Genserich, König der Vandalen, ein eifriger Verfechter des Arianischen Irrtums, verfolgte mit unmenschlicher Grausamkeit die katholischen Christen. Das Land um Rom bis an das äußerste Italien wurde von ihm, der keine Barmherzigkeit kannte, in eine Wüste verwandelt. Rom selbst wurde gerettet, weil Genserich in Papst Leo – der Macht des Höchsten nicht widerstehen konnte, in dessen Hand die Ratschläge und alle Gewalt der Könige ist.
Im Jahr 439 nach Christi gnadenreicher Geburt, zog er in Karthago ein. Mehrere Tage wurde die Stadt geplündert. Die Heiligtümer der Kirche wurden nicht verschont; alle Reichen und Angesehenen dieser Stadt fielen durch die Schärfe des Schwertes, oder wurden vertrieben, oder als Leibeigene auf öffentlichem Markt verkauft.
Unter denen war auch eine sehr schöne und vornehme junge Frau, Julia mit Namen. Sie war ihrer Frömmigkeit und ihres christlichen Eifers wegen in der ganzen Stadt bekannt. Ein syrischer Kaufmann Eusebius erhandelte sie und führte sie mit sich in sein Vaterland. Obwohl von Jugend auf gewohnt sich bedienen zu lassen, befleißigte sie sich in freudigem Gehorsam anderen zu dienen aus Liebe zu Jesus Christus, dem sie ihren Leib und ihre Seele für immer geopfert hatte. „Gott hat es nun so über mich verhängt, ihm will ich mit unerschütterlichem Vertrauen mich überlassen, er wird mich leiten und schützen. Sein heiligster Wille wird alles zum Besten leiten.“ Das waren ihre Tröstungen.
Oft betrachtete Julia ihren gekreuzigten Heiland, seine namenlose Pein und Marter, und brannte vor Begierde, auch zu seiner Ehre leiden und sterben zu können. – Ihre Sittsamkeit, ihre Sanftmut, ihr Fleiß im Dienst ihres Herrn und ihr Verstand gewannen ihr die Zuneigung des Eusebius in kurzer Zeit und in so hohem Grad, dass er oft sagte, er wollte lieber all sein Hab und Gut, als diese seine Sklavin verlieren. Eusebius sprach ihr oft zu, nicht zu streng zu fasten, – sie fastete täglich, den Sonntag ausgenommen – und sich mehrere Vergnügungen zu erlauben. Julia aber sah wohl ein, dass nur durch eine anhaltende Strenge gegen sich selber sie zur Überwindung aller Versuchungen und Gefahren, die ihr in ihrer Umgebung beständig drohten, gelangen könnte. Doch mehr, als ihre ängstliche Behutsamkeit, ihr Stillschweigen und das sorgfältige Vermeiden aller Gefahr, schützte sie ihr Ernst und eine überall feste und sich gleichbleibende Entschlossenheit, vor Verletzung ihrer jungfräulichen Ehre; und diese edlen Gaben verlieh ihr der Himmel in so hohem Maße, dass auch die sittenlosesten und frechsten Menschen sich in ihrer Gegenwart keine unzüchtigen Gebärden, ja nicht einmal ein unanständiges Wort erlaubten.
Alle Zeit, die ihr der mühselige Dienst übrig ließ, brachte Julia mit Lesen einiger geistlicher Bücher zu, die sie insgeheim von Karthago mitgenommen hatte, im Gebet und in der Betrachtung des bitteren Leidens und des schmerzhaften Todes Jesu Christi. Das Bildnis des Gekreuzigten verwahrte sie beständig an ihrer Brust. War sie allein, so nahm sie es hervor, kniete vor ihm, benetzte es mit Tränen, und bat öfters: „Christus, du Sohn Gottes, lass mich doch auch mein Blut für dich vergießen, wie du es unschuldiger Weise für mich arme Sünderin vergossen hast.“ Da betete sie dann auch zu der allerheiligsten Jungfrau: „O heilige Mutter Gottes, deren Seele das Schwert des Schmerzes durchdrang, flehe doch zu deinem allerliebsten Sohn, dass er mich, ihm ähnlich, durch den Martertod in seine Herrlichkeit einzugehen würdige.“ Es wurde aber zunehmend unwahrscheinlicher, dass sie ihres Glaubens wegen den Martertod erleiden sollte. Denn von Tag zu Tag wuchs die Hochachtung ihres Herrn und die Ehrerbietung aller Hausgenossen vor einer Religion, die Julia mit so vielen und so großen Tugenden ausschmückte.
Wahrscheinlich hatte sie in kurzer Zeit viele ihrer Hausgenossen zum christlichen Glauben bekehrt. Da nahm aber Eusebius eine lange Reise in Handelsgeschäften vor. Julia musste ihn nebst anderer Dienerschaft auf der Reise begleiten. Nahe bei Kasto in Korsika ließ Eusebius die Anker werfen; und da er vernahm, dass die Einwohner, die meistens Heiden waren, ein großes Fest halten, wollte er ihm ebenfalls beiwohnen. Eusebius war mit all den heidnischen Schiffsleuten in einen großen heidnischen Tempel gegangen, wo man soeben dem Götzen einen Ochsen zum Opfer schlachtete.
Während, nach vollendetem Opfer, sich alles der ausgelassensten Freude überließ und man aß und trank, während Musik gemacht und Lieder auf das Lob der Götter gesungen wurden, da kamen zufällig Leute des Statthalters an das Meergestade und sahen da im Schiff des Eusebius eine Frau, die am Boden kniend ihre Hände andächtig betend faltete. Darüber sich verwundernd, hinterbrachten sie es ihrem Herrn, dem Statthalter, und da fand es sich, dass es Julia, die christliche Sklavin des Eusebius, war, die den Götzendienst verabscheuend, während des Götzenfestes im Schiff geblieben war und da zum Gott der Christen betete. Felix, der Statthalter der Insel, ein eifriger Anhänger des Götzendienstes, sagte zu Eusebius, den er bereits zu sich an die Tafel geladen hatte: „Warum gestattest du es, dass jemand von deinen Leibeigenen unsere Götter verachtet und den Gott der Christen anbetet?“ Darauf erwiderte Eusebius: „Erlauchter Felix! Glaube ja nicht, dass ich mich nicht schon seit mehreren Jahren eifrigst bemüht habe, diese meine Magd von diesem Glauben abwendig zu machen, aber umsonst. Weil sie aber sonst ein unsträfliches Leben führt, mir sehr treu dient und mit viel Verstand meinem ganzen Hauswesen wohl vorsteht, so habe ich schließlich abgelassen auf sie einzureden, dass sie ihren Aberglauben aufgebe.“
„Das ist aber nicht recht“, versetzte Felix, „du solltest sie entweder entlassen oder zwingen, dass sie den Göttern opfere.“ „Von ihrem Glauben abwendig machen“, sagte Eusebius, „kann ich sie nicht, daneben ist sie mir so lieb geworden, dass ich sie nicht gern entlassen möchte.“ Felix antwortete darauf: „Verkauf sie mir, Eusebius! Und bestimme den Kaufpreis; oder wenn du kein Geld dafür nehmen willst, so magst du dir unter meinen Sklavinnen für sie vier aussuchen, die dir am besten gefallen werden.“ Eusebius spricht: „Dein ganzes Vermögen würde mir nicht ausreichen dafür, was meine Sklavin wert ist, auch würde ich lieber alles, als sie verlieren.“
Felix sah wohl, dass er auf diesem Weg nichts ausrichte und nahm daher seine Zuflucht zu einer List. Während der Mahlzeit setzte er dem Eusebius so sehr und anhaltend mit Wein zu, dass er ihn völlig berauschte und so um alle Besinnung brachte. Darauf ließ er durch seine Sklaven Julia zu sich führen, damit er sie zum Götzendienst verleite oder aber öffentlich beschäme und beschimpfe. Felix redete die Heilige, als sie vor ihm erschien, mit sanften Worten folgendermaßen an: „Bilde dir nicht ein, dass man deiner spotten wolle. Ich habe von deiner Jugend viel rühmen gehört. Du bist eines besseren Glückes wert und sollst nicht länger eine Sklavin bleiben. Zu deinem Glück will ich dir verhelfen, nur musst du dich entschließen, in unserm Tempel den Göttern ein Opfer zu bringen. Willst du dann auf dieser Insel bleiben, so werde ich dich nach deiner adeligen Herkunft und nach deinen ausgezeichneten Geistes- und Leibesgaben vorteilhaft verheiraten; wenn nicht, so will ich dich auf meine Unkosten bringen lassen, wohin du verlangst.“ Julia antwortete mit ehrerbietigen Worten, aber kühn und unerschrocken: „Mir fehlt die wahre Freiheit nicht, da ich das Glück habe, Christus zu dienen; denn nur wo sein Geist ist, da ist Freiheit. Ich verlange keinen anderen Stand und kein anderes Glück hienieden, indem ich die höchste Glückseligkeit, die allein eine Glückseligkeit zu heißen verdient, jenseits im Himmel erwarte. Deine Götzen aber verachte ich und zittere vor dem Gedanken, ihnen Ehre zu erweisen; denn du sollst wissen, ich bin eine Christin und auch bereit für meinen Glauben zu sterben.“ Felix vergaß sich völlig vor Zorn, da er seine Götter im Angesicht aller Leute so sehr beschimpft sah, und befahl daher den Umstehenden, die Slavin ins Angesicht zu schlagen. Julia, blutend aus Nase und Mund, sprach: „Mein Gott und Erlöser ist auch mit Backenstreichen geschlagen worden und wie freue ich mich seiner Schmach teilhaftig zu werden!“ Noch wütender, sich so verhöhnt zu sehen, befiehlt Felix, Julia auf die Folter zu spannen und mit Stricken zu schlagen. Unter den gräulichsten Martern schrie sie laut zu Gott: „Sei ewig gebenedeit, mein Gott, mein Heiland, wegen der großen Barmherzigkeit, die du mir schenktest! O ich Glückselige! Wenn ich doch leiden könnte, wie du gelitten hast. Wie man mir die Haare ausrauft, so hat man dein heiliges Haupt mit Dornen gekrönt; wie man mich mit Stöcken schlägt, hat man deinen heiligen Leib mit Ruten- und Geißelhieben ganz zerrissen! Wie man mich mit Schimpf- und Schmachworten überhäuft, so bist du mit Unbilden gesättigt worden. Preis dir, o Gott, Allmächtiger, der du mir Gnade gibst, zu deiner Ehre zu leiden!“ Während all diesen und anderen Worten, die Julia bei der Marter sprach, war ihr Angesicht fröhlich, ja mit einem himmlischen Glanz verklärt. Felix, ganz außer sich vor Wut, ließ alsdann einen Galgen aufrichten und die Heilige daran aufhängen. Als Julia den Galgen erblickte, rief sie freudig aus: „O Jesus Christus! O Übermaß der Gnade und Erbarmung Gottes! Ich glaubte, du erachtest mich arme Sünderin nicht für würdig, gleich dir und zu deiner Ehre am Galgen zu sterben, wie du am Kreuzesholz für alle gestorben bist; o mein Gott, nimm gnädig auf das Opfer meines Lebens, das ich dir hier darbringe. Erbarme dich aber auch dieser blinden Leute, verzeih ihnen meinen Tod und erleuchte sie durch deinen heiligen Geist!“ Kaum hing sie am Galgen, so gab sie ihren Geist auf. – Die Zeugen ihres Todes wurden nun auf einmal von einer unaussprechlichen, unerklärbaren Angst getrieben und ergriffen in aller Eile die Flucht. Eusebius, vom Rausch erwacht, kam zu spät, um seine teure Sklavin zu retten und weinte neben ihrer Leiche.
Zur selben Zeit wurde den Mönchen eines benachbarten Klosters auf der nahen Insel Gorgona oder St. Margaretha von den heiligen Engeln der Tod der heiligen Julia geoffenbart und ihnen befohlen, den Leichnam zu begraben. Die Mönche begaben sich alsbald auf ein Schiff, landeten in Korsika, und fanden den Leichnam der Heiligen, lösten ihn vom Galgen und führten ihn zurück zu ihrem Kloster. Die Mönche der nahen Insel Kapria oder Kabrera begleiteten mit ihren Palmzweigen in den Händen und unter Psalmengesang den Leichnam in die Kirche des Klosters, wo er in ein kostbares Grab gelegt wurde. Da ruhte er bis im Jahr 763, als der König der Langobarden Desiderius ihn ausgraben und in seinem Gebiet in Meszia in die neue Kirche des von ihm erbauten schönen Frauenklosters übersetzen ließ, wo seine Tochter Angelberga Äbtissin war. Später wurde diese Kirche viel kostbarer und neu erbaut und von da an die Julia-Kirche genannt.
An dem Ort in Korsika, wo die Heilige am 22. Mai den Martertod erlitt, ist eine Quelle. Über diese wurde eine Kapelle erbaut. – In unterschiedlichen Anliegen sprachen die Hilfesuchenden die heilige Julia um ihre Fürbitte bei Gott an; und Gott verherrlichte die Heilige durch wunderbare Gebetserhörungen.