Auf steiler Anhöhe an dem wiesengrünen Ufer der Lippe erhebt sich das prächtige, fensterreiche Schloss Kappenberg, das weit hinausschaut über das westfälische Land mit seinen zahlreichen Städten und Dörfern. Das war voreinst der Stammsitz der Grafen von Kappenberg, die von väterlicher wie von mütterlicher Seite mit dem Kaiserhaus verwandt waren. Dort erblickte der edle Graf Gottfried im Jahr 1097 das Licht der Welt. Von seinem Großvater, dem gottseligen Grafen Hermann, erlebte er tiefe Gottesfurcht, Demut, Sanftmut und Güte, womit er angeborene Klugheit, eine reiche Erfahrung und glänzende Beredsamkeit verband. Die Kriegsfehden jener Zeit nötigten ihn oft, zu den Waffen zu greifen, aber er schärfte seinen Mannen die Worte des Bußpredigers Johannes ein: „Tut niemand Gewalt an, beschuldigt niemand fälschlich, begnügt euch mit eurem Sold!“
In den Armen und Kranken erkannte Gottfried die leidenden Glieder des dornengekrönten Heilandes. Er brachte ihnen kräftige Speisen und Getränke, bereitete ihnen mit eigenen Händen ein weiches Lager, verband ihre Wunden, tröstete und ermutigte sie zur Geduld. Einem Aussätzigen, vor dem jedermann floh, wusch er die ekelhaften Wunden und trank sogar aus seinem Becher. Nie schlug er einem Bettler ein Almosen ab, und wenn er ausritt, nahm er eine gefüllte Börse für Notleidende mit, und kehrte stets mit leerem Säckel, aber immer mit frohem Herzen heim. Sein Hausgesinde liebte ihn wegen seiner Sanftmut und Leutseligkeit, und ehrte ihn überaus hoch. Mit seiner jungen Gemahlin Jutta, einer Tochter des Grafen Friedrich von Arnsberg, lebte er in der glücklichsten Ehe.
Um diese Zeit durchzog der heilige Norbert, der durch die Gnade Gottes aus einem genusssüchtigen Weltmann in einen demütigen Mönch umgewandelt war, als Prediger der Buße das Rheinland und kam, demütig auf einem Esel reitend, auch auf das Schloss Kappenberg. Gottfried wurde durch die Worte und Wunder des Heiligen so gewaltig ergriffen, dass er den Entschluss fasste, sein Leben als Ordensmann ganz Gott zu weihen und schein Schloss Kappenberg in ein Kloster umzubauen. Aber seinem Vorhaben standen viele Hindernisse im Weg. War zu erwarten, dass seine Gemahlin einwilligte, und dass sein Bruder Otto auf das Erbrecht verzichtete? Der vereinten Beredsamkeit Norberts und Gottfrieds gelang es, die irdische Liebe Juttas mit dem Feuer der himmlischen Liebe zu dämpfen und den Bruder Otto zu bewegen, dass er nicht nur das Vorhaben seines Bruders billigte, sondern sogar beschloss, dessen Beispiel nachzuahmen. Am 31. Mai 1122 beriefen die Grafen Gottfried und Otto ihre Verwandten und Vasallen und erklärten in ihrer Gegenwart feierlich, dass sie um ihres Seelenheiles willen die Burg Kappenberg samt allen Gütern und Höfen dem Bruder Norbert zum Nutzen des Prämonstratenser Ordens übergäben. Gleicherweise stiftete Gottfried aus seinen Gütern noch zwei andere Klöster, nämlich Varlar und Ilmstädt (Ilbenstadt) am Main.
Der Bischof von Münster weihte die Burg Kappenberg zu einem Prämonstratenserkloster feierlich ein. Der heilige Norbert übernahm als erster Abt die Leitung des Klosters, zu dem sich zahlreiche Novizen einfanden. Gottfried empfing die Tonsur und das geistliche Kleid. Sein Bruder Otto trat in das neue Kloster. Frau Jutta errichtete am Fuß des Berges ein Frauenkloster und nahm mit ihrer Schwägerin Beatrix ebenfalls die Regel des heiligen Norbert an.
Über die neue Ordnung der Dinge auf Kappenberg war Gottfrieds Schwiegervater, der mächtige Graf Friedrich von Arnsberg, höchst ergrimmt und wollte nicht hinnehmen, dass seine Tochter den Schleier nehme und dass die reichen Güter dem Kloster verfielen. Er drohte mit Gewalt, aber ein plötzlicher Schlagfluss zerstörte seinen Plan.
Während des Noviziates verrichtete Gottfried die niedrigsten Geschäfte, fastete streng, genoss fast nur noch Wasser und Brot, freute sich, wenn er gering geschätzt wurde und verabscheute alles Lob. Gegen alle war er liebreich, nur gegen sich selbst unnachsichtig streng. Beschwerten sich zuweilen die Novizen über die Strenge des Ordens, so ermahnte er sie ernstlich: „O meine Brüder, mit der menschlichen Trägheit durchschiffen wir den reißenden Strom des Lebens nicht. Behalten wir nicht das höchste Ziel im Auge und verfolgen wir es nicht mit aller Kraft, so werden wir bei einem sehr niedrigen Ziel landen. Deshalb wollen wir lieber die Strenge vermehren, als vermindern.“ Wenn der heilige Norbert die Begeisterung und tiefe Demut Gottfrieds beobachtete, rief er freudig aus: „Nun kann ich doch ruhig sterben; denn ich weiß, welchen treuen Nachfolger ich haben werde.“
Einige Zeit vor der Professablegung sandte der heilige Norbert die beiden Brüder nach dem Mutterkloster Prämonstrat in Frankreich. Dort legten sie die feierlichen Gelübde ab und kehrten dann nach Kappenberg zurück. Als dort infolge von Missernte Hungersnot und Seuchen ausbrachen, erbaute Gottfried neben dem Kloster ein großes Hospital, in dem die Ordensbrüder die Krankenpflege übernehmen mussten.
Als der heilige Norbert im Jahr 1126 auf den erzbischöflichen Stuhl zu Magdeburg erhoben wurde, berief er seinen lieben Freund Gottfried zu sich, um sich seines weisen Rates zu bedienen und ihm auf seine Nachfolge im Amt vorzubereiten. Aber schon nach wenigen Tagen erkrankte Gottfried und bat den heiligen Erzbischof um Erlaubnis zur Heimreise. In dem von ihm gestifteten Kloster Ilmstädt erkrankte er schwer und bereitete sich auf sein Ende vor. Sein Bruder Otto, der ihn begleitet hatte, war sehr um ihn bekümmert. Gottfried aber frohlockte, dass er bald zur Anschauung Gottes gelange, und sprach heiter: „Lass uns doch diese Stunde mit Freude annehmen und Gott Dank sagen, dass er uns von der Arbeit zur Ruhe, von der Armseligkeit zur wahren Glückseligkeit abfordert! Es gibt ja keinen anderen Weg zum letzten Ziel und Ende, als den Tod.“ Darauf empfing er mit seliger Wonne die heiligen Sterbesakramente, nahm von allen Klosterbrüdern Abschied und bat sie um Verzeihung. Als ihn Otto fragte, ob er gar keine Lebenshoffnung mehr habe, entgegnete er: „Ich habe eine große Hoffnung, aber um alles in der Welt möchte ich nicht länger in diesem Tal der Zähren leben.“ Nachdem er einige Augenblicke seine Augen geschlossen hatte, sprach er zu seinem Bruder: „Ich höre eine Stimme, die da sagt: geh ihm entgegen! Siehe, die Abgesandten meines Herrn eilen mir entgegen! Willkommen, willkommen, ihr himmlischen Boten meines Herrn!“ Mit diesen Worten verschied er am 13. Januar 1127, in seinem dreißigsten Lebensjahr.
In derselben Stunde sah ihn seine Base Gerberga mit einer Krone auf dem Haupt, auf der die Worte des Propheten standen: „Er hat mich bekleidet mit dem Gewand des Heils.“ Seine Gebeine wurden zwischen Kappenberg und Ilmstädt geteilt. Eine Menge Wunder geschahen am Grab und auf die Fürbitte Gottfrieds. Deswegen nahm ihn die Kirche unter die Seligen auf. Während des unseligen dreißigjährigen Krieges erbrachen hessische Soldaten die Gruft und zerstreuten die heiligen Gebeine, aber die Verehrung des Seligen konnten sie nicht aus den Herzen reißen.