Heiliger Leo IX. v. Elsaß, Papst und Bekenner zu Rom, + 19.4.1054 - Fest: 19. April

       

Eine schwere Wunde, an der die Kirche des Mittelalters blutete, war die Simonie. Im Laufe der Zeit hatten die Bischöfe und Äbte ansehnlichen Grundbesitz erworben und hatten dadurch Rechte und Pflichten erhalten, die mit ihrem priesterlichen Amt nichts zu tun hatten. Sie waren Lehensherrn des Reiches geworden und mussten als solche viele Dienste tun gleich weltlichen Fürsten. Wegen dieser Verquickung von geistlichem und weltlichem Amt konnte es dem Kaiser nicht gleichgültig sein, was für Bischöfe und Äbte er als Reichsfürsten erhielt. Er musste das Recht haben, bei der Wahl von Bischöfen und Äbten, die ihm als Reichsfürsten ungeeignet schienen, Einspruch zu erheben. Daraus ergab sich aber der Missstand, dass ehrgeizige Geistliche, die nach einem Bischofsstuhl oder Abtstab strebten, sich dem Kaiser durch Versprechungen aller Art gewogen zu machen suchten; sie boten ihm aus ihrem Familienbesitz Ländereien an oder stellten ihm reiche Geldmittel zur Verfügung. Schließlich artete dieser Missbrauch zu einem förmlichen Handel um kirchliche Würden aus. Die Kaiser und Könige vergaben die Bistümer nicht mehr an die verdienstvollsten und würdigsten Priester, sondern an die Meistbietenden. Dass dieses Unwesen, dieser Schacher mit geistlichen Ämtern (Simonie) für die Kirche von größtem Unheil war, lässt sich denken. Unter den Päpsten, die gegen diesen Unfug entschieden ankämpften und die Priester mehr und mehr von irdischen Gütern und Reichsämtern loszumachen suchten, glänzt in erster Reihe der deutsche Papst Leo IX. Er hat von den acht Päpsten, die das deutsche Volk der katholischen Kirche schenkte, am längsten regiert und ist auch als einziger der Ehre der Altäre teilhaftig geworden.

 

Leo stammt aus Egisheim im Elsass, wo er am 21. Juni 1002 als Sohn des deutschen Grafen Hugo von Dagsburg geboren und auf den Namen Bruno getauft wurde. Schon früh übergaben die Eltern den Jungen dem Bischof von Toul zur Erziehung, der ein Seminar für junge Edelleute eingerichtet hatte. Bruno lebte sich rasch in die neue Welt und das Seminarleben ein. Die Kameraden hatten den kleinen Elsässer wegen seines freundlichen, heiteren Wesens gern. Die Lehrer schätzten seinen beweglichen Geist, der sich rasch entwickelte und auf Bruno große Hoffnungen setzen ließ. Noch war Bruno nicht zum Priester geweiht, da erhielt er schon nach dem Brauch jener Zeit eine Pfründe am Domstift. Doch im Gegensatz zum Treiben so manch anderer Domherrn jenes Jahrhunderts nahm es Bruno mit seinem kirchlichen Amt ernst und führte ein untadeliges Leben. Mit Eifer gab er sich dem Studium der Gotteswissenschaft hin und erbaute seine Umgebung durch tiefe Frömmigkeit. Die Wahl seines Vetters Konrad II. zum deutschen Kaiser riss ihn, eben zum Diakon geweiht, aus seinem Studium. Dem Wunsch der Eltern und der Einladung des königlichen Vetters folgend zog er an Konrads Hof, wo er mit unumschränktem Vertrauen überschüttet und in die Führung der Staatsgeschäfte eingeweiht wurde. Wie leicht wäre es ihm gewesen, die Gunst des Königs auszunützen und sich hohe kirchliche Würden zu verschaffen! Aber Bruno, der auch mitten im Hofleben das gesammelte, stille Leben eines Mönches und Gelehrten führte, wartete in Demut auf den Ruf Gottes. Dieser erging an ihn, als er 1026 von Klerus und Volk einstimmig zum Bischof von Toul gewählt wurde. Freudig nahm Bruno die Wahl zum Oberhirten dieses unbedeutenden Bistums an, froh, nun ganz ungestört seinen geistlichen Pflichten leben zu können. Unverzüglich machte sich der neue Bischof daran, die religiösen Zustände seines Sprengels zu verbessern. Er versuchte die Wunden zu heilen, die seine zwischen Frankreich, Deutschland und Burgund liegende Diözese durch die verschiedenen Einfälle und Kriege der letzten Jahrzehnte erlitten hatte. Er mühte sich, den Gottesdienst feierlicher zu gestalten, das sittliche Leben und die wissenschaftliche Ausbildung der Geistlichen zu heben. Die kirchliche Erneuerungsbewegung, die vom Kloster Cluny ausging, fand in Bischof Bruno einen begeisterten Anhänger und Förderer.

 

22 Jahre führte Bruno zielbewusst den Bischofsstab von Toul. Da brachte der am 29. August 1048 erfolgte Tod des Papstes Damasus II. die große Wendung seines Lebens. Auf einem Reichstag zu Worms, der sich mit dem Nachfolger des Papstes zu befassen hatte, richteten sich alle Blicke und Wünsche auf den anwesenden Bruno. Erschrocken bat Bruno um drei Tage Bedenkzeit. Die glänzende Würde konnte ihn nicht verlocken. Vor seinem Auge standen zu klar die großen Schwierigkeiten, mit denen der Papst zu kämpfen hatte: die vielen Gebrechen der Kirche, das unwürdige Leben so vieler Geistlichen, die trotzige Unbotmäßigkeit der Fürsten, die Unwissenheit der Völker. Wie gern hätte er sich dem Wunsch des Reichstags entzogen! Doch es half kein Sträuben. Bruno musste schließlich seine Zustimmung geben unter der Bedingung, dass er in Rom nach den Vorschriften der Kirche rechtmäßig gewählt würde. Begleitet von Prior Hildebrand von Cluny, dem späteren Gregor VII. machte er sich schweren Herzens auf den Weg in die Hauptstadt des Christentums. Jubelnd vom Volk empfangen erklärte er: „Vom Kaiser und von den Fürsten des Reiches bin ich ausersehen, euer Bischof und das Haupt der Kirche zu werden; nun bin ich da um euren Willen zu hören. Wenn ihr die Wahl nicht billigt, so bin ich bereit, in mein Vaterland zurückzukehren.“ Klerus und Volk riefen begeistert: „Dich allein wollen wir, dich wählen wir zum Papst!“ Als Leo IX. wurde er nun am 12. Februar 1049 im Lateran gekrönt.

 

Es dauerte nicht lange und der neue Geist in der Führung der Kirche machte sich bemerkbar. „Die ganze Kirche fühlte den nordischen Hauch einer neuen Zeit strenger Reform.“ Mit unerbittlicher, unnachgiebiger Strenge rückte Leo den beiden Grundübeln zu Leibe, die am Lebensmark der Kirche zehrten: der Simonie und der Priesterehe. Um überall nach dem Rechten zu sehen, hielt es der Papst für notwendig, persönlich einen großen Teil der Kirche zu bereisen. Er unternahm lange beschwerliche Reisen durch Italien, nach Deutschland und Frankreich. Überall berief er Synoden ein, auf denen er mit heiliger Entschiedenheit gegen Missstände auftrat, kirchliche Streitigkeiten schlichtete, Widerspenstige strafte, Gutwillige aufmunterte, allem zuchtlosen Treiben Schranken setzte. Er stellte Klöster wieder her wie z.B. Hirsau, und weihte Kirchen wie bei uns in Deutschland in Reichenau, Donauwörth, Augsburg, Regensburg. Den unablässigen Bemühungen des Papstes gelang es, in kürzester Zeit die Kirche aus dem drangvollsten Zustand herauszureißen und sie aus tiefer Gesunkenheit auf eine Höhe von Macht und Ansehen emporzuheben, die noch vor wenigen Monaten auch der begeistertste Anhänger göttlicher Verheißungen nicht zu ahnen gewagt hätte.

 

Unermüdlich setzte Leo seine Bemühungen um das Wohl und Heil der Kirche fort. Hatte er auf seinen apostolischen Reisen reine Zucht und Sitte wieder hergestellt und das Unkraut der Simonie mit Erfolg auszureißen versucht, so galt es nun wieder auftauchenden Irrlehren entgegenzutreten, wie der gefährlichen Lehre Berengars über das Altarsakrament, für die kirchliche Einheit, die der anmaßende Patriarch Caerularius von Konstantinopel bedrohte, zu kämpfen, den deutschen Kaiser mit dem ungarischen König zu versöhnen, Feindseligkeiten in Apulien zwischen den Eingeborenen und den Normannen beizulegen... Riesengroß war die vielgestaltige Aufgabe, die der Papst zu bewältigen hatte. Sein unbegrenztes Gottvertrauen ließ ihn auch in den schwierigsten Lagen den Mut nicht verlieren, seine persönliche Lauterkeit und Heiligkeit entwaffnete seine Gegner. Dass seinem verzehrenden Eifer für das Haus Gottes kein weittragender Erfolg beschieden war, lag in den Umständen seiner Zeit. Er war von Gott dazu ausersehen, das Fundament der Reformarbeit zu legen, auf dem dann spätere Päpste wie Gregor VII. mit Erfolg weiterbauen konnten.

 

Die ununterbrochenen Mühen der vielen Reisen, die aufreibenden Kämpfe mit den habgierigen Fürsten und widerspenstigen Priestern hatten die Kräfte des Papstes allzu früh aufgezehrt. Am 19. April 1054 entschlief Leo IX. im 52. Jahr seines Lebens, nachdem er etwas mehr als fünf Jahre die Schlüssel des hl. Petrus getragen hatte.