Seliger Karl der Gute, Prinz und Märtyrer in Flandern, + 2.3.1127 - Fest: 2. März

       

Es gab vor mehreren hundert Jahren eine Zeit, in der die Leute sich allgemein angetrieben fühlten, in das gelobte Land zu ziehen und den Sarazenen das heilige Grab und die Stadt Jerusalem zu entreißen. Zu dieser Zeit lebte ein junger Graf, namens Karl, in Flandern, ein Sohn des heiligen Canut, des Königs von Dänemark, und seiner Frau Aliza von Flandern. Auch er zog, sobald er Kriegsdienste tun konnte, in das heilige Land, um gegen die Feinde des Christentums zu streiten. Später kehrte er nach Flandern zurück, wo sein Oheim Robert die Regierung führte. Dieser starb bald darauf, desgleichen dessen Sohn Balduin. Karl war dem Balduin zu Lebzeiten ein so treuer Ratgeber und lieber Freund gewesen, dass er von ihm zu seinem Erben über Flandern eingesetzt wurde.

 

Da nun Karl Fürst von Flandern war, bekam er Krieg mit den benachbarten Fürsten, hauptsächlich auf Anstiften der Witwe seines verstorbenen Oheims Robert. Obgleich aber Karl mit großer Übermacht angegriffen wurde, so siegte er durch die Hilfe Gottes über alle Feinde ohne vieles Blutvergießen. Sie fürchteten sich von nun an so sehr, dass keiner mehr sich getraute, Krieg gegen ihn zu beginnen.

 

Sein Geschichtsschreiber sagt nun weiter, er sei nicht imstande mit Worten zu sagen, wie vortrefflich Karl im Frieden sich benommen habe. Er sei Gott ergeben und Gehorsam gegenüber der Kirche gewesen. Besonders aber habe er mit außerordentlicher Bescheidenheit jeden Tadel und Vorwurf, wenn er Fehler begangen hatte, aufgenommen und sein Benehmen danach gebessert. Er dankte noch denen, die ihn tadelten, und bat sie um ihr Gebet, damit ihm die Gnade Gottes helfe, von allen Fehlern frei zu werden. Er war für die öffentliche Wohlfahrt besorgt wie ein Vater. Als einmal zwei Jahre der Missernte eintraten und große Teuerung und Not herrschte, schenkte er seinen Feldarbeitern einen großen Teil der Früchte, die er auf seinen Feldern geerntet hatte. Damit die armen Leute das Getreide preiswerter bekommen könnten, verbot er im ganzen Land das Bierbrauen während der teuren Zeit und die Bäcker mussten die bisherigen Brote in zwei Hälften backen, damit wer kein ganzes kaufen konnte, um das halbe Geld wenigstens etwas bekam.

 

Weil es aber sehr viele gab, die damals sehr bedürftig waren, so verteilte der christliche Graf die Armen hundertweise auf seinen verschiedenen Höfen im Land und ließ ihnen dort ihre tägliche Nahrung geben. Wenn er in eine Stadt oder in ein Dorf kam, liefen ihm zahllos viele Hilfsbedürftige zu, an die er Lebensmittel, Geld und Kleider meist mit eigener Hand verteilte. Zu Ypern verteilte er einmal an einem Tag siebentausendachthundert Brote. Er brachte es nicht über das Herz jemanden leer ausgehen zu lassen, weshalb er manchmal selbst seine kostbaren Kleider auszog, um sie zu verschenken. Er hatte das herzlichste Mitleid mit allen, die er auf irgendeine Weise bedrängt sah, und ermahnte oft auch andere vermögende Leute, sie möchten eine solche Gelegenheit, Gutes zu tun, wie zu dieser teuren Zeit, nicht ungenutzt vorübergehen lassen, sondern jetzt reichlich zu säen, damit sie jenseits auch einmal reichlich ernten.

 

Wie aber der selige Karl gegenüber Armen und Bescheidenen gleichsam ein Lamm war, so war er gegenüber Hochmütigen ein Löwe. Besonders übte er alle Strenge gegen solche, die den Armen unterdrückten, weshalb er überall, wo man ihn nicht liebte, gefürchtet wurde. Deshalb bekam er aber auch unter den schlechten Menschen heftige Feinde, die ihn tödlich hassten, weil sie durch ihn an ihren Übeltaten gehindert waren.

 

Es lebte zu Brügge damals ein hochgestellter Mann, namens Bertulf. Er hatte sich große Reichtümer gesammelt, und es wurde ihm von Freunden, Verwandten und anderen Leuten deshalb sehr geschmeichelt und alle Dienste angeboten. Dadurch wuchs nun der Hochmut des Bertulf unmäßig. Einmal bekam sein Neffe mit einem anderen angesehenen Mann Streit, in den sich dann auch Bertulf mit seinem übrigen Anhang mischte. Er trieb die Sache so weit, dass sie gemeinschaftlich das Eigentum und Haus jenes Mannes überfielen und alles zerstörten. Der Graf Karl ließ nun den Bertulf vor sich laden, um sich zu verantworten. Allein dieser stellte sich nicht, sondern häufte Verbrechen auf Verbrechen. Da nämlich der selige Karl gerade in Frankreich abwesend war, so sammelte Bertulf eine Anzahl Kriegsknechte und verwüstete nach Art der Raubritter in jener Zeit das Land, raubte und mordete ringsumher.

 

Als der Graf nach Flandern zurückgekommen und die Gräueltaten des Bertulf erfahren hatte, ließ er die Barone des Landes zusammenkommen, um sich mit ihnen zu beraten, was zu tun sei. Sie fassten miteinander den Beschluss, dass vor allem der Graf selbst das Land bereisen solle. Er begab sich alsbald auf die traurige Wanderschaft. Er sah hier zerstörte Wohnungen und dort manche Leute, die gänzlich ausgeraubt waren. Der Graf konnte sich beim Anblick dieses Elends der Tränen nicht enthalten.

 

Unterdessen zettelten aber die Missetäter, die das Land verwüstet hatten, eine Verschwörung gegen das Leben des Grafen an in der Hoffnung, durch seinen Tod der drohenden Strafe zu entgehen. Es kam zwar das Gerücht von diesem Plan dem Grafen zu Ohren, allein sein gutes Herz wollte solches nicht glauben.

 

Eines Morgens stand er auf, wusch sich die Hände und verrichtete seinen Gottesdienst, wie er es täglich in der Frühe gewöhnt war. Er teilte nämlich jedes Mal, bevor er in die Kirche ging, mit eigenen Händen das Almosen aus. Und weil seine Andacht zu Christus besonders groß war, so übte er diesen Dienst Christus zu lieb und zu Ehren barfuß, trug selbst die Gaben zu jedem Armen und küsste ihm die Hände. Seit kurzem hatte er außerdem noch eine neue Übung hinzugefügt: er kleidete täglich fünf Arme. Wenn er dieses Opfer der Barmherzigkeit dargebracht hatte, so ging er in die Kirche, warf sich vor dem Altar der heiligen Mutter Gottes nieder, hielt hier seine Andacht, die er gewöhnlich mit den sieben Bußpsalmen schloss, zur Sühne für seine Verfehlungen.

 

Da nun der Graf in solcher Weise seiner Gewohnheit gemäß betete, kamen einstmals die Verschwörer in die Kirche, stellten sich hinter ihn und der Neffe des Bertulf spaltete ihm mit mächtigem Hieb die Stirn, so dass das Gehirn auf den Boden herausquoll. Alsbald liefen auch die anderen herbei und schlugen mit ihren Schwertern noch auf ihn, so dass ihm noch der Arm durchgehauen wurde, womit er kurz vorher einer armen Frau eine Unterstützung gereicht hatte.

 

Es ist ein wunderlicher Zwiespalt in den Gedanken der Menschen. Viele glauben gern, dass das, was Gott jenen schickt, die ihn lieben, zum Besten gereiche, aber was böse Menschen einem anhaben, meinen sie, sei nichts als Unglück und Böses, und das könne einem nicht zum Besten gereichen, denn das komme eben von Menschen und nicht von Gott. Wer so etwas meint, der hat auch keinen religiösen Trost und nimmt und trägt es nicht im christlichen Geist, so oft ihn von anderen Menschen Verfolgung oder Leid trifft. In Wahrheit verhält es sich aber anders: Gott lässt freilich dem Menschen den freien Willen, d.h. der Mensch kann sich vornehmen, Gutes oder Böses zu tun, wie er will. Er kann innerlich in der Seele das Gute oder Böse tun, niemand hindert ihn daran. Aber darum kann er nicht auch nach Belieben äußerlich tun oder ausführen, was er will und sich vorgenommen hat. Die Ausführung hängt von Gott ab. Wenn daher ein böser Mensch sich vornimmt, einem guten Christen zu schaden, so wird es Gott nur dann zulassen, wenn es dem Christen zum Seelenheil dienlich sein kann. Und wenn dies nicht der Fall ist, so wird Gott die Ausführung hindern. Herodes wollte das Kind Jesus schon töten, später wurde dem Heiland auch noch nach dem Leben gestrebt, aber Gott vereitelte alle bösen Pläne. Da hingegen die von Gott bestimmte Zeit gekommen war, ließ es Gott zu, dass sein Sohn in die Hände der Sünder fiel und von ihnen gekreuzigt wurde. Dasselbe sehen wir auch in der Geschichte des seligen Karl. Wäre es diesem Haus nicht zum Heil gewesen, auf solche Weise seinen Tod zu finden, so hätte Gott ganz gewiss seinen Mördern etwas in den Weg gelegt, dass sie an ihrem Mordanschlag behindert worden wären. Allein ein solcher Tod war gerade noch die schönste glorreiche Krone eines gottesfürchtigen Lebens, wie es der selige Karl geführt hatte. Er wurde getötet mitten in Werken der Frömmigkeit und wurde getötet um der Gerechtigkeit willen, die er ausüben wollte gegen die Missetäter. Der hl. Augustinus sagt aber: „Nicht die Pein macht den Menschen zum Märtyrer, sondern die Ursache, warum er gepeinigt wird“, wenn er nämlich Gottes wegen sich peinigen lässt. Und so war es also eine Belohnung vonseiten Gottes, dass der selige Karl das erlangte, was sich schon zahllos viele Heilige gewünscht haben, nämlich den Märtyrertod.

 

Wenn ihm aber dieser Tod auch zur Verherrlichung gereichte, so haben seine Mörder dennoch die volle schwere Blutschuld auf der Seele. Hören wir noch, wie es ihnen ergangen ist. Die Vergeltung brach nämlich in wenigen Tagen über sie herein.

 

Nachdem der Graf ermordet war, schien Bertulf und sein Anhang allein die Herrschaft im Land zu besitzen. Da entschloss sich ein rechtschaffener Edelmann, namens Gervasius, diese Missetäter anzugreifen. Er überfiel mit ungefähr 30 Reitern die Residenz, die Stadt Brügge. Obgleich nun die Anhänger des Bertulf viel zahlreicher waren, gerieten sie in Schrecken und flüchteten sich in das feste Schloss der Stadt. Die Bürger der Stadt hielten alsbald zu Gervasius und erwischten noch einen Soldaten und einen Knecht des Bertulf, die am Mord des Grafen teilgenommen hatten. Diese mussten einen qualvollen Tod erleiden und wurden dann vor den Augen der Belagerten im Schloss in einen Graben voll Unrat geworfen. – Ein reicher Mann, namens Isaak, der auch besonders teilgenommen hatte am Mord des Grafen, hatte sich in einem Kloster verborgen, wurde entdeckt und dann aufgehenkt.

 

Die Burg, in der Bertulf mit seinem übrigen Anhang sich verschanzt hatte, wurde gestürmt, so dass ihnen kein Zufluchtsort mehr übrigblieb als gerade die Kirche, in der sie den Grafen ermordet hatten, und die sich innerhalb der Burg befand. Bertulf ließ sich nachts an einem Seil von der Höhe herab, um zu entfliehen. Nach einiger Zeit wurde er aber gefunden und unter den ärgsten Misshandlungen durch das Volk zum Galgen geschleppt. Nachdem er erwürgt war, wurde sein Leichnam auf das Rad geflochten. Nach hartnäckiger Gegenwehr ergaben sich die Übrigen in der Kirche und auf dem Turm, und wurden dann als Gefangene in enge Kerker eingekerkert. Als man die Schuldigen ausgelesen hatte, wurden ihrer siebenundzwanzig, einer nach dem andern, mit gebundenen Händen von einem Turm herabgestürzt.

 

Karl der Gute wurde 1884 von Papst Leo XIII. seliggesprochen.