Die heiligen Faustinus und Jovita, Märtyrer
„Die Seelen der Gerechten“, so heißt es im Lied, „sind in Gottes Hand. Der Bösen Folterwerkzeug kann sie nicht erreichen. Sterbende waren sie in den Augen der Toren, sie aber sind im Frieden.“
In diesen wenigen Worten ist bereits das ganze Leben der beiden Heiligen zum Ausdruck gebracht.
Zunächst muss von Faustinus und Jovita festgestellt werden, dass sie leibliche Brüder und in einem norditalienischen Städtchen beheimatet waren. Um das Jahr 100 nach Christi Geburt kamen sie als Söhne christlicher Eltern in heidnischer Umgebung zur Welt. Schon in ihren jungen Jahren betätigten sich beide eifrig als Laienapostel. Trotz der herrschenden Christenverfolgung wollten sie kühn und draufgängerisch Freunde und Nachbarn für den Glauben an Christus gewinnen. Als später Faustinus zum Priester und Jovita zum Diakon geweiht wurden, kannte ihre Verwegenheit bald keine Grenzen mehr. Die beiden waren das Herz und die Seele in der langsam aufblühenden Christengemeinde ihrer Heimatstadt, bis sie verhaftet wurden. Am gleichen Tag begann auch ihr Martyrium, welches sich von den Folterqualen anderer Blutzeugen besonders dadurch unterscheidet, dass es von Wundern glanzvoll umsäumt war.
Zunächst sollten Faustinus und Jovita im Zirkus den wilden Tieren vorgeworfen werden. Man stelle sich ein großes Stadion vor mit Tausenden von aufsteigenden Sitz- und Stehplätzen, die alle ohne Ausnahme von einer erwartungsvollen Menschenmenge besetzt sind. Vor den Blicken der schwatzenden Neugierigen stehen in der Mitte des Zirkus hochaufgerichtet, ohne das geringste Zeichen von Angst zu zeigen, strahlenden Blickes die Brüder, der Priester Faustinus und der Diakon Jovita. Auf einmal erzittert die Luft von dem dröhnenden, grauenerregenden Gebrüll zweier ausgehungerter Löwen. Da verstummt auch gleich das Gemurmel der Zuschauer. Totenstille tritt ein. Die Spannung erreicht den Höhepunkt, als die wilden Tiere aus den sich öffnenden Käfigen hervorstürmen und sich mit blutgierigem Blick und fletschenden Zähnen auf ihre Opfer stürzen. Aber was ist das? Fünf Schritte vor Faustinus und Jovita stehen sie. Wie von einer geheimnisvollen Macht angehalten, stehen sie, still, ducken sich, kriechen winselnd näher und belecken wie liebkosend die Füße der Glaubenshelden. Sie tun dies eine ganze Weile lang, bis Faustinus befehlend die Hand ausstreckt und sagt: „Marsch, in den Käfig zurück!“ Kaum ist das Wort gefallen, da springen die Löwen auf und rennen in ihren Käfig zurück.
Doch in dem gleichen Augenblick, als dies geschieht, löst sich die unerträgliche Spannung in der Zuschauermenge und knallartig ertönt aus tausend Kehlen der Ruf: „Zauberei! Zauberei! Ins Feuer mit den Zauberern! Ins Feuer! Ins Feuer!“
In aller Eile errichtet man im Zirkusrund einen Scheiterhaufen, auf dessen Spitze die beiden Brüder an Pfählen angebunden werden. Und als man den Holzstoß anzündet, legt sich erneut eine atemlose Stille auf die Zuschauermasse. Gierig fressen die Flammen das trockene Reisig und plötzlich umlodert das Feuer die Glaubenszeugen mit einem lebensgroßen leuchtenden Heiligenschein, sie selbst aber bleiben unverletzt.
Wieder entlädt sich die maßlose Enttäuschung der Menge durch einen neuen Sprechchor: „Zauberei! Zauberei! Ins Meer mit den Zauberern! Ins Meer! Ins Meer!“ Sofort folgt dem Ruf die Tat. Faustinus und Jovita werden ins Meer geschleudert. Aber die Wellen tragen die beiden spielend ans Land zurück, wo man sie gleich danach enthauptet und sie dadurch der Himmelskrone teilhaftig macht. Da endlich ist der Hass der Menge gesättigt, aber viele von den Zuschauern, jene, die nachdachten und tiefer schauten, bekehrten sich auf die Wunder hin, die sie mit eigenen Augen gesehen hatten, zu Christus. So bestätigte sich wieder einmal die bekannte Tatsache, dass das Blut der Martyrer zum Samen wird, aus dem die vielfältige Frucht neuer Christen erwächst.
Gott versteht es wirklich ausgezeichnet, aus allem Bösen etwas Gutes zu gestalten.