Ehem. Kanonissenstift St. Saturnina · Neuenheerse
Quelle: heiligen.net
Schon in den ersten christlichen Jahrhunderten fühlten sich gottinnige Seelen gedrungen, dem störenden Geräusch und den verlockenden Gefahren der Welt zu entfliehen, um in den schaurigen Höhlen der Wüste, oder in einer elenden Binsenhütte, oder in einer armen Klosterzelle ungestört in Gebet und Betrachtung, in Nachtwachen und nützlichen Beschäftigungen Gott zu dienen und sich auf eine glückselige Ewigkeit vorzubereiten. Gleich den Vätern der Wüste entschlossen sich auch fromme Jungfrauen, ein weltabgeschiedenes Leben in Gott zu führen und traten entweder in einen von der Kirche gutgeheißenen Orden, oder, wo ein Orden noch kein Kloster besaß, bauten sie sich, möglichst unmittelbar an der Kirche, eine Zelle oder Klause, in der sie ihr ganzes Leben zubrachten. Eine solche Klause war ganz aus Steinen gebaut, war zwölf Fuß lang und breit, hatte drei Fensterchen, von denen das eine zum Chor der Kirche mündete, und durch das die Klausnerin die heilige Kommunion empfing. Durch das andere auf der entgegengesetzten Seite erhielt sie ihre Nahrung, durch das dritte, das immer mit Glas oder Horn geschlossen sein musste, strömte das nötige Tageslicht herein.
Eine solche Klausnerin war die heilige Helmtrud, auch Hiltrud genannt. Sie war zu Heerse im Bistum Paderborn geboren und erzogen worden. Zeigte sie schon in früher Jugend eine unvergleichliche Frömmigkeit und Unschuld, so beschloss sie als Jungfrau, sich ganz von dem Getriebe der Welt zurückzuziehen und in verborgener Zelle mit Gott allein zu verkehren. Wie viele Tugenden sie sich in den engen Mauern ihrer Klause erwarb, einen wie hohen Grad der Vollkommenheit sie erreichte, ist Gott allein bekannt, aber das wenige, das uns von ihr berichtet worden ist, lässt uns auf ihre hervorragende Heiligkeit schließen.
Einst erschien ihr die heilige Jungfrau und Märtyrin Kordula, eine Gefährtin der heiligen Ursula, in außerordentlicher Anmut, mit heiterem Antlitz und angetan mit einem schimmernden Gewand, geschmückt mit Lilien und Rosen. Die demütige Dienerin Gottes erstaunte bei diesem Anblick und hielt sich einer solchen Erscheinung nicht würdig. „Woher kommt mir diese Gnade“, sprach sie, „dass eine solche Jungfrau sich herablässt, zu mir zu kommen, besonders da ich noch den Gesetzen des sündigen Fleisches unterworfen bin, während du zum Himmel erhoben bist und von seiner Verderblichkeit weißt?“ Die heilige Kordula begrüßte mit den lieblichsten Worten die erstaunte und wegen einer solchen unerwarteten Erscheinung kaum des Wortes fähige Klausnerin und eröffnete ihr die Ursache ihrer Ankunft: „Wisse“, sprach sie, „dass ich eine aus jener heiligen Jungfrauenschar bin, die unter der Leitung und dem Zuspruch der heiligen Ursula den mörderischen Pfeilen der Hunnen erlagen und Köln mit ihrem Blut und Martyrium verherrlichten. Ich überlebte zwar um eine Nacht den Triumph unserer Gesellschaft im Tod für Christus, jedoch am anderen Tag stellte ich mich, begierig nach gleichem Triumph und Tod, freiwillig den Mördern entgegen, starb so für Christus, und verließ weder meine Schwestern, noch verlor ich die Marterkrone. Da nun ganz Köln den Tag des ruhmreichsten Kampfes, in dem meine Mitschwestern ihr Leben für Christus hingegeben haben, aufs höchste ehrt, aber meines Namens nicht gedenkt, so verkünde du in meinem Auftrag den Nonnen, die andächtig unsere Gebeine bewachen, dass sie in der Folge einen Tag nach der jährlichen Gedächtnisfeier meiner Mitschwestern auch meinen Reliquien einige Verehrung erweisen.“
Als Helmtrud nach ihrem Namen fragte, erhob die Erscheinung das blumengekrönte Haupt und auf ihrer Stirn war mit deutlicher Schrift der Name Kordula zu lesen. Als hierüber nach Köln berichtet und das Zeugnis durch die allbekannte Heiligkeit Helmtruds bestätigt wurde, entstand seit dieser Zeit der Gebrauch in jener Kirche, dass der auf das Fest der heiligen Ursula folgende Tag der Verehrung der heiligen Kordula geweiht wurde.
Die gotterleuchtete, tugendreiche und vom Volk hochverehrte Jungfrau Helmtrud schloss ihr Leben am 31. Mai und wurde zu Heerse begraben, wo an ihrer Grabstätte einst sehr häufig Blinde ihr Gesicht, Lahme ihre geraden Glieder, Kranke die Gesundheit und vom bösen Feind Besessene Befreiung erhielten. Der durchgedrehte, gottlose Herzog Christian von Braunschweig ließ im dreißigjährigen Krieg auch zu Heerse die geweihten Gräber aufreißen und in der Kirche umherstreuen. Die erschreckten und tiefbetrübten Jungfrauen des dortigen Stiftes sammelten die Gebeine wieder und gaben ihnen einen würdigen Platz in der Kirche.