Eines der ersten Lehrstücke, das die Meister des geistlichen Lebens in den religiösen Orden den neueingetretenen Mitgliedern einzuflößen pflegen, ist die wahre und beständige Andacht zur jungfräulichen Mutter Gottes. Diese Lehre fasste der kaum sechzehnjährige Kapuzinernovize zu Verona, Laurentius von Brindisi, in der Welt Julius Cäsar de Rossi genannt, um so mehr, als er schon von den Tagen der Kindheit an Maria als seine Mutter kennen und lieben gelernt und ihre besondere Huld und Leitung erfahren hatte. Auch die Gnade seines Berufes hatte er ihr zu verdanken, denn schon ging der Konvent mit dem Gedanken um, den Novizen, dessen Gesundheit fast während des ganzen Probejahres sehr leidend war, so sehr sie auch seine Tugend schätzten, wieder zu den Seinigen zurückzusenden, entschloss sich aber doch, ihm die Probezeit zu verlängern. Durch die kräftige Fürbitte Mariens erhielt er die gewünschte Gesundheit und wurde zur heiligen Profess zugelassen. Durch diese neue und große Wohltat fühlte sich Laurentius verpflichtet, auch seine Andacht und seinen Eifer im Dienst der hohen Himmelskönigin zu verdoppeln, und entschloss sich, alle Vorabende der marianischen Festtage wie auch alle Samstage des Jahres mit Genehmigung seiner Vorgesetzten bei Wasser und Brot zu fasten.
Er hatte die löbliche Gewohnheit, dass er nie mit seinen Ordensbrüdern ein Gespräch begann, bevor er nicht mit geneigtem Haupt andächtig gesprochen hatte: „Gelobt sei Jesus Christus und Maria, die allerseligste jungfräuliche Mutter!“ In seinen Briefen setzte er gewöhnlich ganz oben die Worte voran: „Gelobt sei der Name Jesus und Maria!“ Die Schreiben, die an Kardinäle, regierende Fürsten und andere hohe Standespersonen gerichtet waren, beschloss er mit dem marianischen Segensspruch: „Es segne uns mit ihrem mildesten Kind die Jungfrau Maria.“ Wurde der apostolische Mann ersucht, kranken und anderen leidenden Personen seinen Segen zu erteilen, was vom Volk vielfach geschah, so tat er es meistens mit denselben oder ähnlichen Worten, indem er sprach: „Es segne dich unser Heiland und Maria, seine jungfräuliche Mutter!“ oder nur kurz: „Die Mutter Gottes segne dich!“ Sein Segen und Gebet hatten auch die wunderbarsten Wirkungen durch die Fürbitte der himmlischen Gnadenmutter.
Die Liebe zu Maria war es auch, die ihn bewog, dass er sich nach Loretto begab und die ganze heilige Fastenzeit hindurch daselbst verweilte, um der Andacht zur gebenedeiten Mutter desto bequemer sich hingeben zu können. Am frühen Morgen las er die heilige Messe und diente dann bei allen übrigen, die noch in der heiligen Kapelle gelesen wurden, als Altardiener. Es gereichte ihm zum großen Trost, an jenem Ort den Dienst der Engel am Altar verrichten zu dürfen, an dem die allerseligste Jungfrau vom Erzengel gegrüßt wurde und das göttliche Wort Fleisch angenommen hat.
Maria hingegen zeigte sich ebenfalls sehr freigebig in Trost und Gnade ihrem eifrigen Diener gegenüber. Ihr verdankte er, wie schon gesagt, die Gnade des Berufes zum Ordensstand. Ebenso ist seine unversehrte engelhafte Reinheit und seine außerordentlich hohe Wissenschaft dieser Gnadenmutter zuzuschreiben. Auch Wunderzeichen geschahen durch ihn mittelst der Anrufung der heiligen Jungfrau, und allgemein wurde behauptet, wie sein vertrauter Genosse, Albert von Novarra erzählt, dass sie sogar mit vernehmbaren Worten aus ihrem Bild in der Klosterkirche zu Prag zu ihm gesprochen hat. Mit einem anderen Muttergottesbild begab sich zum Trost des Paters Laurentius folgendes, wie Pater Philippus von Soragna erzählt.
Als Laurentius das erste Mal als Generalkommissar nach Deutschland geschickt wurde, den Kapuziner-Orden dort einzuführen, suchte er sich, ehe er von Rom abreiste, ein schönes Muttergottesbild zu verschaffen, um es mit sich zu nehmen. Er verschloss es in eine Schachtel, belegte es aus Andacht mit frischen, wohlriechenden Blumen, und trat dann mit ihm die Reise an. Nachdem er nicht nur Italien, sondern auch einen großen Teil Deutschlands durchwandert hatte, wollte er endlich nach seiner Ankunft zu Prag in Böhmen sein geliebtes Bild aufstellen. Bei Öffnung der Schachtel fand man die Blumen nach so langer Reise alle noch so schön und frisch, wie sie waren, als er sie hineingelegt hatte. Ja auch in Prag blieben sie noch viele Monate hindurch in ihrer vorigen Gestalt und Zierde, wie sich erwähnter Pater Philippus oft mit eigenen Augen überzeugte.
In seiner letzten Krankheit war einer seiner gewöhnlichen Gebetsseufzer: „Mein Gott und Herr sei gelobt und gebenedeit! – Meinem liebsten Jesus sei Lob und Dank gesagt! – Gebenedeit und gepriesen sei meine Gebieterin, die jungfräuliche Mutter Gottes Maria!“ Am letzten Tag seines Lebens, den 22. Juli 1619, sagte er zu seinem Krankenwärter, dem Laienbruder Johannes Maria, als er morgens an sein Lager trat, dass dieser Tag, an dem er vor sechzig Jahren zur Welt geboren wurde, auch sein Sterbetag sein werde, und setzte dann hinzu: „Bittet mein Bruder, die reinste Jungfrau und Mutter Gottes Maria, sie möge sich würdigen, mir Wegweiserin und Begleiterin zu sein, damit ich aus der Wüste dieser Welt sicher in das verheißene gelobte Land der ewigen Glückseligkeit gelangen möge!“ Als er schon so schwach war, dass er nicht mehr reden konnte, suchte er, so gut er es noch vermochte, wenn die zwei ihm beistehenden Ordensbrüder die heiligen Namen Jesus und Maria in ihren Gebeten aussprachen, die Hände zusammenzulegen und das Haupt zu neigen, und ließ so die im Leben angewöhnte Ehrerbietigkeit auch im Tod nicht außer Acht.
Der Diener Gottes und Mariens wurde auch nach seinem Tod durch Wunder verherrlicht.