Die Verfolgung des Valerian hatte schon mehrere Martyrer der Kirche geschenkt, als berühmteste in Rom den heiligen Diakon Laurentius, in Karthago den großen Bischof Cyprian. Dieser hatte in einem Brief an Successus geschrieben, seine Schüler und „Kleriker wären alle nach der Frömmigkeit ihres Herzens zu der unvergänglichen himmlischen Herrlichkeit bereit“. Ein so zuversichtliches, trostvolles Vertrauen eines geistlichen Vaters auf seine Schüler hat der Erfolg wirklich bewährt. Wohl war nach des Prokonsuls Galerius Maximus Tod, der den Cyprian verurteilt hatte, einige Zeit Ruhe. Als aber die Härte des Provinzverwesers Solon einen blutigen Aufstand unter der Bevölkerung von Karthago hervorrief, befriedigte dieser, anstatt die wirklich Schuldigen zu ermitteln, seine Zorneswut an den Christen. Durch deren Hinopferung mochte er hoffen, die heidnische Bevölkerung für sich zu gewinnen. Eine Menge von Christen aus allen Ständen, Männer, Frauen und Kinder wurden eingekerkert. Vor allem sollten die Priester mit dem Tod bestraft werden. Während die Zeugnisse über den Martertod so vieler christlicher Helden jener afrikanischen Verfolgung verloren gingen, sind uns über acht Bekenner des Glaubens die Passionsakten glücklich erhalten geblieben. Sie sind zum großen Teil von den Martyrern, wohl von Flavian, selbst verfasst, zum Teil von einem Christen, der alles miterlebt hatte, ergänzt worden und zählen zu den kostbarsten und echtesten Denkmalen des christlichen Altertums. Sie sind auch ein wertvolles geschichtliches Zeugnis, dass wahre christliche Mystik, d.h. die von der Gnade bewirkte Vereinigung mit Gott, die bis zum einfachen Schauen und Wahrnehmen der übernatürlichen Wahrheiten sich vertiefen kann, von Anfang an, auch in der ruhmreichen Zeit des Martyriums, Gottes huldvolles Brautgeschenk und tröstliches Erbgut der Kirche gewesen ist. Gerade die von inniger Gottverbundenheit zeugenden merkwürdigen Erlebnisse der priesterlichen Martyrer Montan und Flavian sind der „deutlichste Beweis dafür, dass die Christenheit jener Tage im Martyrium ein besonderes Unterpfand für die Erfüllung mit mystischen Gnaden erblickte“.
Die Namen dieser acht Blutzeugen Christi sind: Montanus, Lucius, Julian, die Priester waren, der Diakon Flavian und Viktorinus und Renus, die ebenfalls Kleriker waren, ferner die Katechumenen Primolus und Donatian. Das ursprüngliche Vorhaben des Prokurators, sie lebendig verbrennen zu lassen, wendete der Herr, in dessen Hand die Worte und Herzen der Mächtigen sind, gnädig ab. Ein Kerker von tiefster Finsternis, dessen Qualen nach ihrem eigenen Geständnis alle Vorstellungen überstiegen, nahm sie auf. Aber „das Licht des Glaubens erhellte die dunkle Grabesnacht, in die sie wie in den Himmel stiegen. Je größer die Pein, umso größer ist der, der sie in ihnen überwindet. Hat er doch dem Tod den Stachel zerbrochen, da er mit dem Siegeszeichen des Kreuzes über ihn triumphierte.“ Durch Hunger, Durst und Erschöpfung sollten die treuen Bekenner abschwören oder erliegen. Donatian, dem Verschmachten nahe, wurde getauft und ging alsbald auf unbeflecktem Pfad von der Taufe zum Martyrium. Dem Primolus wurde das Bekenntnis des Namens Jesu zur Begierdetaufe im Sterben. Es gelang jedoch den Gläubigen der Stadt in der größten Not die duldenden Brüder zu besuchen und mit Lebensmitteln zu erquicken. Noch erhebender waren die Tröstungen, die der allgütige durch mehrfache Traumgesichte seinen Getreuen sandte.
In einem solchen Gesicht war dem Renus gezeigt worden, wie den Christen, die man aus dem Gefängnis herausführte, eine brennende Lampe vorangetragen wurde. Wie freuten sich da die armen Gefangenen! Durften sie doch der tröstlichen Zuversicht sich hingeben, in Gemeinschaft mit Christus zu sein, der „eine Leuchte ist für unsere Füße“, und inmitten der tiefsten Finsternis doch im wahren Licht zu wandeln. Auf die frohe Nacht folgte ein froher Tag. Denn welcher echte Bekenner frohlockt nicht, für seinen Herrn und Gott Zeugnis ablegen zu dürfen? Der Prokurator rief sie zum Verhör. Hierzu wurden sie auf öffentlichem Markt, mit klirrenden Ketten beladen, bald dahin, bald dorthin geführt, da die Soldaten ungewiss waren, wo das Verhör stattfinden sollte. Das aber war den frommen Duldern nur ein Trost, weil sie die Süßigkeit länger genießen konnten, über das bevorstehende Glück reden zu können. „O Herrlichkeit dieser Fesseln, rufen sie aus, o allen erwünschte Ketten! O Eisen, glorreicher und kostbarer als das beste Gold! Wie lieblich war das Geklirre dieses Eisens!“ Bei solch himmlisch-froher Stimmung bestätigte das Verhör nur neuerdings die Festigkeit ihres Bekenntnisses, verschärfte dadurch aber auch wiederum ihre ohnehin schon unerträglich harte Lage. Sie erhielten jetzt in fünf Tagen nur einmal ein wenig Brot und Wasser; sogar den Erkrankten versagte man den erfrischenden Trunk.
Die Martyrer sollen nicht nur standhaft, sondern auch von fleckenloser Reinheit sein, um recht gottgefällige Opfer zu werden. Sie bleiben aber doch Menschen bis zuletzt mit all den menschlichen Schwächen und Fehlern. Da hat dann Gottes Vatergüte in Visionen warnend und bessernd die Stimme erhoben. Zwischen Montanus und Julian war eine Meinungsverschiedenheit entstanden wegen einer abtrünnigen Frau, die sich wieder zur christlichen Gemeinschaft halten wollte, und infolgedessen blieb Montanus, der feurige strenge Mann, kalt und verstimmt gegen Julian. Da erhielt er in der Nacht eine Offenbarung. Er sah die römischen Hauptleute kommen und ihn auf ein weites Gefilde führen, wo ihm Cyprian und ein anderer Martyrer begegneten. Hell erglänzte der ganze Raum, Montanus Gewand wurde weiß und licht, noch lichter sein Leib und so durchsichtig, dass bis ins Innerste des Herzens zu schauen war. Welch ein Schrecken! Montan schaut Flecken in seiner Brust, dunkle, dunkle Flecken. Zugleich ist es ihm klar: Diese Flecken an seiner Seele sind die Spuren der Uneinigkeit mit seinem Mitbruder. O Allgütiger, Dank für diese Mahnung!
Monate vergingen in der qualvollsten Haft. Endlich wurde das Urteil gesprochen und die Martyrer, mit Ausnahme Flavians, zum Richtplatz geführt. Zahlreich strömten Christen und Heiden zusammen. Die Heiterkeit auf dem Antlitz der Zeugen Christi gab kund, wie glücklich sie über ihre nahe Verherrlichung waren. Hätten sie auch nicht geredet, ihr Beispiel allein wäre eine laute Predigt gewesen. Lucius, von Natur zart gebaut und von schüchterner, sanfter Bescheidenheit, war durch die schweren Leiden und Krankheiten so geschwächt, dass er fürchtete, in dem gar zu großen Gedränge der Menge um das Glück zu kommen, sein Blut vergießen zu können; darum ging er mit wenigen Begleitern voraus. Als die Brüder ihn baten, ihrer zu gedenken, rief er in rührender Demut: „Gedenket ihr vielmehr meiner“, als ob er mitten in der Passion der Herrlichkeit noch nicht sicher sei.
Dann kamen die übrigen, Julian, Viktorinus und Renus. Zuletzt aber Montanus, stark an Körper und Geist, wie er immer gewesen war, wenn er ohne Ansehen der Person fest und standhaft predigte, was die Wahrheit erforderte, schien jetzt, nahe dem Tod, noch an Kraft zu wachsen. Mit Prophetenstimme rief er den Heiden zu: „Wer den Göttern opfert und nicht dem Herrn allein, wird ausgerottet werden.“ Die Irrlehrer beschwor er, doch aus der Menge der Martyrer die Wahrheit der Kirche erkennen zu wollen und zu ihr zurückzukehren. Den Abgefallenen gab er zu bedenken, dass ihre Aussöhnung mit der Kirche von ihrer vollkommenen Buße abhänge, den Getreuen empfahl er die Standhaftigkeit, den Jungfrauen die Heiligkeit, den Priestern und Vorgesetzten legte er Liebe zum Frieden und einmütige Gesinnung ans Herz. So hatte er für alle ein Wort der Ermunterung. Schon kam der Scharfrichter, um das Schwert über ihren Häuptern zu schwingen, da streckte Montanus seine Hände gen Himmel aus und flehte mit lauter Stimme, dass der zurückgebliebene Flavian ihnen in zwei Tagen folgen möge. Wie um seine Bitte zu bekräftigen, zerriss er das Tuch, mit dem ihm die Augen verbunden wurden, in zwei Stücke und bat, das eine Stück für Flavians Hinrichtung aufzubewahren. So schied Montanus, mit dem Panzer des Glaubens und dem Helm des Heils gerüstet, aus diesem Land der Prüfung ins Land der Vollendung.
„Brüder, wir müssen die Eintracht der Liebe festhalten und mit dem Band dieser Liebe verbunden bleiben! So wird der böse Feind niedergeworfen und wir erhalten alles, um was wir den Herrn bitten, wie er verheißen hat: „Wenn zwei von euch einig sind auf Erden, so wird ihnen mein Vater geben, um was sie immer bitten werden.“ Wir werden auch auf keine andere Art das ewige Leben erhalten und die Erbschaft Gottes erlangen, als dass wir Frieden halten mit den Brüdern. Hat der Herr ja selbst verkündet: „Selig sind die Friedfertigen, denn sie werden Kinder Gottes genannt werden.“ Das erklärt der Apostel: „Wenn wir Kinder sind, dann auch Erben, Erben Gottes, Miterben Christi.““
Aus den Martyrerakten