Eine Perle unter den echten Märtyrerakten aus der ersten Zeit der Kirche sind die des heiligen Irenäus von Sirmium. Ihr Hauptteil besteht aus dem amtlichen Gerichtsprotokoll, wozu ein christlicher Schreiber einige einleitende und beschließende Sätze hinzufügte. In seiner schlichten Einfachheit spricht dieser Bericht auch heute noch mit lebendiger Gewalt zum Herzen des Lesers. Wir geben ihn hier wörtlich wieder. Vorausgeschickt sei noch, dass Irenäus vor seiner Wahl verheiratet war und Frau und Kinder hatte. Sirmium (heute Mitrovicza in Slawonien) war in der Römerzeit die Hauptstadt von Niederpannonien; es lag links an der Save, in der Nähe ihrer Mündung in die Donau.
Während der Verfolgung unter den Kaisern Diokletian und Maximian hatten die Christen verschiedene Arten des Glaubenskampfes zu bestehen. Sie unterzogen sich mit gottergebenem Sinn den über sie verhängten Martern und machten sich dadurch der ewigen Belohnung teilhaftig. Solches geschah auch mit dem Diener Gottes Irenäus, dem Bischof der Stadt Sirmium. Seinen Kampf will ich euch jetzt beschreiben und von seinem Sieg euch erzählen. Durch die ihm angeborene Bescheidenheit und Gottesfurcht, die aus allen seinen Handlungen hervorleuchtete, wurde er, seines Namens Irenäus d. i. der Friedfertige, würdig erfunden.
Er wurde also ergriffen und dem Probus, Statthalter von Pannonien, vorgeführt. Dieser sprach zu ihm: „Gehorche den göttlichen Befehlen und opfere den Göttern!“ Irenäus antwortete: „Wer den Göttern und nicht Gott opfert, wird zugrunde gehen.“ Probus sagte: „Die allergnädigsten Herrscher haben befohlen, entweder müsse man opfern oder unter Qualen sterben.“ Irenäus erwiderte: „Mir ist geboten, lieber mich zu Tode peinigen zu lassen, als Gott zu verleugnen und den Dämonen zu opfern.“ Darauf der Statthalter: „Entweder opfere, oder ich lasse dich foltern.“ Irenäus antwortete: „Ich freue mich darüber, wenn du das tust. So nehme ich doch an dem Leiden meines Herrn teil.“
Da befahl der Statthalter, ihn zu foltern. Als der Heilige gar schmerzlich gepeinigt wurde, sprach der Statthalter zu ihm: „Was sagst du jetzt, Irenäus? Opfere doch!“ Irenäus antwortete: „Ich opfere meinem Gott, dem ich allzeit geopfert habe, dadurch, dass ich ihn freiwillig bekenne!“
Als aber seine Eltern herbei kamen und sahen, wie er gefoltert wurde, beschworen sie ihn flehentlich. Auch seine Kinder umschlangen seine Knie und sprachen: „Vater, hab Mitleid mit dir und uns!“ Auch die Frauen jammerten und beschworen ihn bei der Blüte seines Aussehens und seines Alters. Alle Verwandten und Angehörigen des Hauses waren traurig und weinten, die Nachbarn und Freunde brachen in lautes Wehklagen aus und alle riefen ihm zu: „Hab doch Mitleid mit deinem noch jugendlichen Alter!“ Aber wie gesagt, ihn hielt höheres Verlangen aufrecht. Er hatte jene Worte des Herrn vor Augen, wo es heißt: „Wenn mich jemand vor den Menschen verleugnet, den werde auch ich vor meinem himmlischen Vater verleugnen“ (Mt 10,33). Er beachtete sie also nicht; auch gab er ihnen keine Antwort mehr; denn er eilte, das zu erreichen, wozu ihm ein höherer Ruf Hoffnung machte (Eph 1,18).
Der Statthalter Probus aber sprach: „Höre doch! Lass deinen Starrsinn durch die Tränen dieser hier beugen. Sorge für dein junges Leben und opfere!“ Irenäus antwortete: „Ich sorge auf ewig für mich, wenn ich nicht opfere!“ Da ließ ihn Probus wieder in den Kerker zurückführen. Darin musste er mehrere Tage bleiben und verschiedene Qualen ausstehen.
Nach einiger Zeit wurde der selige Märtyrer Irenäus mitten in der Nacht, da der Statthalter zu Gericht saß, wiederum vor ihn geführt.
Probus sprach zu ihm: „Opfere nun, sonst sollst du büßen!“
Irenäus antwortete: „Tu, was dir geboten ist! Von mir aber erwarte so etwas nicht!“
Probus wurde hierüber zornig und ließ ihn mit Knütteln schlagen.
„Ich habe einen Gott,“ sprach Irenäus, „den ich von frühester Kindheit an zu verehren gelehrt worden bin. Ich bete ihn an, der mich jederzeit stärkt. Ihm opfere ich auch. Die Götter aber, die durch Menschenhand gemacht sind, die kann ich nicht anbeten!“
„So empfange denn zum Lohn dafür den Tod!“ sagte Probus. „Die Strafen, die du bereits erduldet hast, könnten dir zwar schon genug sein.“
Irenäus antwortete: „Ich empfange in der Tat den Tod zum Lohn, da jene Strafen, durch die du mich zu quälen glaubst, die ich aber für nichts achte, mir von Gott das ewige Leben verschaffen.“
Probus sprach: „Hast du eine Frau?“ Irenäus antwortete: „“Nein.“ Probus: „Hast du Kinder?“ Irenäus: „Nein.“ Wiederum Probus: „Hast du Eltern?“ Irenäus antwortete: „Nein!“ Da sprach der Statthalter: „Wer waren dann aber jene, die bei dem letzten Verhör weinten?“ Irenäus antwortete: „Es ist ein Gebot meines Herrn Jesus Christus, der da sagt: Wer Vater oder Mutter oder Frau oder Kinder, Geschwister oder Eltern mehr liebt als mich, ist meiner nicht wert“ (Mt 10,37). Der Märtyrer Christi richtet also seinen Blick gen Himmel zu Gott. Er vertraute fest auf die göttlichen Verheißungen, nahm auf alles Übrige keine Rücksicht und beteuerte, außer Gott niemand zu kennen und zu haben. Probus sprach: „So opfere wenigstens um jener willen.“ Irenäus sprach: „Meine Kinder besitzen den Gott, den auch ich besitze. Er kann sie behüten. Du aber handle nach dem, was dir geboten ist!“ Probus sprach: „Junger Mann, sei auf dich bedacht; opfere, damit ich dich nicht nochmals foltern lasse.“ Irenäus antwortete: „Tu, was du willst! Du wirst sehen, welche Standhaftigkeit Christus der Herr mir gegen deine Nachstellungen verleiht.“ Probus sprach: „Ich werde sogleich das Urteil fällen.“ Irenäus erwiderte: „Ich wünsche mir Glück dazu, wenn du das tust!“
Probus sprach nun folgendes Urteil: „Irenäus soll wegen Ungehorsams gegen die königlichen Befehle in den Fluss gestürzt werden.“ Irenäus sagte darauf: „Vielfache Drohungen und Qualen erwarte ich, dass du mich dann erst durchs Schwert würdest hinrichten lassen. Doch du hast nichts von all dem befohlen. Ich bitte dich daher, gib Befehl zur Ausführung, damit du erkennst, wie die Christen gewohnt sind, wegen des Glaubens an Gott den Tod zu verachten.“
Probus zürnte nun über die Zuversicht des heiligen Mannes und befahl, ihn durchs Schwert hinzurichten. Doch der heilige Märtyrer Gottes dankte Gott, gleich als empfinge er eine weitere Siegespalme, und sprach: „Ich danke dir, mein Herr Jesus Christus, der du mir unter so vielen Peinen und Qualen Standhaftigkeit verliehen hast und mich in Gnaden deiner ewigen Glorie teilhaftig machen willst.“
Da er nun zur basentinischen Brücke kam, legte er seine Kleider ab, hob die Hände gen Himmel und betete also: „Herr Jesus Christus, der du für das Heil der Welt freiwillig gelitten hast, möge mir dein Himmel offen stehen! Mögen die Engel die Seele deines Dieners Irenäus aufnehmen, da ich deines Namens und deines Volkes wegen, das ich in der katholischen Kirche von Sirmium dir erwarb, das alles erdulde. Ich bitte dich und flehe zu deiner Barmherzigkeit, dass du mich gnädig aufnehmen und jene in deinem Glauben bestärken wollest!“
Hierauf wurde er von den Schergen enthauptet und sein entseelter Leib in den Savefluss geworfen.
Der heilige Diener Gottes Irenäus erlitt den Martertod am 25. März, als Diokletian Kaiser, Probus aber Statthalter war, unter der obersten Herrschaft unseres Herrn Jesus Christus, dem Ehre ist von Ewigkeit zu Ewigkeit.