Der heilige Ludolf stammte wahrscheinlich aus einer angesehenen Familie Westfalens, denn er erhielt, wie die meisten Söhne des westfälischen Adels, seine Jugenderziehung in der berühmten Klosterschule zu Corvey, wo sich von Tag zu Tag die Zahl der Mönche aus den Edlen des Landes mehrte.
Wegen seiner außerordentlichen Tugenden und seiner Wundergabe wurde Ludolf zum Abt des Klosters Corvey gewählt. Schon bevor er die Mitra erhielt, zeichnete er sich so sehr durch Verdienste, Tugenden und Vollkommenheit aus, dass er der Abtwürde mehr zur Zierde gereichte, als diese ihm. Sein unablässiges Bemühen ging dahin, das Fleisch durch Fasten zu zähmen, dass es sich nicht gegen des Geist empörte, den Schlaf durch Nachtwachen zu unterbrechen, damit er im Dienst Gottes nicht träge werde, den sinnlichen Gelüsten nie nachzugeben, damit der Geist umso geschickter würde, sich mit himmlischen Dingen zu beschäftigen. Durch Gebet, Opfer und sehr fleißigen Gebrauch der Gnadenmittel war er in ein so vertrautes Verhältnis zu Gott getreten, dass ihm viele Geheimnisse offenbart wurden, die durch menschliche Forschung nicht zu seiner Kenntnis gelangen konnten. Die armen Seelen im Fegfeuer fanden in seinen Gebeten fortwährend Hilfe und Trost. Wilhelm, Erzbischof von Mainz, Sohn des Kaisers Otto und der Editha, erbat sich in seiner Sterbestunde die fromme Fürbitte Ludolfs. An demselben Tag, als der Graf Gero bei Magdeburg enthauptet wurde, schaute er dessen Haupt morgens während der Heiligen Messe auf dem Altar, und er empfahl ihn dem Gebet seiner Brüder. Sehr viele andere im Fegfeuer leidende Seelen erschienen ihm, um durch seine Fürbitte Erlösung zu empfangen.
Vor allem verdient erwähnt zu werden, was Gelen nach Dithmar von Merseburg in seinem „Schatzkästlein“ von ihm erzählt. Am 24. Juni 976 fiel der heilige Gero, Erzbischof von Köln, in irgendeine Krankheit und wurde derart des Gebrauchs seiner Sinne beraubt, dass er von dem Kanonikus Everger, der bei ihm Dienst hatte, für tot gehalten wurde. Der scheintote Leib wird in den Sarg gelegt, das Gerücht von dem vermeintlichen Tod verbreitete sich unter dem Volk, am folgenden Tag wird das Begräbnis veranstaltet, das Totenamt im Dom gefeiert und der Leib in der Gruft beigesetzt. In der dritten Nacht erwacht Gero wie aus tiefem Schlaf und ruft wieder und wieder, dass man ihm doch die vermauerten Eingänge der Gruft öffnen solle. Einer hört das und glaubt es dem Everger anzeigen zu müssen. Der aber hielt den Boten für einen abergläubischen Träumer und jagte ihn zum Haus hinaus. Der Bote schwieg. Der heilige Gero hatte wirklich noch gelebt, denn als man bald nachher sein Grab öffnete, zeigten sich noch frische Blutspuren. Noch lebend wurde er den Toten zugesellt. Am 28. Oder 29. Juni erlag er einem schrecklichen, aber nicht unseligen Tod. Wie könnte man den Tod für einen unseligen halten, dem ein heiliges Leben voranging? Gleich nach seinem Tod erschien der heilige Erzbischof dem heiligen Abt Ludolf, redete einige Worte zu ihm und forderte ihn auf, ihm das Requiem zu singen.
Nach diesem Ereignis lebte der heilige Abt noch sieben Jahre. Am 13. August 983 beschloss er zu Corvey sein heiliges Leben mit dem glückseligsten Tod, nachdem er 26 Jahre seine Abtswürde bekleidet hatte. Da sein Grab durch viele Wunder verherrlicht wurde, erhob der Abt Markward und Bischof von Osnabrück im Jahr 1100 die Gebeine des Heiligen und setzte sie in einem vergoldeten, hölzernen Schrein vor dem Kreuzaltar bei. Als Christoph Bernhard von Galen, Bischof von Münster und Administrator von Corvey, den Neubau der Kirche vollendet hatte, ließ er im Jahr 1662 die Reliquien des heiligen Ludolf zugleich mit denen des seligen Abtes Druthmar in die Krypta der neuen Kirche übertragen, wo sie noch am Ende des 17. Jahrhunderts aufbewahrt wurden, obgleich sie durch die Sorglosigkeit irgendjemandes in Unordnung gerieten. Das Bildnis des heiligen Ludolf zierte einst unter andern Heiligenbildern das Chor der Abteikirche, mit der Inschrift: Der heilige Ludolf, Abt von Corvey.