Karl Caraffa, aus dem Geschlecht der Herzoge von Andria, geboren im Jahr 1561 auf dem Schloss di Mariglianella unweit Nola, trat als Sechzehnjähriger in das Noviziat der Gesellschaft Jesu, das vor kurzem der dritte General, Franz Borgias, in dieser Stadt gegründet hatte. Seine Eltern und Verwandten waren aber mit diesem Schritt durchaus nicht zufrieden, und da schriftliche Bemühungen erfolglos blieben, kamen sie persönlich in das Kollegium und führten Karl, der noch nicht eingekleidet war, gegen seinen Willen mit sich nach Hause.
Er war nur dem Leib nach bei den Seinigen, dem Geist nach in den Exerzitien, die er im Kollegium bereits einige Tage geübt hatte. Er setzte das strenge Leben, das er dort begonnen hatte, im väterlichen Hause fort, übte sich in Fasten, Nachtwachen und anderen Bußwerken und war taub gegen die Stimme des Blutes. Wenn ihn seine Verwandten zu einem freieren Leben zu verleiten suchten. Da man an ihm immer eine stille Trauer bemerkte, und die Hoffnung aufgab, ihn von seinen Gedanken abzubringen, erhielt er endlich die Erlaubnis, in die Sozietät wieder zurückzukehren, wo er mit Freuden aufgenommen und zum Noviziat zugelassen wurde. Nachdem zwei Jahre des Noviziats verflossen waren, wurde er in das Kollegium zu Rom geschickt, um seine Studien fortzusetzen. Mit allem Fleiß studierte er Philosophie und Mathematik, und machte hierin, da er einen ungemein scharfen Verstand besaß, die herrlichsten Fortschritte. Dabei versäumte er das wichtigste nicht, seine Heiligung, und übte sich in allen Werken der Gottseligkeit. Aber diese Anstrengungen des Geistes und die Veränderung der Luft wirkten nachteilig auf seine leibliche Gesundheit. Er erkrankte an einem Fieber, das von Tag zu Tag zunahm. Alle erdenklichen Mittel wurden angewendet, aber mit keinem anderen Erfolg, als dass er eine Menge Blut auswarf, was auch später der Fall war, so oft ihm eine Medizin gereicht wurde. Da er nun die Unmöglichkeit sah, in einem solchen Zustand der Sozietät nützlich werden und in ihr verharren zu können, bat er um seine Entlassung und erhielt sie auch, nachdem er schon fünf Jahre in der Gesellschaft Jesu gewesen war. Auch in Nola dauerte sein Zustand noch an, und erst nach Verlauf von fast drei Jahren erlangte er seine vollkommene Gesundheit wieder, was andere der Veränderung der Luft und den angewendeten natürlichen Mitteln zuschrieben. Er selbst jedoch war der Überzeugung, dass er die Wiedererlangte Gesundheit viel mehr der heiligsten Jungfrau zu verdanken habe, gegen die er immer eine besondere Andacht trug. Zur schuldigen Dankbarkeit entschloss er sich, eine Kirche samt Konvent für Religiosen zu errichten, übergab zu dem Ende den Dominikanern nicht weit vom elterlichen Schloss Haus und Garten, dotierte die Stiftung mit hinlänglichen jährlichen Einkünften und gab dem Ort den Namen: Unsere Liebe Frau von der Gesundheit.
Aber, - o Unbeständigkeit des Menschen! – allmählich verweltlichte sein Sinn. Er kleidete sich prächtig und ließ sich von seiner angeborenen Neigung, sich auszuzeichnen, hinreißen. Kriegsdienste schienen ihm hierzu das geeignetste Mittel. Er trat demnach in seinem 23. Jahr in die Armee, zog mit ihr im eben ausgebrochenen Krieg über die Alpen, zeichnete sich bei jeder Gelegenheit durch Mut und Tapferkeit aus, und wurde mit einer der höheren Offiziersstellen belohnt, ja die Republik Venedig trug ihm sogar die Oberfeldherrnstelle an, die er aber ausschlug, weil er seine Dienste der Krone Spanien allein widmen wollte. In dem 1598 ausgebrochenen Türkenkrieg zeichnete ihn der Generalissimus Petrus de Toledo durch besonderes Vertrauen aus, das Karl auch rechtfertigte.
Und mitten in den Unruhen des Krieges und bei aller Verweltlichung seines Herzens und seiner Sitten – ließ der junge Mann doch nicht von der Verehrung Mariens. Er fastete noch an allen ihrer Festtage mit Wasser und Brot und betete ihre Tagzeiten. Karl wurde einige Zeit danach, sei es Schulden halber oder wegen seines lasterhaften ärgerlichen Lebens überhaupt, von der Obrigkeit ins Gefängnis gesetzt. Die Einsamkeit in seiner Haft, die Schmach dieser Strafe öffneten einigermaßen die Augen seines Gemüts, er bereute seine Verirrungen und fasste den Entschluss der Lebensänderung. Als er aber in Freiheit gesetzt wurde, schien es ihm unmöglich, die angenommenen Gewohnheiten abzulegen, und er war nahe daran, sich neuerdings allen Ausschweifungen hinzugeben. Da traf es sich, dass ihn eines Morgens sein Weg an der Kirche, Maria di Regina cöli genannt, vorbeiführte. Er hörte die Chormusik und aus ihr den Gesang einer Nonne, die eine überaus liebliche Stimme hatte. Aus Neugierde trat er ein und blieb, mehr der vortrefflichen Musik wegen als aus Andacht, während des Hochamtes. Die Königin des Himmels lenkte bald seine Gedanken von der lieblichen Musik, die sein Ohr vernahm, auf die Wonnen des Himmels, in denen Engelstimmen ihr und ihres göttlichen Sohnes Lob singen. Solche und ähnliche Gedanken senkte die Mutter der Barmherzigkeit in das Herz dieses ihres ehemaligen Dieners, bis er, durchdrungen von schmerzlichster Reue, den festen Entschluss der augenblicklichen Lebensbesserung fasste, nach Hause eilte, sich in ein Zimmer verschloss, und unter einem Strom von Tränen Gott um Barmherzigkeit und Stärke für Ausdauer in der Buße bat, die er sogleich beginnen wollte, indem er aus seinem Haus entfernte, was Anstoß geben konnte. Er lässt sich das so sorgfältig genährte Kopf- und Barthaar wegscheren, begibt sich in seinem Soldatenkleid auf den Platz, wo die Genossen seiner zu warten pflegten, wirft den Hut auf den Boden, geht so, mitten durch die Gesellschaft dem Kollegium der Jesuiten zu, und begehrt einen Beichtvater, dem er alle Verirrungen seines Lebens und seine Pläne für die Zukunft entdeckt.
Von diesem Augenblick an, war nicht bloß sein Inneres, sondern auch seine ganze äußerliche Lebensweise verändert. Er sagte sich los von allen seinen Freunden und Genossen, ergab sich strengen Fasten, züchtigte seinen Leib durch Geißel und Bußgürtel, genoss kurzen Schlaf auf einem harten Bett, und teilte die Stunden des Tages zu geistlichen Übungen ein. Sein Verlangen ging dahin, Priester zu werden. Zu diesem Ende entschloss er sich, die unterbrochenen Studien fortzusetzen, und obwohl schon 34 Jahre alt, setzte er sich unter die jungen Studenten, und wurde, nachdem er fünf ganze Jahre mit allem Eifer den Wissenschaften oblag und unbezweifelbare Beweise der Bekehrung und seines Berufes gegeben hatte, zu den heiligen Weihen zugelassen. Als Priester vermehrte er noch seine Bußwerke, und hielt seinen Leib so streng, dass er bald nur mehr aus Haut und Bein zu bestehen schien.
All seine Zeit, sein Vermögen, seine Gesundheit, seine Talente, seinen Einfluss, den ihm seine früheren Verhältnisse und bald der Ruf seines heiligmäßigen Lebens in den Familien erworben hatte, alles widmete er nun dem Dienst seiner Mitmenschen zur Ehre Gottes und der heiligen Jungfrau Maria. Er gründete Krankenhäuser, in denen er den Leidenden alle, auch die niedrigsten Dienste erwies. Er stiftete Zufluchtshäuser für Büßende, die er bekehrt hatte, versammelte die Kinder um sich und unterwies sie in den Lehren des Glaubens, besuchte die Missetäter in ihren Gefängnissen, bereitete die Verurteilten zu einem guten Tod und begleitete sie zur Richtstätte, durchzog die Ortschaften als Bußprediger und hielt Missionen und verzehrte sich ganz in Werken leiblicher und geistlicher Barmherzigkeit. Er vereinigte diese Werke in eine Genossenschaft, die zwar keine eigentlichen Gelübde ablegte, aber nach bestimmten Regeln sich den evangelischen Arbeiten widmete und gewöhnlich „die gottseligen Arbeiter“ genannt wurde.
Der Tag, an dem Maria zum irdischen Leben geboren wurde, sollte auch der Geburtstag ihres Dieners zum ewigen Leben sein. Als in seiner letzten schmerzlichen Krankheit, im Jahr 1633, der 8. September gekommen war, fing er, nachdem er schon mehrere Tage im Todeskampf gelegen hatte, noch einmal zu reden an, und sprach zu dem ihm beistehenden Priester: „Jetzt ist der letzte Tag angebrochen“ – empfing noch einmal das allerheiligste Altarsakrament und verschied mit einem liebevollen Blick auf das Kruzifix, und indem er drei Mal die Lippen öffnete, in dem Augenblick, als der Priester aus den Sterbegebeten der Kirche die Worte sprach: „Obschon er sündigte, hat er doch den Vater und den Sohn und den heiligen Geist nicht verleugnet, sondern geglaubt und den Eifer Gottes in sich gehabt.“ Sein entseelter Leib blieb ganz schön und anmutig und an seinem Grab geschahen mehrere Wunder.