Über die Person und das Leben des heiligen Kleopas weiß die christliche Überlieferung nichts Verlässliches zu berichten. Nach dem Geschichtsschreiber Eusebius und dem in biblischen Dingen wohl bewanderten heiligen Hieronymus soll er aus Emmaus stammen, einem etwa zwei Stunden von Jerusalem gelegenen Flecken. Eine uralte, zerfallene Kapelle, die nach einer weit in die Zeit hinaufreichenden Ortsüberlieferung über seinem Haus erbaut worden war, wurde in neuerer Zeit wiederum sinnvoll hergestellt und den Zwecken gottesdienstlicher Verrichtungen und religiöser Erbauung zurückgegeben. Ein Teil der Gottesgelehrten hält ferner Kleopas für ein und dieselbe Person mit Alphäus, dem Gemahl Marias, einer Nahverwandten der Mutter Jesu, und dem Vater des heiligen Apostel- und Brüderpaares Jakobus und Judas Thaddäus. Nach den Andeutungen des Neuen Testaments ist diese Annahme nicht ganz unbegründet. Um so unverbürgter ist die Legende, dass er im Haus, in dem er mit dem Herrn zu Tisch gewesen war, von den Juden getötet wurde.
Mit Sicherheit erfahren wir aus dem Lukasevangelium (24,13-35) nur die eine Tatsache: Kleopas war einer der beiden Emmausjünger. Tränenfeuchten Auges und kummervollen Herzens gingen die beiden Jünger gen Abend des Auferstehungstages ihres Weges dahin. Sie redeten vom Tod ihres Meisters, in dessen liebeatmender Nähe sie so selige Stunden verlebten; von den Messiashoffnungen auf die Erlösung und Erhöhung Israels, die nun zertrümmert am Boden lagen; kurz „von all dem, was sich zugetragen hatte“. Sie glaubten, doch ihr Glaube war erschüttert; sie hofften, doch ihre Hoffnung wankte; sie liebten, doch ihr Herz war schmerzlich verwundet.
„Und es geschah, als sie so miteinander redeten und sich befragten, nahte Jesus selbst und ging mit ihnen. Ihre Augen aber waren gehalten, dass sie ihn nicht erkannten.“ Wohl unter dem Aussehen eines heimkehrenden Festpilgers hatte sich der Auferstandene zu ihnen gesellt. Warum verhüllte er sich vor ihnen? Erst sollten sie ihn mit den Augen des Glaubens, dann mit den Augen des Leibes schauen und erkennen. Und er sprach zu ihnen: „Was sind das für Reden, die ihr miteinander auf dem Weg führt, und was seid ihr traurig?“ Da antwortete einer namens Kleopas und sprach zu ihm: „Bist du der einzige Fremdling in Jerusalem und weißt nicht, was daselbst geschehen ist in diesen Tagen?“ Er entgegnete ihnen: „Was?“ Und sie sagten: „Das mit Jesus von Nazareth, der ein Prophet war, mächtig in Tat und Wort vor Gott und allem Volk . . .“
Nun fängt der Meister an, den Jüngern den schmerzlichen Dorn der Trauer und den stechenden Stachel des Zweifels aus dem Herzen zu ziehen. Er senkt ihrer Seele einen zweifachen Trost ein. Zuerst benimmt er ihnen das Ärgernis des Kreuzes. Leiden und Tod des Messias waren, so klärt er sie auf, im ewigen Ratschluss Gottes beschlossen, nichts Unvorhergesehenes, sondern durch Jahrhunderte vorausverkündet bei den Propheten und in der Geschichte des Gottesvolkes. Und indem er ihnen dies bis ins Kleinste aufzeigte, entrollte er ihnen gleichzeitig in großen Zügen das Bild des leidenden und verherrlichten Messias und den ganzen göttlichen Heilsplan, der in der Wahrheit gipfelt: „Musste nicht Christus dies leiden und so in seine Herrlichkeit eingehen?“
Sodann überzeugte Jesus die Jünger von seiner wirklichen und glorreichen Auferstehung. „Und sie kamen nahe zum Flecken, wohin sie gingen. Er aber stellte sich, als wollte er weitergehen. Da nötigten sie ihn und sprachen: Bleib bei uns, denn es will Abend werden und der Tag hat sich schon geneigt! Darauf ging er mit ihnen hinein. Und es geschah, als er mit ihnen zu Tisch war, nahm er das Brot, segnete es, brach es und gab es ihnen. Da wurden ihre Augen aufgetan, und sie erkannten ihn. Er aber verschwand aus ihrem Gesicht. Und sie sprachen zueinander: Brannte nicht unser Herz in uns, während er auf dem Weg redete und uns die Schrift aufschloss?“ Nach manchen heiligen Vätern und Schrifterklärern reichte Christus hier im Übermaß seiner Güte und Liebe den Jüngern seinen heiligen Leib in der Eucharistie. Der Herbergstisch verwandelte sich in einen Altar, der fremde Pilger enthüllte sich als der Hohepriester des Neuen Bundes. Das Erkennungsmittel war dann nicht sowohl die äußere, eigentümliche Form, die Christus beim Brotbrechen einzuhalten pflegte, sondern eine innere Erleuchtung aus dem heiligen Kommunionempfang.
Der Auferstehungsglaube hatte über allen Zweifel, die Osterfreude über alle Trauer gesiegt. „Sie machten sich noch in der nämlichen Stunde auf, gingen nach Jerusalem zurück und trafen die Elf und ihre Genossen zusammen.“ Hier scholl ihnen sogleich der Jubelruf entgegen: „Der Herr ist wahrhaft auferstanden!“ Freudig stimmten sie in die Osterbotschaft ein „und erzählten auch ihrerseits, was sich auf dem Weg zugetragen, und wie sie ihn am Brotbrechen erkannt hatten“.
Der Herr hat mit den Emmausjüngern auch uns das Geheimnis des Kreuzes enthüllt. Im Licht seiner Worte verstehen wir die Bedeutung des Kreuzes im Leben Jesu, im Leben der Kirche, im Leben jedes Auserwählten. Das Kreuz gehört so notwendig zum christlichen Leben, wie der Weg notwendig ist zur Erreichung eines Höhenziels. „Christus musste leiden und so in seine Herrlichkeit eingehen.“ Das gilt auch von jedem Nachfolger Christi – auch von dir!
Hl. Kleopas von Emmaus, Märtyrer:
Der Bruder des Hl. Josef, Vater des Hl. Jakobus des Jüngeren und Judas, Großvater der Söhne des Zebedäus