Heute wird das Fest der 1286 in die himmlische Herrlichkeit eingegangenen seligen Johanna von Toulouse gefeiert. Wer hätte glauben mögen, dass zur Zeit, da die Albigenser in Südfrankreich wüteten, noch Überreste katholischen Glaubensleben haben bestehen können? Dennoch erhielt sich der Funke unter der Asche und entwickelte sich wieder zur hellen Flamme. Davon zeugt die Tatsache, dass bereits am Ende des vierzehnten oder zu Anfang des fünfzehnten Jahrhunderts die Karmeliten in jener Gegend eine überaus gesegnete Wirksamkeit entfalten konnten. Bei ihrem Kloster zu Toulouse lebte Johanna von Toulouse als Reklusin (= Klausnerin), eine Art weltliche Tertiarin des Ordens. Johanna war im Königreich Navarra geboren und entstammte einem edlen Geschlecht. Edler noch als ihr Geblüt war aber ihre Gesinnung, kraft derer sie aus Liebe zu Gott auf die Annehmlichkeiten des Ehelebens verzichtete und im jungfräulichen Stand ein Leben strengster Buße führte. Sie verbrachte die Nächte größtenteils mit Gebet, die Tage mit der Erziehung junger Knaben, die sie zu einem frommen Leben anleitete, damit sie zum Eintritt in den Karmelitenorden, unter dessen Leitung sie selber stand, geeignet seien. Sie aß wenig, schlief auf bloßer Erde oder auf ein wenig Stroh und betete täglich den ganzen Psalter. Zahlreich sind die Wunder und Zeichen, die sie bei ihren Lebzeiten wirkte, und nicht weniger die, die nach ihrem Tod auf ihre Anrufung hin geschahen. Da der Ruf der Heiligkeit und Wunderkraft Toulousaner und Auswärtige in ungezählter Menge zu ihrem Grab in der Karmelitenkirche zu Toulouse führte, ließ der Erzbischof der Stadt, Bernardus de Bosergio (1452-1474) den heiligen Leib erheben und in einem würdigeren Schrein beisetzen. Schon im Jahr 1510 beantragten die Väter des zu Neapel abgehaltenen Generalkapitels die Einleitung des Seligsprechungsprozesses. Leider wurde er später nicht weitergeführt. In den siebziger Jahren des neunzehnten Jahrhunderts begann man Johanna wieder eifriger zu verehren. Auf ihre Anrufung erlangten viele Erhörung in schweren Anliegen. Papst Leo XIII. bestätigte durch ein apostolisches Dekret, die der Dienerin Gottes seit urvordenklichen Zeiten erwiesene Verehrung sei lobenswert und dürfe ihr auch fernerhin erwiesen werden. Gegenwärtig ruht ihr heiliger Leib in der Privatkapelle einer vornehmen Tertiarin des Karmelitenordens zu Toulouse (1897).