Eine alte Legende erzählt das Leben der seligen Ivetta oder Jutta, deren Todestag auf den 13. Januar 1227 fiel, folgenderweise:
In der Lütticher Diözese in den Niederlanden lebte auf einem Schloss, Hojo genannt, ein edles Jungfräulein, die Tochter vermöglicher Eltern, ausgestattet mit allen guten Eigenschaften. Als die das dreizehnte Jahr erreicht hatte, wollte ihr der Vater einen Mann geben, fand auch solchen, und wählte hierzu einen Jüngling aus der Familie Satanako. Zwar weigerte sich Ivetta, allein der Vater blieb bei seinem Entschluss und die Tochter musste gegen ihren Willen in den Ehestand treten.
Nach fünf Jahren nahm Gott ihren Gemahl aus diesem Leben hinweg. Ivetta war Witwe, obwohl erst achtzehn Jahre alt, und ihre drei Kinder waren Waisen geworden. Wieder redete ihr der Vater zu, sich einen Gatten zu nehmen, doch diesmal blieb sie standhaft und siegte über den Willen des Vaters. Dem himmlischen Bräutigam hatte sie sich jetzt verlobt, ihm wollte sie für immer ihr Herz weihen, ihm beständige Treue bewahren. Doch blieben ihr die Versuchungen nicht erspart. Ihr Vorsatz sollte geprüft und hierdurch gefestigt werden. Besonders lag ihr einer der Verwandten an, machte sich oft, der Kinder wegen, bei ihr zu tun, und suchte solcherweise die junge Frau für sich zu gewinnen.
Da geschah es einmal, dass sich Veranlassung gab, es sollte dieser besorgte Freund und Ivetta in demselben Haus die Nacht zubringen – eine teils erwünschte, teils höchst gefürchtete Gelegenheit. – Ivetta bereitete sich auf das Herandringen der Gefahr mit Eifer vor – sie brachte die ganze Nacht betend und wachend hin. Als sie merkte, dass sich jemand ihrem Schlafgemach näherte, rief sie mit aller Inbrunst zur glorreichen Jungfrau, um Rettung aus dieser Bedrängnis, wo einerseits ihre Tugend, andererseits ihr und des jungen Menschen guter Name der Gefahr ausgesetzt war. Da erschien eine ehrwürdige Frau, von den Stufen des oberen Hauses voll Majestät herabschreitend. Ivetta erkannte in ihr die glorreiche Himmelskönigin. Der Versucher wurde nicht gewürdigt, sie zu sehen, wohl aber vernahm er ihre Schritte, und ergriffen von Scham und Schrecken eilte er von dannen. Ivetta aber verharrte in Gebet und Dank gegen Gott und Maria, die Helferin aller Bedrängten.
Dies alles bekam der keuschen Ivetta sehr wohl. Wenige Tage danach aber hatte sie eine höchst eigentümliche Erscheinung. Es kam ihr nämlich, da sie schlafend im Bett lag, vor, sie sehe Christus den Herrn samt der seligsten Jungfrau Maria. Jesus erschien hier als Richter, fällte mancherlei Urteil, auch Ivetta kam an die Reihe und sollte ob ihrer Sünden willen zur ewigen Strafe verurteilt werden. Schon zittert die Arme vor Furcht und Bangen ob des strengen Gerichts, da wirft sich Maria ihrem göttlichen Sohn zu Füßen, fleht zu ihm für Ivetta und erwirkt Gnade und Erbarmen. Nach diesem Gesicht erwachte sie und voll Liebe und Dank gegenüber Maria unterließ sie ihr ganzes Leben hindurch nicht, ihre milde Fürsprecherin aufs eifrigste zu verehren und für ihre Fehler und Sünden Buße zu tun. – Nicht nur gegenüber Armen und Kranken zeigte sie sich barmherzig und gütig: die Elendesten erfreuten sich der größten Sorgfalt von Seite Ivettas. – Sechsunddreißig Jahre brachte sie von da an in einer abgesonderten Wohnung einer Klause zu, denn sie hatte die Regel der Zisterzienser angenommen. Sie wurde mit der Gabe der Prophezeiung beschenkt und sagte unter anderen ihren eigenen Tod vorher, der dann am obengenannten Tag und Jahr erfolgte.