Von ihrem fünften Lebensjahr an besuchte Lucia, die später in den Orden der Dominikanerinnen eintrat, oftmals eine Kirche des heiligen Augustin. Es war in dieser Kirche eine Marmorstatue, die die heilige Jungfrau mit ihrem göttlichen Sohn auf den Armen darstellte, und vor der sie jeden Tag den Rosenkranz und sieben Mal den Englischen Gruß betete.
Eines Tages, da ihre Inbrunst größer war als gewöhnlich, bat sie die heilige Jungfrau ganz demütig und treuherzig, ihr doch das Jesuskindlein zu geben. Die unschuldige Bitte Lucias war Marien so angenehm, dass sie es ihr gab. Das fromme Kind nahm es in seine Arme, herzte es, und nahm es mit sich nach Hause, wo es drei Tage blieb, und Lucias Seele mit unaussprechlichem Trost erfüllte; worauf es in die Kirche auf den Armen seiner Mutter zurückkehrte. Als das junge Mädchen erfuhr, dass man sie einem Mailänder Edelmann zur Ehe versprochen habe, empfand sie darüber ein so großes Leid, dass sie ohnmächtig wurde. Aber die Mutter Gottes erschien ihr und sagte, sie solle nur in diese Verbindung einwilligen, sie selbst wolle die Wächterin ihrer jungfräulichen Reinheit sein. Sie führte mit dem Grafen Pietro di Alessio eine dreijährige rein geistliche Ehe. Barfuß, aber so, dass niemand es wahrnehmen konnte, pflegte sie jeden Samstag eine Meile von der Stadt ein Bild der heiligen Jungfrau zu besuchen. Durch die frommen Übungen erwarb sie sich die Gunstbezeigungen der Himmelskönigin, die schließlich wollte, dass sie die Braut ihres göttlichen Sohnes im Orden des heiligen Dominikus werden sollte. Und stets beehrte sie sie mit besonderen Beweisen ihres Wohlwollens. Lucia empfing im Jahre 1496 die Stigmata in Viterbo, die Wundmale unseres Herrn Jesus Christus. Sie war Gründerin und Oberin der Klöster S. Domenico von Viterbo und S. Caterina von Siena in der Stadt Ferrara.
Am 26. Mai 1935, 391 Jahre nach ihrem Tod, wurden ihre Gebeine feierlich in ihre Heimatstadt Narni zurückgeholt. Lucia ist in Viterbo, Narni und Ferrara immer noch berühmt und hochverehrt für ihre Reinheit des Geistes und für den Glauben, den sie gelebt hat.
Ein besonders wichtiges Dokument ihres persönlichen und mystischen Lebens, ist die Autobiographie der seligen Lucia, die acht Monate vor ihrem Tod im Jahr 1544 verfasst wurde und als verloren galt. Sie wurde vor kurzem in Bologna unter dem Titel „Das dominikanische Leben der seligen Lucia da Narni“ wiederentdeckt.