Der heilige Hilarius, ein Verwandter des heiligen Honoratus von Arles, wurde um das Jahr 401 in Gallien geboren (Man nimmt an, an den Grenzen von Lothringen und Burgund.) Seine Familie war in den Augen der Welt angesehen und vornehm und er wurde seiner Geburt angemessen erzogen. Man übergab ihn geschickten Lehrern, damit er in der Kenntnis der schönen Wissenschaften unterrichtet werde. Er machte auch große Fortschritte in den anderen verschiedenen Zweigen des menschlichen Wissens, besonders in der Philosophie und Beredsamkeit. Allein wir hören von ihm selbst, wie wenig Achtung diese Vorzüge verdienen, wenn sie von den Gütern des Glaubens getrennt sind. „In Christus,“ sagt er, „sind wir alle gleich. Der höchste Adel besteht darin, dass wir unter die Diener Gottes gezählt werden. Adelige Ahnen und Geistesgaben werden uns nur insoweit über andere erheben, als wir uns selbst verachten.“ Indes lebte Hilarius nicht immer nach diesen Grundsätzen. Es gab eine Zeit, wo er die Welt liebte, und nach Ehren geizte. Der heilige Honorat, sein Verwandter, war das Werkzeug, dessen sich Gott bediente, um ihm die Augen zu öffnen, dass er sehe, welcher Gefahr sein Seelenheil ausgesetzt sei.
Honoratus hatte sein Vaterland verlassen, sich auf die Insel Lerins zurückgezogen und dort ein großes Kloster gestiftet. Durch seine Entfernung von der Welt war seine zärtliche Liebe zu Hilarius nicht im mindesten geschwächt worden. Er glaubte vielmehr, ihm keine besseren Beweise seiner Freundschaft geben zu können, als wenn er sich bemühe, ihn gänzlich Gott zu gewinnen. Er reiste daher aus seinem Kloster weg, um Hilarius aufzusuchen. Überzeugt, dass die Betrachtungen, die ihn von der Welt losgerissen hatten, dieselbe Wirkung auf das Herz seines Freundes tun würden, legte er ihm dieselben in den rührendsten und kraftvollsten Worten vor. „Welche Tränen,“ sagt der heilige Hilarius, „vergoss dieser tugendhafte Freund nicht, um die Härte meines Herzens zu erweichen! Wie oft umarmte er mich mit innigster Zärtlichkeit, um von mir zu erlangen, dass ich ernstlich über das Heil meiner Seele nachdächte? Und ich blieb jedoch gefühllos; nichts war imstande, mich zu erschüttern.“
Da Honoratus sah, dass alle seine Bemühungen unnütz seien, entschloss er sich, zum Gebet seine Zuflucht zu nehmen. „Wohlan,“ sagte er, sich an Hilarius wendend, „wohlan, Gott wird mir gewähren, was du mir verweigerst.“ Hierauf nahm er Abschied von ihm und zog sich zurück. Unterdessen dachte doch Hilarius über die Sache nach, und dieses Nachdenken erweckte einen harten Kampf in seiner Seele, den er selbst auf folgende Weise schildert: „Auf einer Seite schien es mir, als rufe mich der Herr zu sich. Auf der anderen hielt mich die Welt zurück, indem sie mir ihre Vergnügen und verführerischen Freudengenüsse darbot. Mein Wille schwankte unentschlossen hin und her und konnte sich zu nichts entscheiden. Endlich aber siegte Christus in mir. Drei Tage nachdem mich Honoratus verlassen hatte, unterwarf sich die göttliche Barmherzigkeit, durch seine Gebete herabgefleht, meine widerspenstige Seele.“ Hilarius begab sich ohne Zögern sogleich zu seinem Freund Honoratus. So stolz und ungelehrig er vorher war, so demütig und unterwürfig wurde er alsdann.
Seit diesem Augenblick war er ein ganz neuer Mensch. Man nahm in ihm jene wunderbare Veränderung wahr, die der heilige Geist in einer aufrichtig bekehrten Seele bewirkt. Sein ganzes Äußere trug das Gepräge der Demut, der Milde, der Abtötung und Liebe. Er hatte die Hand an den Pflug gelegt, um nicht mehr zurückzuschauen, und die Welt, die er verlassen hatte, vermochte nicht mehr die geringste Begierde in ihm zu erwecken. Entflammt von Eifer für die christliche Vollkommenheit, verkaufte er alle seine Güter an seinen Bruder, und verteilte den Erlös unter die Armen und dürftigen Klöster. Sodann zerriss er gänzlich alle Bande, die ihn noch an die Welt fesseln konnten, und verließ sein Vaterland, um sich in die Abtei Lerins zu verschließen. (Erst im Kloster soll er die Taufe empfangen haben.) Von seinem ersten Eintritt an schien er würdig in der Gesellschaft der Heiligen zu leben, denn er bewies einen solchen Eifer für die Erfüllung seiner Pflichten, dass er in kurzer Zeit das Vorbild derer wurde, in deren Mitte er gekommen war, um die Grundsätze der evangelischen Vollkommenheit zu erlernen. Er zeichnete sich besonders aus durch seine Liebe zum Gebet und zur Abtötung. Ohne Unterlass wachte er über sich selbst, um auch die geringsten Fehler zu vermeiden, und suchte jeden Tag sogleich sich von den Fehlern zu reinigen, die eine Folge der menschlichen Unvollkommenheit sind.
Als der heilige Honoratus 426 zum Bischof von Arles erwählt wurde, folgte ihm der heilige Hilarius in diese Stadt nach; allein bald sehnte er sich wieder nach seiner geliebten Einsamkeit, und kehrte daher wieder nach Lerins zurück. Alle Einwohner der Insel empfingen ihn mit der größten Freude. Der Heilige war seinerseits mit Wonne erfüllt, dass er sich wieder in ihrer Mitte erblickte. Diese Freude war aber nicht von langer Dauer. Gott, der andere Absichten mit seinem Diener hatte, ließ nicht zu, dass seine Tugenden verborgen blieben. Der heilige Honoratus bat ihn nach Arles zu kommen, und ihn durch sein Beispiel und seine Einsichten zu unterstützen. Da seine Bitten ohne Wirkung blieben, suchte er ihn selbst in Lerins auf, und nötigte ihn, ihm in die Stadt zu folgen.
Um das Jahr 429 nahm der Tod diesen heiligen Bischof hinweg, und Hilarius fühlte den lebhaftesten Schmerz über seine Trennung von einem so zärtlich geliebten Freund. Er tröstete sich jedoch mit dem Gedanken, er hat dieses Leben nur verlassen, um vollkommen die Freiheit der Kinder Gottes zu genießen. Sein erster Gedanke war, den Weg nach dem stillen Lerins wieder einzuschlagen. Allein kaum hatten die Einwohner von Arles von seiner Abreise erfahren, als sie den Entschluss fassten, ihn auf dem Weg einzuholen. Einige von ihnen ritten ihm daher nach und brachten ihn in die Stadt zurück, wo er einstimmig zum Oberhirten erwählt, und obgleich er erst 29 Jahre alt war, zum Bischof geweiht wurde.
Die bischöfliche Würde gab den Tugenden des Heiligen neuen Glanz. Er verdemütigte sich umso mehr, je höher er über die anderen erhoben war. Seine Bedürfnisse waren sehr gering, und nie gestattete er sich mehr, als das unumgänglich Notwendige. Im Winter und im Sommer trug er dasselbe Kleid. Mit der Betrachtung der Heiligen Schrift verband er das Gebet, Fasten und Wachen. Bei der Sorge für seine eigene Heiligung bemühte er sich zugleich, das Heil der ihm anvertrauten Herde zu bewirken, indem er ihnen unausgesetzt das Brot des göttlichen Wortes brach. Er hatte bestimmte Stunden für die Handarbeit, und der Zweck, den er sich dabei vorsteckte, war, etwas zur Vermehrung seiner Almosen hierdurch zu gewinnen. Allzeit wählte er aber eine Arbeit, wobei er dem Gebet obliegen konnte. Nie reiste er anders als zu Fuß. So sehr hatte er die widerspenstige Natur bezwungen, dass er in ungetrübter Seelenruhe lebte, und nie durch die kleinste Ungeduld hingerissen wurde.
Die Gabe, das göttliche Wort zu verkündigen, war beim heiligen Hilarius bewunderungswürdig. Wenn er mit den Weisen dieser Welt redete, drückte er sich mit jener Anmut, Zierlichkeit und jenem Wortlaut aus, wie es großen Rednern eigen ist. Allein, wenn er Ungebildete zu unterrichten hatte, änderte er seinen Vortrag so, dass auch die Unwissendsten seine Rede fassen konnten. Mit besonderer Gewandtheit wusste er, sogar in den vertrautesten Unterweisungen, eine einfache und ungeschmückte Sprache mit der Würde des Evangeliums zu verbinden. Er predigte die Wahrheit ohne Schminke, und ohne jemals den Großen zu schmeicheln. Wir wollen nur ein Beispiel zur Bestätigung des Gesagten anführen. Schon oft hatte er einen Richter der Provinz, der mit krimineller Parteilichkeit sein Amt verwaltete, im Geheimen gewarnt, ohne jedoch die geringste Wirkung hervorzubringen. Eines Tages, da er predigte, trat diese zur Obrigkeit gehörige Person mit ihren Unterbeamten in die Kirche. Kaum hatte er dies wahrgenommen, als er seine Rede unterbrach. Die Zuhörer waren erstaunt, er aber sagte, dass ein Mensch, der so oft die Mahnungen, die ihm für sein Seelenheil gegeben worden, vernachlässigt habe, nicht verdiene mit dem göttlichen Wort, wie das gläubige Volk, gespeist zu werden. Der Richter, betroffen über diese Bemerkung, errötete und ging in sich. Der Heilige nahm dann wieder den Faden seiner Rede auf und setzte sie fort. Da er eines Tages bemerkte, dass mehrere Personen nach Verlesung des Evangeliums aus der Kirche gingen und gerade zu der Zeit, wo er predigen wollte, rief er sie zurück mit den Worten: „Es wird euch nicht so leicht sein, den finsteren Behältern der Hölle zu entgehen, wenn ihr das Unglück habt, hineinzustürzen.“
Die Liebe, mit der der Heilige für die Armen wirkte, kannte keine Grenzen. Und um ihnen reichlicheren Beistand leisten zu können, lebte er selbst in der äußersten Armut. Er verkaufte, um die Gefangenen zu lösen, sogar die geheiligten Kirchengefäße, und bediente sich, bei der Feier der heiligen Geheimnisse, gläserner Kelche und Patenen. Von seiner Teilnahme an den körperlichen Leiden, können wir zuversichtlich auf sein Mitleid den Seelenkranken gegenüber schließen. Er bewies sich den Schwachen gegenüber als zärtlicher Vater, ohne jedoch die Vergebung ihrer Leidenschaften zu begünstigen. Wenn er jemanden eine Kirchenbuße auferlegte, vergoss er selbst die bittersten Tränen, und erweckte dadurch in dem Bestraften den glühendsten Bußeifer. Er strebte auch, durch seine Seufzer und Gebete, den Unglücklichen von Gott die Gnade lebendiger Zerknirschung zu erbitten. Sein Eifer umfasste die ganze Provinz, und er besuchte selbst die Bischöfe, um sie zu ermahnen, dass sie Jesus Christus dem obersten Seelenhirten sich immer gleichförmiger machen möchten. Er stiftete mehrere Klöster und führte in ihnen die trefflichste Ordnung ein. Er stärkte sich zur Ausübung aller bischöflichen Tugenden durch die Beispiele des heiligen German von Auxerre, mit dem er durch die Bande der innigsten Freundschaft vereinigt war, den er seinen Vater nannte, und als einen Apostel verehrte. Während seiner bischöflichen Amtsführung hielt er mehrere Konzilien, in denen er den Vorsitz hatte (Konzil von Riez 439, 1. Konzil von Orange 441, Konzil von Vaison 442, und wahrscheinlich das Konzil von Arles 443). Bei allen Menschen behauptete er sich in dem hohen Ansehen, das ihm seine Tugenden erworben hatten. Seinem Eifer und seiner Klugheit hat man auch hauptsächlich die disziplinarischen Verordnungen, die in allen diesen Versammlungen erlassen wurden, zu verdanken.
Bei der unerschütterlichen Festigkeit, mit der der heilige Hilarius das Gute zu befördern suchte, konnte es nicht fehlen, dass er sich auch Feinde zuzog. Einige von ihnen unterlegten seinen Handlungen eine böse Absicht, und machten dem heiligen Papst Leo eine nachteilige Schilderung von ihm. Man muss indes eingestehen, dass der Eifer des Bischofs von Arles bei gewissen Gelegenheiten nicht die gehörigen Schranken beobachtete. Allein dies kam keineswegs von einer Leidenschaftlichkeit her. Der Heilige hatte sich in seiner Gutmütigkeit getäuscht, denn seine ganze Handlungsweise erlaubt es nicht, über ihn ein anderes Urteil zu fällen. So diente auch das Missverständnis, das sich zwischen dem heiligen Leo und dem heiligen Hilarius erhob, dazu, den Eifer des ersten und die Geduld des anderen in hellerem Licht zu zeigen. Allein wir müssen bis auf den Ursprung dieses Streites zurückgehen.
Chelidonius, der Bischof von Besancon, war vom heiligen Hilarius seines Amtes enthoben worden. Die Beweggründe dieser Absetzung waren: 1. dass er vor seiner Weihe eine Witwe geheiratet hatte; und 2. dass er in seinem weltlichen Amt als Richter einen Menschen zum Tod verurteilt hatte. Hieraus schloss man, er habe die heiligen Weihen nicht empfangen können, da die Kanonen in solch einem Fall die Irregularität aussprächen. Chelidonius berief sich von diesem Urteil auf den römischen Stuhl, in der Hoffnung, dass ihm seine Rechtfertigung gelingen würde. Der heilige Leo unternahm es, die Sache zu untersuchen.
Da der heilige Hilarius erfuhr, dass sein Suffragan nach Rom gegangen ist, folgte er ihm nach. Er machte, obgleich mitten im Winter, die beschwerliche Reise zu Fuß. Der Papst hielt ein Konzil, um die fragliche Klagsache zu beurteilen; und der Bischof von Arles nahm unter den versammelten Vätern seinen Sitz. Da er die Irregularität des Chelidonius nicht zu beweisen versuchte, gab er durch sein Stillschweigen Veranlassung zu glauben, man habe ihm selbst über die fragliche Tatsache betrogen. Er behauptete indessen, die Sache des Bischofs müsse an Ort und Stelle durch Abgeordnete, die der Papst ernennen möge, untersucht und gerichtet werden. Hierin stimmten ihm einige Bischöfe aus Afrika zu. Man nahm aber auf seine Gründe keine Rücksicht, da schon öfters, wenn die verschiedenen Parteien sich auf Rom beriefen, das Gegenteil getan wurde. Der heilige Leo fällte demnach den Ausspruch, dass Chelidonius sich der ihm zur Last gelegten Irregularität nicht schuldig gemacht habe. Im Übrigen kam man miteinander überein, dass das gerichtliche Verfahren bei den Appellationen nur zur Kirchenzucht gehöre, und nach Lage und Umständen geändert werden könne.
Der heilige Hilarius wurde zu gleicher Zeit in eine andere Streitsache verwickelt, die ebenfalls sehr schwierig war. Projektus, ein Bischof seiner Provinz, hatte nämlich, da er krank geworden war, schnell den geweiht, den er zu seinem Nachfolger bestimmte. Als aber der Kranke wieder genas, hatte derselbe Sitz zwei Bischöfe. Der heilige Hilarius erklärte sich für den Letzterwählten, vielleicht weil Projektus nicht mehr imstande war, seinem Amt vorzustehen. Der Verfasser der Lebensbeschreibung des Heiligen lässt diese Sache im Dunkeln. Allein man hat alle Gründe zu glauben, dass der Metropolit dies aus guten Absichten tat. Übrigens waren die Regeln der Kirche hinsichtlich dergleichen Gegenstände noch nicht so durch die Kanonen festgesetzt, wie in den folgenden Zeiten. Der heilige Hilarius glaubte daher, dass er die ihm als Metropolit zustehende Gewalt nicht überschritten habe. Allein der heilige Leo, auf die wahren Regeln sich stützend, betrachtete die Sache von einem anderen Gesichtspunkt, und sprach sich dahin aus, dass die Weihe des Nachfolgers eines noch lebenden Bischofs den Gesetzen zuwider, vielen misslichen Folgen ausgesetzt, und geeignet sei, eine Spaltung in der Kirche zu veranlassen. Er verbot hierauf dem heiligen Hilarius in Zukunft irgendeinen Bischof zu weihen. Der Heilige erduldete ohne irgendeine Klage die gegen ihn gebrauchte Strenge, und tilgte durch seine Unterwürfigkeit den begangenen Fehler. Der heilige Leo selbst gewann dadurch eine große Hochachtung für ihn, und nannte ich in einem Brief, den er kurz nach dessen Tod schrieb, Hilarius, heiligen Andenkens.
Endlich unterlag der Heilige der Last der Arbeit und den strengen Bußübungen. Er starb am 5. Mai 449, in einem Alter von 58 Jahren. Der heilige Honoratus von Marseille, der uns seine Lebensbeschreibung hinterlassen hat, erzählt, dass er im Leben schon mehrere Wunderheilungen gewirkt habe. Im römischen Martyrologium wird der heilige Hilarius an diesem Tag genannt. Wir haben noch seine Grabschrift in einer unterirdischen Kapelle unter dem Hochaltar von Saint Honorat-les-Arles. Sie ist in eine große Marmortafel eingehauen, die in die Mauer eingefugt, aber in mehrere Stücke zerbrochen ist. In der Mitte des 12. Jahrhunderts sind seine Reliquien von St. Honorat, wo der Heilige begraben lag, in die Pfarrkirche zum heiligen Kreuz versetzt worden. Allerdings sind wegen der mehrfachen Weggabe dort fast keine mehr übrig.