Heute feiert besonders der Karmelitenorden das Fest des heiligen Hilarion. Der Heilige stammte von heidnischen Eltern. Er wurde um das Jahr 290 in Gaza in Palästina geboren. Die Eltern schickten in der richtigen Erkenntnis, dass Bildung ein unbezahlbarer Schatz ist, ihren Sohn nach Alexandrien, damit er sich an den dortigen Schulen jeglicher Art nützlicher Kenntnis aneigne. Ein Glück für Hilarion, denn in Alexandrien lernte er auch den christlichen Glauben kennen, wurde von seiner Richtigkeit und Wichtigkeit überzeugt, nahm ihn an und ließ sich taufen. War es Neugierde oder das Drängen der Gnade? Es zog ihn mit Macht in die Wüste, um Antonius zu sehen, von dem fast ganz Ägypten sprach. Hilarion weilte nur zwei Monate bei ihm. Diese kurze Zeit reichte aber hin, um ihn völlige Entsagung zu lehren. Da er nach der Rückkehr ins Vaterhaus beide Eltern verlor, war er rasch entschlossen, verschenkte seine ganze Habe und suchte wieder die Wüste auf. Er war erst fünfzehn Jahre alt, dennoch fastete er streng und begnügte sich, wenn auch die Sonne sengend niederstach oder die Kälte sich schmerzend auf die Glieder legte, mit einem Sack als Kleidung. Außer diesem besaß er nur den Pelz, den ihm Antonius zum Abschied gegeben hatte, und einen groben Bauernkittel. Fünfzehn Feigen bildeten seine tägliche Nahrung und diese genoss er erst nach Sonnenuntergang. Die Hütte, in der er wohnte, hatte nur fünf Fuß in der Höhe - er konnte also gar nicht aufrecht darin stehen - und wenig mehr in der Länge, so dass man sie eher ein Grab als eine Wohnung hätte nennen mögen. Als Lager diente ihm ein Bund Binsen. Als diese Lebensstrenge bekannt wurde, strömten aus Ägypten und Syrien viele Heilsdurstige herbei, um sich ihm anzuschließen, denn vor Hilarion gab es in Palästina noch keine Klöster und in Syrien keine Mönche. Hilarions Beispiel zog gewaltig an. In kurzer Zeit entstanden in ganz Palästina allenthalben Klöster, die sich mit Mönchen füllten. Auch Scharen anderer kamen, um sich zu erbauen, Bischöfe, Priester, Kleriker und Mönche, Männer und Frauen. Dies war gegen den Sinn des Heiligen, der die Einsamkeit über alles liebte. Er suchte deshalb einen anderen Ort auf. Aber wo er sich niederließ, eilten die Leute zu ihm und ehrten ihn in ähnlicher Weise, weshalb er sich genötigt sah, seinen Aufenthalt immer wieder anderswohin zu verlegen. Unter anderem kam er nach Pelusium, nach Aphroditon; er durchquerte Libyen und Sizilien, suchte Dalmatien auf und ließ sich schließlich auf Zypern nieder, wo er am 21. Oktober 371 starb. "Zieh aus, zieh aus, meine Seele!" sprach er. "Was zauderst du? Du hast beinahe siebzig Jahre Christus gedient und fürchtest den Tod?" Mit diesen Worten hauchte er seine Seele aus.
Vincent de Beauvais, "Der heilige Hilarion und die verführerischen Dämonen"