Heiliger Licinius von Angers, Bischof und Bekenner, + 1.11.605 – 1. November

 

Licinius wurde um das Jahr 540 geboren, und in allen Wissenschaften ausgebildet, die ein junger Edelmann vom ersten Rang erlernen musste. In einem Alter von zwanzig Jahren schickte man ihn an den Hof Clotars I., dessen naher Verwandter er war. Seine Klugheit und Tapferkeit erwarben ihm die besondere Hochachtung des Königs, der ihm die Stelle eines Oberstallmeisters übertrug. Er ließ sich aber nicht, wie gemeine Seelen, durch den täuschenden Glanz der Ehrenstellen blenden, sondern wusste sie sogar durch treue Erfüllung aller Christenpflichten zu heiligen. Weit entfernt von der Verblendung der Großen, die in einem sinnlichen und zerstreuten Leben keine Mängel an sich finden wollen, züchtigte er seinen Leib durch Übung heilsamen Fastens, und erhob oft sein Herz durch innige Gebete zu Gott. Als er Graf oder Statthalter von Anjou geworden war, gab er den ungestümen Bitten seiner Freunde nach, die stets auf ihn einredeten, sich zu verheiraten. Allein die ihm bestimmte Braut wurde an dem Tag vor der Hochzeitsfeier vom Aussatz befallen. Unser Heiliger, der in diesem Zufall die Hand Gottes erkannte, führte nun den Entschluss, der Welt gänzlich zu entsagen, den er schon lange gefasst hatte, aus. Er trat daher 580 in den geistlichen Stand, und lebte in einer Gemeinde frommer Diener des Altars, deren Vorbild er bald wurde durch seine Frömmigkeit, die Strenge seiner Bußübungen und seinen Eifer im Lesen und Betrachten der heiligen Schriften.

 

Nach dem Tod Audönus, des vierzehnten Bischofs von Angers, begehrte das Volk, eingedenk der Gerechtigkeitsliebe und milde des Licinius, die er in seinem Amt bewiesen hatte, ihn zu seinem Hirten, und diese Wahl wurde sowohl vom Hof als von der Geistlichkeit bestätigt. Nur der Heilige weigerte sich, seine Einwilligung zu geben, weil er sich nur mit dem Blick der Demut betrachtete und beurteilte. Endlich wurde er jedoch genötigt, dem allgemeinen Wunsch nachzugeben und sich die Hände auflegen zu lassen. Von diesem Augenblick an betrachtete er sich als einen Menschen, der nicht mehr sich selbst gehört und der jede Stunde seines Lebens der Sorge für die ihm anvertraute Herde schuldig sei. Seine väterliche Liebe umfasste zugleich ihre leiblichen und geistlichen Bedürfnisse. So fest und unerschütterlich er war, wenn es sich um Aufrechthaltung der Kirchenzucht handelte, so wusste er auch mit der Schwachheit der Sünder Nachsicht zu haben. Die verhärtetsten Herzen konnten der Macht seiner Reden und Beispiele nicht widerstehen, die Gott noch durch die Gabe der Wunder bestärkte. Da die äußeren Geschäfte, so heilig sie auch sein mögen, dennoch eine Seele, die die Übung der inneren Geistessammlung vernachlässigte, in Zerstreuung und Dürre versetzen würden, zog sich unser Heiliger öfters in die Einsamkeit zurück, um sich in jenem Geist der Frömmigkeit und Zerknirschung, der die wahren Hirten stets beleben soll, zu kräftigen. Aus Liebe zu einem stillen, zurückgezogenen Leben, fasste er sogar den Entschluss, seinen Stuhl zu verlassen, um sich nur allein der Sorge für sein eigenes Heil hinzugeben. Allein er konnte ihn nicht ausführen, weil die Bischöfe der Provinz, denen er sein Vorhaben mitgeteilt hatte, nicht einwilligen wollten. Er fuhr daher fort, sich mit allem Eifer dem Dienst der ihm von der Vorsehung anvertrauten Herde zu widmen. Seine letzten Jahre waren eine ununterbrochene Reihe von Gebrechlichkeiten, die er mit unwandelbarer Geduld ertrug.  Er starb um das Jahr 605 in seinem fünfundsiebzigsten Lebensjahr und wurde in der Kirche zum heiligen Johannes dem Täufer begraben, die dem Kloster angehörte, das er in der Absicht gestiftet hatte, sich dahin zurückzuziehen. Diese Kirche, die später zu einem Stift erhoben wurde, besaß bis in die letzten Zeiten die kostbaren Überreste des heiligen Stifters.

 

Seit dem 7. Jahrhundert erzeigt man dem heiligen Licinius öffentliche Verehrung und feiert sein Fest am ersten November.