Gerhard Majella kam als Sohn eines Schneidermeisters 1726 in dem Städtchen Muro bei Neapel zur Welt. Er war ein rechtes Sorgenkind, schwächlich und kränklich, und als er ins Ersthosenalter kam, hat man manchmal gemeint, er sei nicht recht gescheit und habe den Verstand nicht ganz beisammen, so ungeschickt konnte er sich anstellen oder dummes Zeug daherreden. Bald war Gerhard Majella der vielbelachte und vielbewitzelte Dorfnarr von Muro, der an allen Straßenecken von klein und groß gehänselt wurde. Das war unschön und unfein, denn mit solch armen Menschen muss man herzliches Mitleid haben und ihnen helfen, wo man kann, und sie nach Möglichkeit vor dem Spott der anderen in Schutz nehmen. Übrigens war Gerhard Majella durchaus kein Narr, er war nur auf einfältige Weise fromm, und wenn die Leute gewusst hätten, was der Junge als tiefstes Geheimnis im Herzen trug, dass er nämlich von jung an mit Erscheinungen der lieben Mutter Gottes begnadet wurde, so hätten sie wohl das lose Mundwerk besser zusammengehalten.
Was sollte nun aus dem ungeschickten Gerhard werden? Natürlich wurde er Schneider wie sein früh verstorbener Vater. Auf die Kindheit mit dem bitteren Spott folgte eine harte Lehrzeit. Lehrlinge haben es meistens nicht leicht, aber Gerhard Majella hatte es wegen seiner Untauglichkeit zu jeder Arbeit dreimal schwer. Der arme Schneiderling! Als es gar nicht mehr ging, erbarmte sich des unbeholfenen Lehrbuben ein Bischof und stellte ihn als Hausdiener an. Da hatte Gerhard wenigstens Ruhe vor dem Stock des Lehrherrn und mehr Zeit zu beten, und nichts tat er lieber als das, und dabei blieb seine einfältige Frömmigkeit stets die gleiche. Dass aber der Himmel an heiligen Narren von Gerhards Art eine helle Freude hatte, zeigt das folgende Begebnis.
Als einst der bischöfliche Herr verreist war, wollte der Hausdiener am Stadtbrunnen Wasser holen. Sorgfältig schloss er die Haustür zu, steckte den Schlüssel ein, ging auf den Markt, wo sich der Brunnen befand, und ließ den Schöpfeimer hinab. Dabei fiel ihm der Schlüssel aus der Brusttasche dem Eimer nach in die Tiefe. Wieder einmal lachten die Leute über den Tollpatsch. Was tat Gerhard? Er lief zur nahen Kirche, holte – es war gerade Weihnachtszeit – das Christkind aus der Krippe und schickte es an einer Schnur dem Eimer nach in den Brunnen, und als er das Christkind hochzog, hing an seinem Arm der verlorene Schlüssel. Da lachte niemand mehr, und der Brunnen heißt seitdem Gerhardsbrunnen. Von solcher Einfalt war des bischöflichen Hausdieners Frömmigkeit, aber der liebe Gott schaut auf das Herz, und wenn das Herz gut ist, ist er zufrieden.
Über alles gern wäre Gerhard Majella ins Kloster gegangen, aber die Kapuziner wiesen ihn zweimal ab. Wie die Zukunft zeigen sollte, waren sie da schlecht beraten, sonst hätten sie heute einen Heiligen mehr in ihrem an Heiligen übrigens reich gesegneten Orden. Schließlich fand Gerhard Majella Unterschlupf in dem eben gegründeten Redemptoristenorden.
Die Obern des neuen Klosterbruders waren einsichtig genug, den Dreiundzwanzigjährigen gewähren zu lassen, der immerhin als Gärtner, Küster und Pförtner einige Dienste leistete, der die Nächte vor dem Allerheiligsten verbrachte und der vor allem Gehorsam war bis zum Tüpfelchen auf dem i, und es offenbarte sich des einfältigen Mannes Heiligkeit von Tag zu Tag mehr. Wunder blühten auf, wo er ging und stand. Auf sein Gebet wurden Kranke geheilt, und Sterbende kehrten gekräftigt ins Leben zurück. Brot vermehrte sich auf sein Wort. Priester staunten über die Weisheit, die aus dem ehemaligen Dorfnarren sprach, und Bischöfe fragten den schlichten Ordensbruder um Rat, der selbst in den heikelsten Dingen stets die rechte Auskunft wusste. Auch schaute der Heilige mit seinen begnadeten Augen zutiefst in die Herzen der Menschen, und manchen hat er unter vier Augen verschwiegene Sünden ins Gesicht gesagt und sie zu einer ehrlichen Beichte gedrängt und verholfen. Die Leute aber, die ihn ehedem verlachten, verehrten ihn gleich nach dem Tod im Alter von erst dreißig Jahren als einen Heiligen, und der selige Papst Pius X. hat das Urteil des Volkes im Jahr 1904 dadurch bestätigt, dass er dem einfältigen Klosterbruder die Ehre der Altäre zuerkannte.