Seliger Johann Nepomuk von Tschiderer, Fürstbischof von Trient, + 3.12.1860 – Gedenktag: 3. Dezember

 

Der Name Trient, der kleinen Bischofsstadt in Tirol, hat in der Geschichte der Kirche ob des bedeutungsvollen Konzils, das dort von 1545 bis 1563 abgehalten wurde, die Größte Berühmtheit erlangt. Kein Konzil hat für Festigung des Glaubens und Verbesserung der Sitten und damit für die wahre Reformation der Kirche so umfassend und nachhaltig gewirkt wie das Trienter. Als man den dreihundertsten Jahrestag der Eröffnung der Kirchenversammlung beging, da saß auf dem Bischofsstuhl zu Trient ein Mann, der vollkommen den Anforderungen entsprach, die das Konzil von den Hirten der Kirche verlangte. Der Fürstbischof Johannes Nepomuk von Tschiderer war für seine Person ein frommer, ganz heiligmäßiger, kirchlich treu ergebener Bischof, für seinen Sprengel aber wirkte er wie ein wahrer Reformator an der Erneuerung und Hebung der Gläubigen im Sinne der Konzilsbeschlüsse.

 

Es war eine traurige Zeit – sie nennt sich Aufklärung –, in welche die Jugend des Sprossen der alten, angesehenen Adelsfamilie von Tschiderer-Gleifheim in Bozen fiel, des am 15. April 1777 geborenen Johann Nepomuk. Seine Gymnasial- und Universitätsjahre in Bozen und Innsbruck tragen das Merkmal ernster Lernarbeit, inniger Frömmigkeit und engelreiner Unschuld an sich. Unter der „aufgeklärten“ Geistes- und Studienrichtung jener Tage, die den christlichen Glauben seines übernatürlichen Charakters entkleidete und das Wesen der Kirche vollständig verkannte, die überdies einer sittlichen Ungebundenheit huldigte, waren die Gefahren für den Glauben und die Tugend der Studierenden überaus große. Dass der junge Tschiderer beides in ungetrübtem Glanz bewahrte, verdankte er hauptsächlich, von dem festen Grunde, den eine fromme Mutter gelegt hatte, abgesehen, dem erfahrenen Jugendfreund und Seelenführer Pater Herkulan Oberrauch, Franziskaner, der damals als hervorragender Moraltheologe und Lehrer der Kirchengeschichte an der Universität Innsbruck und als sehr geschätzter Gewissensberater ein erfolgreicher Vorkämpfer gegen das Illuminatentum (Aufklärichtwesen) wurde. Unter seiner Leitung erkannte Tschiderer auch seinen Beruf immer klarer und wandte sich der Theologie zu. Das Mittel, das Pater Herkulan Oberrauch zur Festigung und Bewahrung der Studierenden vor dem Verderben durch den Unglauben anzuwenden pflegte, war dasselbe, das auch der hochselige Pius X. so dringend anempfahl, den häufigen Empfang der Sakramente. Pater Herkulan schrieb die beherzigenswerten Worte: „Aus den Tausenden von jungen Leuten, die ich leitete, weiß ich nicht einen einzigen, den ich ohne wenigstens zweimalige wöchentliche Kommunion unverdorben erhalten hätte; und dass von den unzähligen, die sich nimmermehr helfen ließen, beinahe alle dem Unterlassen der heiligen Sakramente es zuzuschreiben hatten, dass sie zugrunde gingen, dessen bin ich mir gar wohl bewusst.“ Bei seinen Mitschülern war Johannes wegen seiner großen Sittenreinheit so angesehen, dass sie ihn nicht selten einen heiligen Aloisius nannten. Sein einnehmendes freundliches Wesen wirkte anziehend auf viele; er aber mied auf das sorgfältigste jede zu innige Vertrautheit. Die ganz unkirchliche Behandlung der theologischen Lehrgegenstände durch geistliche Professoren, die damals vielfach an den Verirrungen des Rationalismus (einseitiger Verstandesherrschaft) litten, ging spurlos an ihm vorüber, ohne seine Liebe und Ehrfurcht gegen die Kirche zu beeinträchtigen. So empörte ihn einmal der Vortrag eines Professors derart, dass der sonst so bescheidene Jüngling aufstand und ihm zurief: „Verzeihen Sie, aber Sie sind ein Sophist“ (= spitzfindiger Wahrheitsverdreher).

 

Am 27. Juli 1800 empfing von Tschiderer die Priesterweihe und wirkte als Kooperator in Lengmoos und Unterinn auf dem Ritten, dann in St. Pankraz in Ulten zur allgemeinen Erbauung des Volkes und zur vollsten Zufriedenheit seines jeweiligen Pfarrers. Zwischenhinein hielt er sich ein halbes Jahr, vermutlich weiterer Ausbildung halber, in Rom auf. Beachtenswert ist, dass er hierbei zum apostolischen Protonotar ernannt wurde (1803), welche Auszeichnung der bescheidene junge Priester immer geheim gehalten hat. Trotzdem muss er schon während seiner seelsorglichen Hilfstätigkeit, die er nur schüchtern und ängstlich übernommen hatte, die Aufmerksamkeit weiterer Kreise auf sich gezogen haben. Denn 1807 wurde Tschiderer durch ein königlich bayerisches Dekret – im Frieden von Preßburg 1805 waren Tirol und Vorarlberg an Bayern gekommen – zum Moralprofessor am wiederhergestellten Priesterseminar in Trient ernannt. Nach dreijähriger eifriger Lehrtätigkeit wurde er 1810 in Sahrntal und 1819 in Meran Pfarrer und Dekan. Da hatte der überaus seeleneifrige Mann reichlich Gelegenheit, die äußere Seelsorge, die in den Tiroler Bergen auch eine gewaltige körperliche Leistung von dem Einzelnen verlangt, nach jeder Beziehung kennen zu lernen. Seiner großen Arbeitsfreude entsprach eine erstaunliche Arbeitskraft, die der Sahrntaler Dekan freiwillig noch steigerte, um die jüngeren Hilfsgeistlichen zu schonen. Als Katechet und Jugenderzieher ging er seinen Mitbrüdern mit einem ganz außerordentlichen Beispiel voran. War es doch mit dem Schulwesen damals im Fürstentum Trient nicht sehr gut bestellt. Was die josephinische

Gesetzgebung den Geistlichen noch ließ, das wollte er mit doppeltem Eifer pflegen. Im Sahrntal gründete er fünf neue Schulen.

 

Was an der charaktervollen und sympathischen Erscheinung Tschiderers am kräftigsten auf seine Seelsorgskinder wirkte, auf die Schuljugend wie auf das Jünglings- und Mannesalter, das war sein persönliches Beispiel, worin er das wahre Priesterideal verwirklichte. Im Gebets- und Tugendleben bildete er die Form für die Herde. Seine Andacht bei der heiligen Messe war sprichwörtlich. Seine ungewöhnliche Frömmigkeit und engelgleiche Reinheit hütete er durch strengsten Bußgeist. Nach außen und gegen den Nebenmenschen hatte der Diener Gottes aber keineswegs etwas Strenges oder Absonderliches an sich, vielmehr gab er sich ganz wie andere Leute auch, liebte heiteren Scherz und machte als Pfarrer auch einmal ein Spielchen mit, wenn er damit anderen eine Gefälligkeit erweisen oder sie seinem seelsorglichen Einfluss zugänglicher machen zu können glaubte. Freundlichkeit, Güte und Sanftmut in Behandlung anderer zeichnete ihn aus. Oft war er geradezu erfinderisch, um eine milde, schonende Form für seine Ermahnungen und Zurechtweisungen zu finden. Dies gilt um so mehr für sein späteres hohes Amt. Wollte aber alle Güte nichts fruchten, so konnte Tschiderer auch einmal kräftig dreinfahren. Mild in der Form, fest in der Sache war sein Grundsatz. So gewann er einen gewaltigen Einfluss auf andere. Worin bestand das Geheimnis, dass er alle an sich zog und die Leute von nah und fern zu seinem Beichtstuhl strömten? Seine milden, herzlichen Ermahnungen ließen einen unverwischbaren Eindruck zurück. Immer suchte er den gesunkenen Mut des Beichtenden mit neuem Vertrauen zu beleben. Als Oberhirte legte er seinem Klerus immer ans Herz, doch ja im Bußgericht den Guten Hirten nachzuahmen.

 

Die Freigebigkeit des Dieners Gottes kannte keine Grenzen. Was er besaß, gehörte den Armen. Er konnte kein Elend sehen, ohne es zu lindern. Dabei wartete er nicht, bis man ihn um Hilfe bat, vielmehr suchte er, so weit möglich, die Bedrückten selber auf. Viele meinten, das sei das größte Wunder seines Lebens, dass er immer etwas zum Geben hatte. Seine eigene Lebensweise war höchst sparsam, ja ärmlich. Zudem wussten mildtätige Personen, wie gut er ihre Gaben verwendete, und ließen darum seine Almosenquelle nie versiegen. Scherzhaft bemerkte man von ihm: „Wenn Johann von Tschiderer einmal heiliggesprochen wird, muss er „Johannes der Almosengeber“ heißen.“ Die große Milde und Selbstvergessenheit des Seligen entsprangen seiner großen Demut und geringen Selbsteinschätzung. Er war tatsächlich der Diener aller. „Je geringer eine Person war, desto freundlicher und scherzhafter war der Herr Dechant mit ihr“, sagte ein Zeuge von ihm. Rücksichtnahme auf seine eigene Person kannte er nicht. Ehren und Würden suchte er nicht. Zu zwei neugeweihten Priestern sprach er einmal, schon Bischof geworden: „Sehen Sie, nun sind Sie mit einer großen Würde bekleidet, aber suchen Sie in ihr nicht Ämter und Ehren. Ich meinesteils würde, wenn ich noch hundertmal auf die Welt zu kommen hätte, alle hundert Male wieder Priester werden, aber ich würde ein abgelegenes Bergdörflein vorziehen und wollte nicht Bischof sein, das nicht.“

 

Was der selige Diener Gottes nicht wollte, was er wegen der großen Verantwortung fürchtete, was er zum wenigsten suchte, weil die Demut in ihm sich dessen für unwürdig und untauglich hielt, dazu hat die göttliche Vorsehung gerade ihn berufen. Nach 16 Jahren pfarrlicher Seelsorgetätigkeit wurde Johann Nepomuk von Tschiderer ins Domkapitel von Trient berufen; nach zwei Jahren übernahm er die einflussreiche Stelle eines Provikars für den deutschen Anteil der Diözese und schon 1832 wurde er von dem ausgezeichneten Fürstbischof Galura von Brixen zum Generalvikar von Vorarlberg bestellt und zum Weihbischof geweiht. Aber nur zwei Jahre weilte Tschiderer in dieser Stellung in Feldkirch; schon am 15. Juli 1834 wurde er von Kaiser Franz I. zum Fürstbischof von Trient erhoben. Volle 26 Jahre widmete er nun alle seine Kräfte einzig seinem erhabenen Amt. Diesem ist er in jeder Hinsicht gerecht geworden, so schwierig auch die Zeitlage und die einem gedeihlichen Wirken entgegenstehenden Hindernis sein mochten.

 

Vor allem galt es, den schädlichen Einfluss der rationalistischen und jansenistischen Irrtümer zu unterbinden. Unkirchliche Professoren am Innsbrucker Generalseminar, verfängliche, falschem Freiheitsgeist dienende Lehrbücher in den Mittelschulen wie an den Hochschulen und Seminarien förderten diese Irrtümer, die josephinische Gesetzgebung schränkte die freie Entfaltung der kirchlich-religiösen Kräfte ein und untersagte selbst den Verkehr mit Rom. Andererseits war auch die französische Strenge hinsichtlich Ausspendung der heiligen Sakramente eingedrungen, so dass an manchen Orten der Diözese der Empfang der heiligen Sakramente stark zurückgegangen war. Bei Bekämpfung dieses Übels fand der Fürstbischof manchen Widerstand. Doch ließ er sich nicht entmutigen. Das Übel bei der Wurzel angreifend, war er sehr auf eine gesunde, kirchliche, aszetisch-wissenschaftliche Heranbildung des Klerus bedacht, entfernte allmählich die nichtentsprechenden Professoren von seinem Seminar, gab ihm vorzügliche Vorgesetzte und Lehrer, nahm selbst an den Prüfungen teil, ermunterte zur Abfassung guter Bücher und stattete damit die Seminarbibliothek aus. Mit Energie drang er auf Wiedereinführung der Pastoralkonferenzen und Priesterexerzitien und wirkte durch privaten und brieflichen Verkehr erfolgreich an der Reformierung seiner Diözese. Zweimal hat er sie persönlich, trotz ihrer großen Ausdehnung, durchvisitiert. Für sich kannte er keine Schonung. Da er seinen Klerus väterlich liebte und schützte, fand er an ihm auch wieder freudigste Mitarbeit und Gegenliebe.

 

Schule und Unterricht lag dem Fürstbischof Tschiderer nicht minder am Herzen als dem ehemaligen eifrigen Pfarrer. Er gründete mehrere Institute für die verschiedenen Arten des Unterrichtes, förderte andere Anstalten in ausgiebiger Weise, unterstützte die Lehrorden, sorgte für gute Lehrer und nahm sich auch um ihre Hinterbliebenen an. Als nach Tischiderers Tod der Schulkampf ausbrach, standen die Katholiken durch seine Voraussicht gerüstet da. – Für die Lösung der sozialen Frage besaß der mitleidige und liebevolle Vater der Seinen ein feines Verständnis, womit er praktisch ein grenzenlos wohltätiges Herz verband. Oft blieb ihm kein Heller mehr übrig und er musste selber Schulden machen, um alles zu befriedigen. Einmal hatte er sogar schon seine Ehrengeschenke, Brustkreuze usw. zum Verkauf zugunsten der Cholerakranken fortgeschickt.

 

Das Geheimnis der erfolgreichen Wirksamkeit des ehrwürdigen Mannes in den verschiedensten Verhältnissen war seine Persönlichkeit, sein persönliches Eingreifen, seine anerkannte Güte, seine Heiligkeit. Das hat lichtvoll das tolle Jahr 1848 erwiesen. Am 19. März hatte die aufgeregte Menge bereits das Trienter Steuer- und Gefällegebäude erbrochen und geschleift und wollte nun auch die Kassen und das Kornhaus erstürmen. Da erschien auf einmal der Fürstbischof unter der Menge und sprach auf die Erregten ein. Wie das Volk seinen Bischof sah, verstummte das Geschrei. Die Kasse des Staatsärars, wohin Tschiderer sich gewandt hatte, war gerettet. Bei strömenden Regen ging es dann zum Kornhaus, das der Pöbel schon mit Knütteln und Äxten umlagerte, während das Innere mit Militär besetzt war. Dasselbe Schauspiel wiederholte sich. Ja, die revolutionäre Kundgebung wurde zu einem Triumphzug für den Fürstbischof, den eine große Volksmenge unter Jubel und Hochrufen zum Rathaus begleitete, wo ihn dann der Vizebürgermeister vor allem Volk bat, er möge die Schlüssel der Kornhalle an sich nehmen und aufbewahren.

 

Als Fürstbischof Johannes Tschiderer am 3. Dezember 1860 starb, hinterließ er seiner Diözese ein verjüngtes religiöses und kirchliches Leben, sich selbst aber den Ruf eines Heiligen. Das zeigte sich schon in auffallender Weise bei den Leichenfeierlichkeiten. Das Gedränge der Massen konnte kaum polizeilich in Schranken gehalten werden. Alle wollten ein Fleckchen von seinen Kleidern oder sonst eine Reliquie oder ein Bild von ihm haben. Sein Grab in der Domkirche blieb auch in der Folgezeit von Betern umlagert und besucht. Die private Verehrung wuchs, als die ersten Gebetserhörungen bekannt wurden. Ganz auffallende Krankenheilungen erfolgten durch Auflegen von Kleiderreliquien. Der Prozess über die Heiligkeit seines Lebens wurde 1873 in Trient eröffnet und 1886 in Rom aufgenommen mit der ersten Auszeichnung seitens der Ritenkongregation durch den Titel „Ehrwürdig“ für den im Leben so demütigen Diener Gottes. Der günstige Abschluss des Seligsprechungsprozesses wurde erwartet. Johann Nepomuk von Tschiderer wurde schließlich durch Papst Johannes Paul II. 1995 seliggesprochen.

 

Güte ist jene Liebe, die sich aufrichtig freut mit den Freuenden und herzlich trauert mit den Trauernden. Güte ist darum auch bereit, wo und wann immer sie kann, zu geben, zu helfen, zu lindern, zu trösten. Güte ist eine Gabe des Heiligen Geistes. Milde ist der der liebenswürdige Ausdruck der Güte. „Die Güte und Menschenfreundlichkeit Gottes“ ist in unserem Heiland sichtbar auf Erden erschienen (Titus 3,4) Sie muss auch in uns Leben gewinnen! Denn der Geist Christi, der Heilige Geist ist der beste soziale Reformator. Er muss das Angesicht der Erde erneuern!