Heilige Hadwiga, Äbtissin von Herford, + 887 – Fest: 4. September

       

Wie ein veredelter Baum reiche und köstliche Früchte zu tragen pflegt, so finden wir auch im Menschenleben, dass edle, fromme und gottesfürchtige Eltern ehrenwerte und heilige Kinder erziehen. Wie der Same, so die Frucht. Wie könnte es auch anders sein? Die Tugend zieht mit gewaltigen Banden die Herzen an, umso mehr, wenn sie am Vater und der Mutter dem empfänglichen Herzen des Kindes entgegenlacht. Glücklich das Kind, das sich echt christlicher Eltern zu erfreuen hat! Ein solches glückliches Kind war die heilige Hadwig.

 

Die heilige Hadwig erblickte das Licht der Welt zu Hovestadt, nicht weit von Lippstadt, wo ihre sehr frommen Eltern, der Graf Egbert und die heilige Ida, von ihrem Verwandten, dem Kaiser Karl dem Großen, einen Herrschaftssitz angewiesen erhalten hatten, den man in jener Zeit Hofstätte nannte. Von früher Jugend an folgte das Kind dem musterhaften Leben ihrer Mutter und gab sich ganz dem Dienst Gottes hin. Weil in dieser Zeit das Jungfrauenstift Herford in großer Blüte stand, so verzichtete sie auf eine reiche Heirat und alle irdischen Hoffnungen, und eilte in das Kloster, um dort ihr Leben unter steten Andachtsübungen rein und unbefleckt von jedem Anflug des Lasters zu bewahren. In keiner Weise begehrte sie die Reize und Eitelkeit der Welt, ihr einziges Vergnügen war, Gott zu dienen und den heiligen Pflichten nachzukommen. Immer schwebte ihrem Geist das Wort Barlaams an Josaphat vor: „Zu den Jahren des Lebens rechne ich nicht diejenigen, die in Eitelkeiten dieser Welt aufgewandt sind.“ Von dieser Andachtsglut ließ sie auch dann nicht ab, als sie in demselben Stift die Würde und höchste Herrschaft einer Äbtissin erlangt hatte.

 

Hadwigs erste Sorge war, zu ihrem eigenen und ihrer Untergebenen geistlichem Fortschritt für ihre Kirche die Reliquien irgend einer heiligen Jungfrau zu gewinnen, die außerhalb des Klosters ein gottseliges Leben geführt habe und allen gottgeweihten Jungfrauen als nachahmungswürdiges Beispiel vor Augen gestellt werden könnte. Schließlich wurde ihr der Leib der heiligen Pusinna angeboten, einer Jungfrau und Einsiedlerin aus dem 5. Jahrhundert, die in Bansion, in der Nähe von Corbei in Frankreich, durch ihre Wunder berühmt war (Fest: 23. April). Diese heilige Jungfrau hatte von den frühesten Jahren an unter der Leitung des Priesters Eugen zugleich mit ihren sechs leiblichen Schwestern das Gelübde der steten Keuschheit abgelegt. Obgleich sie keine Nonne war, diente sie Gott im Glauben, in der Hoffnung und Liebe, in Fasten, Nachtwachen, Gebet und Almosengeben. Niemals, außer in höchster Not, ging sie in die Öffentlichkeit, sondern nur zur Kirche, um dem Gottesdienst beizuwohnen. Ihre Augen bewahrte sie vor aller Neugier, ihre Ohren vor unnützen Reden, ihre Zunge vor Geschwätz, ihren Geist vor jeder unreinen Regung des Fleisches. Die Zeit, die ihr nach den Gebeten und frommen Betrachtungen noch blieb, widmete sie der Handarbeit oder der Lesung heiliger Bücher, immer voll Furcht, es würde eine Minute ohne Frucht und Nutzen der Seele vorübergehen. Nur mit solchen Menschen hielt sie Freundschaft, die sie den geistlichen Übungen geneigt fand. Niemals legte sie sich abends zur Ruhe, ohne ihr Gewissen aufs sorgfältigste erforscht zu haben. So war sie allen, außerhalb des Klosters Gott dienenden Jungfrauen ein Muster geworden, das um so herrlicher war, weil es viel schwerer ist, in der Welt die Annehmlichkeiten der Welt nicht zu verkosten.

 

Da Hadwig erkannte, dass ein solches Leben den Jungfrauen ihres Stiftes zum herrlichen Vorbild dienen werde, erbat sie vom König Karl dem Kahlen den Leib der heiligen Pusinna. Es wurde ihr nicht schwer, ihren Wunsch erfüllt zu sehen, weil sie mit dem König verwandt war und ihr Bruder Cobbo am Hof des Königs lebte. Die Reliquien der heiligen Pusinna wurden ihr geschenkt, nach Westfalen übertragen und mit großer Freude empfangen. Unter ungeheurem Zulauf des Volkes wurde das heilige Unterpfand nach Herford gebracht und dort von dem heiligen Bischof Badurad von Paderborn und dem Frauenkloster beigesetzt im Jahr 860. Niemand war froher über den gewonnenen Schatz, als die Äbtissin Hadwig, denn von dieser Zeit an wuchs dort lebendig die Verehrung der heiligen Patronin, und Hadwig selbst richtete ihr Leben nach dem Vorbild der heiligen Pusinna so ein, dass sie selbst als ein lebendiges Spiegelbild jener Heiligen erschien. Der Tag und das Jahr des Todes der heiligen Hadwig, sowie die Zeugnisse für ihre Tugenden und Heiligkeit sind durch die Ungunst der Zeiten in Vergessenheit geraten. Ihre Gebeine waren zur öffentlichen Verehrung ausgesetzt bis zum Jahr 1531, wo das Luthertum in jener Stadt zur Herrschaft gelangte. Eine edle Frau sammelte die heiligen Gebeine und diese wurden später dem Jesuitenkloster zu Münster übergeben.