Seliger Papst Innozenz XI., + 12. August 1689 – Gedenktag: 12. August

       

Ein Marianischer Heiliger auf dem Stuhl Petri

 

Der 7. Oktober 1956 erhielt eine besondere Bedeutung für die ganze Kirche, da der Heilige Vater, Papst Pius XII., einen seiner Vorgänger aus dem 17. Jahrhundert in die Zahl der Seligen aufnahm und damit zur Ehre der Altäre erhob. Es ist Papst Innozenz XI., über dessen Persönlichkeit und Wirken in folgenden Zeilen ein kurzes Bild gezeichnet werden soll.

 

Innozenz XI. – Benedetto Odescalchi – entstammte einem alten italienischen Geschlecht, das durch Handel reich geworden war und der Kirche bereits verdiente Männer geschenkt hatte. In Como, wo die Odescalchi beheimatet waren, wurde er am 19. Mai 1611 geboren. Aus den Kontakten mit zwei Kapuzinern, die er während seiner juristischen Studien in Neapel kennenlernte, gewann der Entschluss, sich dem geistlichen Stand zu widmen, immer mehr Gestalt in ihm. Die Priesterweihe empfing er zu Rom. Noch nicht 34 Jahre alt, erhielt der fromme und mildtätige Priester am 6. März 1645 von Innozenz X. den Kardinals-Purpur. Nachdem er bis 1650 als Legat zu Ferrara mit Erfolg tätig gewesen und vier Jahre dem Bistum Novara als Guter Hirte vorgestanden hatte, bat er aus Gesundheitsrücksichten um Entbindung von diesem verantwortungsvollen Amt. Er lebte dann in Rom still und zurückgezogen, Werken der Barmherzigkeit hingegeben. Von zeitgenössischen Zeugen, die sich alle voll des Lobes über ihn aussprechen, wurde er der zweite Carlo Borromeo, der Ruhm und die Ehre des Kardinalkollegiums genannt und als Heiliger gelobt und gefeiert. Als daher nach siebenwöchigem Konklave am 21. September 1676 seine Wahl zum Papst erfolgte, gab sich allgemeine Freude kund. Die Wahl war erst erfolgt, nachdem die Kardinäle durch Sonderbotschaft sich des Einverständnisses Ludwigs XIV. von Frankreich versichert hatten, der beim Konklave 1670 gegen Kardinal Odescalchi sein Veto eingelegt hatte.

 

Aber es war unvermeidlich, dass es bei dem ausgesprochenen Hang des französischen Königs zum fürstlichen Absolutismus, zur Staatsallmacht zwischen ihm und dem Oberhaupt der Kirche zu kirchenpolitischen Auseinandersitzungen und Kämpfen kam. Diese zogen sich dann auch durch die 13 Regierungsjahre Innozenz XI. hin.

 

Der erste Zusammenstoß erfolgte in der Frage des sogenannten Regalienrechtes, aufgrund dessen dem König Verwaltung und Einkünfte von frei gewordenen Bistümern und anderen kirchlichen Stellen für die Dauer der Nichtbesetzung zufielen.

 

Der zweite in der Frage des Gallikanismus, der das einträchtige Zusammenwirken von Kirche und Staat in Frankreich jahrhundertelang belastete. Diese Strömung forderte besondere Rechte für die französische Kirche und ließ gleichwertige Richtungen auch in anderen Ländern zeitweilig hochkommen. Die Reformbestrebungen des Josephinismus konnten nur nach dem Vorgang des Gallikanismus ausgedacht werden. In dem Febronianismus des Trierer Weihbischofs Hontheim, in den Emser Punktationen von 25. August 1786, im Wessenbergianismus tauchen Ableger des Gallikanismus auf deutschem Boden auf. Erst durch das Vatikanische Konzil konnte er endgültig überwunden werden.

 

Das größte Ziel, das sich der elfte Innozenz als die eigentliche Aufgabe seines Pontifikates gestellt hatte, war die Vertreibung der Türken aus Europa. Nach der Eroberung von Konstantinopel durch die osmanischen Truppen im Jahr 1453 und seiner Einverleibung in das türkische Reich war der Halbmond zu seiner ständigen Gefahr für das christliche Abendland und seine Kultur geworden. Der Papst sah es als seine besondere Verpflichtung an, die katholischen Fürsten zu einer heiligen Liga gegen den Erbfeind der Christenheit zusammenzuschließen. Seine Bemühungen führten endlich im Jahr 1683 zum erstrebten Bund. Der 12. September desselben Jahres brachte in dem Entscheidungskampf um den Entsatz Wiens den großen und vollständigen Sieg über das Türkenheer. Kleinliche Eifersüchteleien unter den christlichen Heerführern über ihren Anteil an dem errungenen Sieg konnten die Freude der Christenheit nicht beeinträchtigen. Der eigentliche Sieger des 12. September 1683 war und blieb der Papst, der durch seine großen Geldspenden die Kriegsführung ermöglicht hatte und dies auch in den folgenden Jahren tat, bis sechs Jahre später durch die Eroberung Belgrads ganz Ungarn für die Habsburger zurückerobert und damit dem kulturellen und politischen Einfluss des christlichen Abendlandes zurückgewonnen wurde. Der „Sonnenkönig“ Ludwig XIV. war der Liga nicht beigetreten, im Gegenteil hatte er sie zu hintertreiben und unmöglich zu machen versucht.

 

Es darf nicht wundernehmen, dass Innozenz XI. auf die Reinheit der kirchlichen Lehre sehr bedacht war. Während seiner Regierungszeit sind verfehlte Anschauungen mancher Theologen verurteilt worden. Im ersten Fall handelte es sich um 65 Sätze, die in verschiedenen Moralwerken von Jesuitentheologen enthalten waren und von denselben auch gelehrt wurden. Ein Dekret der Inquisition vom 2. März 1679 verwarf diese etwas zu leichten Lehren als ärgerniserregend und verderblich.

 

Im zweiten Fall handelte es sich um eine falsche Richtung im christlichen Tugendstreben, um den Quietismus des spanischen Priesters Michael Molinos. 1663 war er in die Stadt der Päpste gekommen, wo er sich in allen Kreisen eines recht großen Ansehens erfreute. Durch seinen Quietismus wollte er die Theorie und Praxis in der Aszese grundlegen und zur Verwirklichung bringen. Eigenes Tun und Streben (Mitarbeit mit der göttlichen Gnade) sei zur Erreichung der christlichen Vollkommenheit nicht notwendig, es genüge eine völlige Ruhe.

 

Man wird verstehen, dass solche Meinungen, die mit allen Auffassungen, die bisher vertreten und gelehrt wurden, gerade wegen ihres hochgeachteten Lehrers große Verwirrung in den Reihen der Gläubigen anrichteten. Nach eingehenden Erwägungen und Erörterungen verurteilte Innozenz durch päpstliche Bulle vom 20. November 1687 in feierlicher Form 68 Sätze, die von der Inquisition aus den Werken Molinos gesammelt und einige Monate zuvor beanstandet worden waren.

 

Gegen die Jansenisten und ihre strengen Forderungen, durch die den Gläubigen der Zutritt zum Tabernakel unnötig erschwert, vielfach sogar versperrt wurde, sprach sich ein Dekret der Konzilskongregation aus, das Bestimmungen über den öfteren und täglichen Empfang der hl. Kommunion erließ. Damit war für die damalige Zeit in der Kommunionpraxis der Kirche ein großer Schritt vorangetan und dem großen eucharistischen Pius X. der Weg bereitet, der die große eucharistische Bewegung unserer Tage einleitete.

 

Zur Gottesmutter trug der Papst eine kindliche Verehrung. Sein ganzes Leben und Wirken durchzieht ein unbegrenztes Vertrauen zur allerseligsten Jungfrau und Mutter des Erlösers. Wie Pius V. gut hundert Jahre zuvor den Seesieg bei Lepanto der mächtigen Schutzherrin zuschrieb, so erklärte Innozenz, die glänzenden Siege und Erfolge über das Türkenheer, die weltgeschichtliche Bedeutung erlangt haben, seien nur der Fürsprache Mariens, der Siegerin in allen Schlachten Gottes, zu verdanken. Der Papst, der Ende 1681 und Anfang August 1683 einen besonderen Ablass, wie er im Heiligen Jahr gewonnen werden kann, ausgeschrieben und die Gläubigen zu besonderen Gebeten aufgefordert hatte, sprach das verschiedentlich aus. Zur dauernden Erinnerung wurde durch ihn die Bruderschaft vom Namen Mariä zum Rang einer Erzbruderschaft erhoben und die Bestimmung getroffen, dass das Fest vom Namen Mariä in Zukunft am Sonntag nach Mariä Geburt zu feiern sei (jetzt am 12. September begangen).

 

Am 12. August 1679 beendete Innozenz XI. seine irdische Pilgerlaufbahn. Die Anteilnahme des Volkes, das zu Lebzeiten des Papstes wegen mancher Maßnahmen sich zurückhielt, war groß. Seine letzte Ruhestätte fand Innozenz in St. Peter.

 

Freund und Gegner stimmen in der Beurteilung seiner Person und seines Wirkens darin überein, dass er einer der edelsten Gestalten auf dem Päpstlichen Stuhl gewesen ist, dass er der bedeutendste Papst im 17. Jahrhundert war. Seine konsequente Haltung in der endgültigen Abwendung der Türkengefahr vom christlichen Abendland wird sein Andenken in der Geschichte immer mit besonderem Glanz umgeben. Der vorbildliche Papst traf schon gleich nach seinem Regierungsantritt eine Reihe Reformmaßnahmen. Von allen Seiten wurde es ihm hoch angerechnet, dass er sich von Nepotismus jeder Art vollständig freihielt.

 

Allgemein wurde es begrüßt, dass schon unter seinem dritten Nachfolger, Klemens XI., der von 1700-1721 die Kirche regierte, der Seligsprechungsprozess für Innozenz XI. in die Wege geleitet wurde. Aber wie Frankreichs König und seine Regierung schon mit dem lebenden Papst in schweren Kämpfen standen, so scheiterte schließlich die Fortführung des Prozesses in erster Linie am Widerspruch der französischen Regierung. Umso mehr ist es Papst Pius XII. zu danken, dass der Prozess wieder aufgenommen wurde und zur Seligsprechung am 7. Oktober 1956 geführt hat.

P. Wilhelm Nathem S.A.C.

„Rosenkranz“, Heft 10, Oktober 1956