Brigitta von Schweden
Die heilige Brigitta aus Schweden hatte einen einzigen Sohn, Karl genannt, der ihr überaus lieb war, und den sie aufs Trefflichste erzog. Nach dem Beispiel seiner Mutter erzeigte er der seligsten Jungfrau die innigste Verehrung, besonders betete er zu ihr den heiligen Rosenkranz.
Karl wurde ein ausgezeichneter Kriegsmann, nicht minder berühmt und geehrt auch in Zeiten des Friedens, doch unverhofft und in seinem besten Alter wurde er vom Leben abberufen und vor den Richterstuhl Gottes geladen.
Brigitta befand sich gerade auf einer Wallfahrt ins Heilige Land, erschrak ob dieser traurigen Botschaft gar sehr, war besorgt wegen des Heils seiner Seele, fiel nieder auf die Knie und bat die Jungfrau Maria inniglich mit Gebet, Weinen und Seufzern, sie wolle ihr doch offenbaren die Beschaffenheit und den dermaligen Wohnort ihres Sohnes Karl.
Die heiligste Gottesgebärerin erschien ihr alsbald im Gebet und erzählte ihr, wie ihr Sohn im letzten Augenblick des Lebens vom Satan angefochten wurde, dass aber sie und der heilige Schutzengel dem Sterbenden beigestanden habe und zwar besonders, weil Brigitta selbst stets eine große Verehrung zur seligsten Jungfrau getragen und immer ein frommes reines Leben geführt habe. Auf Maria Begehren wurde also die Seele Karls aller Schuld und Sünde ledig gesprochen, weil er selbe noch vor seinem Tod aufrichtig bereut hatte, obwohl ihm die Zeit zur Ablegung der Beicht gemangelt habe, und ist somit in die ewige Seligkeit aufgenommen worden.
Im Anschluss an diese lehrreiche Begebenheit und Offenbarung mag hier Platz finden noch die Erzählung von dem rührenden Tod des tapferen und mutigen Bruders der heiligen Brigitta, mit Namen Israel.
Dieser große Mann, der von der Mutter Gottes zum Anführer des Heeres erwählt worden war, das der König von Schweden gegen die Ungläubigen aufstellte, bekam durch die Vermittlung der gebenedeiten Jungfrau eine Verstärkung vom Himmel. Sie hatte nämlich Brigitta, seiner Schwester, die Verheißung gegeben, dass sie ihm als Führerin dienen und seinen Namen im Himmel wie auf Erden geehrt machen werde, so dass alle bekennen müssten, er habe sich edelmütig diesem Unternehmen hingegeben und sei ein treuer Diener des Herrn gewesen. Sie fügte hinzu, dass sie mütterlich für ihn sorgen und ihn auf einem Weg zu sich ziehen werde, woran er nicht denke, der aber für sein Heil der geeignetste sei. Sie erfüllte es ebenso getreulich, wie sie es wahrhaftig verheißen hatte. Denn als Israel mit seinem Heer ausgezogen war, um gegen die Ungläubigen, die Feinde Gottes und seines heiligen Namens, zu kämpfen, kam er nach einigen Jahren in die Stadt Riga, wo er erkrankte. Da er durch einen geheimen Wink erfuhr, dass er nicht mehr genesen werde, so begab er sich mit einigen von seinen Leuten in die Kirche, warf sich da demütig vor einer Statue der seligsten Jungfrau nieder, die wegen verschiedener Wunder, die da geschahen, sehr berühmt war, zog einen wertvollen Ring von seinem Finger und steckte ihn an den seiner süßesten Mutter, indem er sprach: „Du bist meine Herrin und Meisterin, du hast mir durch tausend Züge der Milde untrügliche Zeichen deiner Liebe gegeben, wofür ich keinen anderen Zeugen will, als dich selbst. Deshalb lege ich meinen Leib und meine Seele in die Arme deiner liebevollen Vorsehung und bitte dich, in dieser meiner traurigen Lage für den geringsten aber ergebensten deiner Diener eine besondere Sorge zu tragen.“ – Nachdem er das gesagt hatte, kehrte er in seine Wohnung zurück, wo er, nachdem er die heiligen Sakramente der Kirche empfangen hatte, mit so großer Gottergebenheit starb, dass alle Umstehenden davon gerührt und erbaut wurden. Um dieselbe Zeit erschien die glorreichste Jungfrau der heiligen Brigitta, und setzte sie von dem Abscheiden ihres guten Bruders in Kenntnis mit der Versicherung, dass er keiner von denjenigen gewesen sei, die sie mit einem geteilten Herzen lieben, sondern dass er ihr mit seinem ganzen Wesen zugetan war, und zum Zeichen dessen habe sie den Ring angenommen, den er ihr darreichte. Übrigens sei es nicht ohne eine ganz besondere Vorsehung geschehen, dass er außerhalb seines Landes gestorben ist, sondern es sei so verordnet worden, damit die Tränen und Leidbezeugungen der Seinigen sein Herz nicht erweichten und ihn nicht hinderten, die Welt mit all der Großmütigkeit zu verlassen, die sich für einen christlichen Ritter gezieme.