss zur Reise gebracht. Er vertauschte die Amtsbinde mit dem Bußgürtel, den Glanz der Welt mit entsagender Aszese.
Gottes Gnade und menschliches Tugendstreben trugen nun den jungen Mönch wie mit mächtigen Schwingen rasch aufwärts zum Höhenpfad christlicher Vollkommenheit. Die Selbstheiligung erreichte jene selige Höhe, auf der die strengsten Bußübungen und herbsten Entsagungen nicht mehr sowohl als Opfer leiblicher Abtötung, sondern als Bedürfnis seelischen Genießens empfunden zu werden pflegen. Aber noch ein zweiter Gottesquell erschloss sich dem Heiligen in der Stille des Klosters, der tiefe Born der heiligen Wissenschaft. Seine Wasser strömten ihm aus den Werken der heiligen Väter zu, insbesondere aber aus dem „Buch der Bücher“, in die er sich von Tag zu Tag mehr vertiefte. Als den „treuesten Sachwalter und Ausspender des ganzen Neuen Testamentes“ feiert ihn darum gleich die erste Zeile seiner Lebensbeschreibung, wohl aus der Feder seines gleichnamigen Schülers Fulgentius Ferrandus.
Die schönste Doppelfrucht des stillen Klosterfriedens sollte sich freilich für den ahnungslosen Mönch und (seit etwa 500) Klosterabt zur starken Waffenrüstung wandeln für den „guten Kampf“, den er außerhalb der Klosterumfriedung gegen schwere Bedrückungen der Kirche und gefährliche Irrlehren zu führen hatte. Die Not der Zeit rief nämlich den Mann der Vorsehung in stürmischen Tagen um das Jahr 510 auf den lang verwaisten Bischofsstuhl von Ruspe. Das „nolo episcopari“ („ich will nicht Bischof werden“), das seine Vorliebe für das beschauliche Leben anfänglich so entschieden gesprochen hatte, musste dem Opfer des Gehorsams weichen, das er bringen musste. Schon in die Abgeschiedenheit seines Mönchslebens hatte einmal die gewaltige und gewalttätige Irrlehre des Arianismus, der die Leugnung der Gottheit Christi auf seine gottlose Fahne geschrieben hatte und gerade im vandalischen Nordafrika noch seine starken Ausläufer hatte, eine wilde Sturzwelle hineingeworfen. Auf offener Straße wurde Fulgentius und sein Abt Felix von fanatischen Häretikern überfallen und misshandelt, so dass sie blutüberströmt ins Kloster zurückkamen. Doch noch schwerere Kämpfe und Leiden harrten des Bekennerbischofs. Ihr „gutes, gerütteltes, geschütteltes und gehäuftes Maß“ (Lk 6,38) erreichten dieselben namentlich in jenen acht Jahren (515-523), in welchen er als Opfer seiner Rechtgläubigkeit und Glaubensstandhaftigkeit mit mehr als 60 anderen katholischen Bischöfen seiner Kirchenprovinz vom grausamen Vandalenkönig Thrasamund auf die Insel Sardinien verbannt war. Mit der Thronbesteigung des milderen Königs Childerich im Jahr 523 kehrte allerdings der Kirche der äußere Friede wieder. Doch der unerschrockene Vorkämpfer der katholischen Wahrheit setzte den einmal übernommenen Glaubenskampf wider den Arianismus und andere Irrlehren mit dem „Schwert des Wortes“ wie mit der Feder in der Hand bis zu seinem Lebensende (1. Januar 533) fort. Seine Schriften füllen heute noch einen stattlichen Band im reichen Schatz des altkirchlichen Väterschrifttums und sind Gemeingut der ganzen Christenheit geworden. Gerade in ihnen leuchtet der Name Fulgentius am hellsten mit ungebrochenem Strahl durch die Jahrhunderte herab in jedes neue Jahr hinein, das aus dem Zeitstrom auftaucht. Mit Recht ruft sein begeisterter Lobredner und Schüler am Schluss seiner Lebensbeschreibung aus: „Wer würde nicht voll Bewunderung zum gnadenvollen Lebensbild des seligen Fulgentius aufblicken?“
Das Mönchsleben wird von den Feinden der katholischen Religion so gern als „Weltflucht“ und „Lebensverneinung“ verdächtigt. Im Licht unseres obigen Lebensbildes verblassen solche nichtsagende Schlagworte. Der Jünger der christlichen Vollkommenheit flieht allerdings das Böse und die Gefahren dieser Welt, aber nur, um desto mehr dem Guten in der Welt nachzugehen. In seinem Vollkommenheitsstreben liegt die denkbar höchste Lebensbejahung, die selbst ins Kleinste, ins Widrigste in der Welt höheren Sinn und Ewigkeitswerte legt und das Erdenleben aus dem Vergänglichen ins Unvergängliche, aus dem natürlichen Bereich in die Sphäre des Übernatürlichen, Himmlischen und Göttlichen emporhebt.