Spät beginnt um diese Jahreszeit der Tag, und früh bricht der Abend herein. Unsere Vorfahren glaubten, dass in den langen Nächten vor und nach der Wintersonnenwende Hexen und Unholde ihr böses Spiel trieben. Es war ein Aberglaube, trefflich indessen versinnbilden die Dunkelheit und der nächtliche Geisterspuk die Finsternis der Sünde in den viertausend Jahren vor Christi Geburt, an die uns der Advent erinnert.
Es war eine dunkle Zeit, die selten nur durch ein Prophetenwort im Alten Bund erleuchtet wurde, aber alle Weissagungen wiesen darauf hin, dass die Finsternis einmal ein Ende nehmen und hell und herrlich das Licht erscheinen werde. Restlos sind die Worte in der Weihnachtszeit erfüllt worden. Da stieg aus dem Lichtschoß des ewigen Vaters der ewige Gottessohn empor, Christus, der Herr, der das Licht vom Licht ist, und leuchtete in die Finsternis der Sünde, und alle Menschen, die im Licht der Gnade wandeln, werden selbst zum Licht, das den anderen leuchtet, die in der Finsternis leben.
So war es auch bei der heiligen Lucia, deren Gedächtnis wir am 13. Dezember begehen. Schon der Name kündet von dem Licht, das von ihr ausstrahlte, denn Lucia heißt auf Deutsch die „Leuchtende“. Ihr Leben lang ist sie wie eine kluge Jungfrau mit der brennenden Lampe eines heiligen Wandels dem Bräutigam Jesus Christus entgegengegangen, und als Heilige steht sie durch ihr Beispiel wie ein Licht auf dem Leuchter, das allen Leuchtet, die in der Finsternis der Sünde leben.
Lucia wurde vor der dritten Jahrhundertwende zu Syrakus auf der Insel Sizilien als Kind vornehmer Eltern geboren. Früh verband sie sich mit dem lieben Heiland durch das Gelöbnis der jungfräulichen Reinheit. Aus ihrer Jugendzeit wird eine Geschichte berichtet, die den Kindern etwas Schönes zu sagen hat. Einmal erkrankte nämlich Lucias Mutter auf den Tod, und kein Arzt konnte ihr mehr helfen. Mit jedem Tag wurde sie weniger, und bald konnte man an den fünf Fingern der Hand abzählen, wie wenige Wochen sie noch zu leben hatte. In dieser Not bettete Lucia als liebende Tochter die kranke Mutter auf einen Fahrstuhl und schob sie bergauf und bergab den weiten Weg nach Catania an das Grab der heiligen Jungfrau und Martyrin Agatha und sprach zu ihr die denkwürdigen Worte:
„Lucia, meine Schwester, was verlangst du von mir? Siehe, dein eigener Glaube und dein eigenes Vertrauen haben deiner Mutter geholfen. Sie ist gesund. Zugleich sollst du wissen, dass du dem lieben Heiland durch deine Jungfräulichkeit in deinem Herzen eine Wohnung bereitet hast, in der er gern weilt.“
So sprach eine Heilige zur anderen. Denkwürdige Worte sind es. Zum Dank für die wunderbare Heilung am Grab der heiligen Agatha haben Lucia und die Mutter nach der Rückkehr von der Wallfahrt Hab und Gut unter die Armen verteilt. Das war recht getan, denn wenn der liebe Gott ein Gebet erhört, so dürfen wir nicht vergessen, ihm durch Werke der Wohltätigkeit ein herzliches „Dankeschön“ zu sagen. Weil Gott gut zu uns war, müssen wir auch gut zu anderen sein.
Nach der Wallfahrt hat Sankt Lucia sich dem Gebet und dem Dienst an den Kranken gewidmet. Alle Werke aber, die sie verrichtete, waren wie Öl, mit dem sie als kluge Jungfrau das Licht ihres heiligen Lebens nährte, bis sie des Martertodes gewürdigt wurde. Sie konnte getrost dem Heiland entgegengehen, denn hell brannte in ihren Händen die Lampe, als der Bräutigam kam, um die Braut zum ewigen Hochzeitsmahl heimzuführen.
Wann unser Sterbetag sein wird, weiß niemand, aber nach dem Vorbild der heiligen Lucia sollen wir durch Gebet und gute Werke dafür Sorge tragen, dass unser Leben hell wie ein Licht leuchtet. Dann mag der Tod kommen zu jeder Stunde am Tage oder in der Nacht, er wird uns bereit finden.
Darüber hinaus lädt Sankt Lucia, die „Leuchtende“, am heutigen Festtag kurz vor Weihnachten uns ein, in diesen Tagen uns im liebenden Gedenken bereit zu machen auf das große Licht, dessen Gedächtnis wir in der heiligen Nacht feiern, bereit zu machen durch Gebet und gute Werke an den Armen.