Im alten Schott fand man heute den Schluss der Achttagefeier des heiligen Erzmartyrers Stephanus. Nebenher begeht die Kirche das Gedächtnis des heiligen Makarius. Fremd klingt der Name im Ohr. Nur in Griechenland und in den angrenzenden Gegenden gibt es noch manche, die den Namen Makarius tragen, der übrigens ein sehr schöner Name ist, denn Makarius bedeutet auf Deutsch „Hans im Glück“.
Der heilige Makarius war wirklich ein rechter Hans im Glück, ähnlich und doch ganz verschieden von jenem Hans im Glück, der im Märchen vorkommt. Dieser vertauschte bekanntlich den Goldklumpen mit einem Pferd und das Pferd mit einem Schwein und das Schwein mit einer Gans, und schließlich hatte er nichts mehr. Das war nicht gerade klug, viel klüger war dagegen der heilige Makarius, der lebenslang auch tauschte, aber stets das Geringere gegen Besseres eintauschte.
Makarius, der ungefähr vor sechzehnhundertfünfzig Jahren in der Weltstadt Alexandrien am Mittelmeer geboren wurde, begann frühzeitig mit dem Tauschen. Als Zehnjähriger erhielt er einmal eine Schachtel voll süßer Feigen zum Geschenk. Was mag er mit den Feigen gemacht haben? Er aß sie nicht, sondern verkaufte sie, und für das Geld, das er dafür erhielt, kaufte er sich zwei andere Schachteln Feigen, die er wieder verkaufte, und für den neuen Erlös bekam er schon vier Schachteln Feigen, und so weiter im ständigen Einkauf und Verkauf. Das war der bescheidene Anfang des späteren großen und stadtberühmten Obst- und Feinkostgeschäftes Makarius & Co. zu Alexandrien.
Makarius war also ein Hans im Glück, der durch den Ein- und Umtausch von Waren mit der Zeit ein schwerreicher Mann wurde. Während er als Junge bettelarm war, besaß er mit dreißig Jahren bereits eine großmächtige Villa am Meer und nannte Kisten und Kästen voll Gold und Silber sein Eigen.
Makarius war wirklich ein Hans im Glück, glücklich war er aber trotzdem nicht. Wenn der Großkaufmann Makarius tagsüber mit den Händlern um den Wareneinkauf verhandelte oder die Bediensteten im Laden beaufsichtigte oder den Kunden den Hof machte, so fühlte er sich ganz in seinem Element. Anders aber erging es ihm an den betriebslosen, stillen, langen Abenden. Da saß der reiche Mann Stunde um Stunde trübselig neben dem trübseligen Öllämpchen, wie man sie damals hatte, und langweilte sich, und alles ekelte ihn an, das Geschäft, das Geld und überhaupt das ganze Leben. Wozu alle Unruhe und Unrast Tag um Tag, wenn zum Schluss nichts weiter übrigblieb als der öde Geldplunder?
Von dieser Art waren die Gedanken, die sich der Kaufmann Makarius mit jeder Woche mehr machte, und eines Tages war er es satt, er verschenkte alles, was er besaß, alles aus der Villa und alles aus dem Laden. Solch einen Ausverkauf hatte die Weltstadt Alexandrien noch nicht erlebt, und weil die Waren nichts kosteten, strömten die Kunden in Menge herbei. Hinter dem Rücken des Kaufmanns Makarius tippten sich die Leute auf die Stirn, aber um so lieber bedienten sie sich selbst kostenfrei in den reichen Auslagen des Großgeschäftes. Auf diese Weise wurde der reiche Kaufmann an einem einzigen Tag arm.
Gleich darauf verschwand Makarius aus der Stadt, und niemand wusste, wohin er gegangen war. Immer weniger redete man mit der Zeit von ihm, und schließlich war er vollständig vergessen. Erst dreißig oder vierzig Jahre später war sein Name plötzlich wieder in aller Mund, und man erzählte sich Wunderdinge von dem heiligen Einsiedler Makarius, der fern in der Wüste hauste, nur von Brot und Bohnen lebe, armselig in einer kleinen Höhle wohne, faste, bete, und büße, und wer den Wunsch hege, einmal im Leben einen wirklich glücklichen Menschen zu sehen, der solle zu Makarius gehen.
Auf dieses Gerücht hin gingen auch manche Leute in die Wüste und suchten den Einsiedler auf, und was sie da sahen und erlebten, war eine Bestätigung des Geredes, denn sie fanden einen rechten Hans im Glück, der ihnen in Wort und Beispiel die beseligende Wahrheit verkündete, dass das Glück nicht im Besitz der irdischen Dinge besteht, sondern im freiwilligen Verzicht auf sie um des himmlischen Lohnes willen.
Makarius ist ungefähr hundert Jahre alt geworden und als er starb, hatte er als kluger Lebenskaufmann so viele Verdienste erworben, dass ihm der liebe Gott dafür den Himmel eintauschte. Da war aus Makarius der ewige Hans im Glück geworden.
Tierärzte im Nebenberuf
(Aus: Tiere unterm Regenbogen, Aloysius Roche, 1954)
Viele hundert Jahre lang war der heilige Blasius eigentlich „jedermanns Heiliger“, so wie der heilige Antonius oder der heilige Franziskus es in unserer Zeit sind. Besonderes Interesse an ihm hatten alle, die es mit der Medizin zu tun hatten, sicherlich, weil er auch Arzt war. Menschen, die eine Krankheit im Hals haben, wenden sich besonders an St. Blasius, und bis zum heutigen Tag wird an seinem Festtag ein besonderer Segen gegeben, als Schutz gegen solche Krankheiten.
Sein Ruf war so groß, dass die Einwohner der Stadt in Armenien, in deren Nähe er lebte, ihn zum Bischof haben wollten. Zunächst mussten sie ihn erst einmal finden, denn er hatte so eine Art, sich an den unmöglichsten Orten zu verstecken; eine Höhle in den Bergen oder eine hohle Eiche im Wald waren ihm gerade recht. Jedenfalls ging mit Hast und Eile das Suchen los, eine ganze Menge Volk zog aus, den Einsiedler zu finden. Schließlich kamen sie zu einem hohen Hügel, an dessen Seite eine tiefe Höhle war. Hier fanden sie Blasius, umgeben von den wildesten Tieren, die ihnen bekannt waren, er aber bewegte sich frei und sicher zwischen ihnen, legte ihnen die Hand auf den Kopf und war ganz vertraut mit ihnen.
Es kam dann heraus, dass er dort oben eine richtige Tierklinik gehabt hatte. Die Tiere hatten herausbekommen, dass Blasius ein Arzt war, und dass er auch Operationen machen konnte. Wenn also ein Löwe oder Leopard, Wolf oder Bär sich schlecht fühlte oder sich verletzt hatte, dann ging er zu Dr. Blasius am Hügel. War er am Beten, wenn die Patienten kamen, dann warteten sie geduldig, bis er geendet hatte. Er brauchte keine Medizin und keine Heilsäfte, er berührte sie einfach mit der Hand und rief den Namen dessen an, der ein jedes Tier nach seiner Art erschuf.
Man kann ganz traurig bei dem Gedanken werden, wie es den Tieren wohl erging, als Blasius nicht mehr zu ihrer Hilfe da war. Er wurde Bischof in Armenien, ein Land, das ja für sich in Anspruch nimmt, eins der ersten gewesen zu sein, dass sich zum Christentum bekehrt habe. Leider hat dieser freundliche Mann einen grausamen Tod gehabt. Er wurde wegen seines Glaubens zu Anfang des sechsten Jahrhunderts getötet. Während er im Gefängnis auf sein Ende wartete, machte er die Operation, durch die er so berühmt wurde. Die Legende berichtet, dass er dem Sohn des Gouverneurs eine Fischgräte aus dem Hals zog. Aber ihn selbst rettete das nicht.
Ein anderer, ihm ähnlicher Mann, der auch heilen konnte, war Makarius von Alexandrien, der fast hundert Jahre nach St. Blasius starb. Er lebte in der ägyptischen Wüste und verbrachte eigentlich all seine Zeit im Gebet. Aber er war voll praktischer Liebe und hatte ein mitleidiges Herz für alle Leidenden und Traurigen.
Eines Abends – er betete auf seinen Knien – hörte er jemand anklopfen oder eigentlich kratzen, und das an seiner Zellentür! Ehe er noch öffnen konnte, erschien eine riesige Hyäne, die etwas im Maul trug. Sie kam direkt auf Makarius zu und legte das Paket zu seinen Füßen nieder. Es war ein sehr lebendiges Paket, das sie da hatte, und es enthielt nichts anderes als ihren eigenen Welpen. Der Mönch hob das Kleine vom Boden auf, nahm es auf den Schoß und untersuchte es sorgsam, um zu finden, was ihm fehlte. Er brauchte nicht lange dazu: das hilflose Geschöpf war blind.
Nun kann ganz gewiss kein wildes Tier unter den andern leben, wenn es blind ist. Die meisten Tiere kommen in Höhlen oder im Bau zur Welt und öffnen die Augen erst einige Zeit nach dem Wurf, zum Beispiel das Kaninchen. Sie brauchen ja auch in dem Alter die Augen noch nicht, denn sie leben an einem dunklen, sicheren Ort. Merkwürdigerweise kann der Hase, der dem Kaninchen sonst so ähnlich ist, vom ersten Moment an sehen. Aber Hasen werden ja auch über und nicht unter der Erde geboren und müssen also gleich wissen, wenn Gefahr droht.
Wieso die Hyänenmutter wissen konnte, was mit ihrem Welpen los war, das lässt sich wohl nur durch das Wort „Instinkt“ ausdrücken, der ja in allen Tieren sehr stark ist. Jedenfalls wusste sie es, und ihr fiel sofort Makarius ein. Sie erwischte ihr Junges am Nackenfell und trabte aus ihrem Bau über den Sand, bis sie die Zelle des Mönches erreichte. Das erste, was er tat, war, dem Kleinen die Augen zu salben. Dann betete er laut, und sogleich konnte das kleine Geschöpf seine Mutter zum ersten Mal sehen. Dann wanderten die beiden in ihren Bau zurück, aber die Mutter vergaß den Wohltäter nicht. Am nächsten Tag schon war sie wieder an seiner Tür und brachte ihm ein Schaffell, von dem sie meinte, es könne Makarius nützlich sein. Der alte Mann schüttelte den Kopf, - er war der Ansicht, dass es nicht auf rechtmäßige Art erworben war. Er hielt der Hyäne eine kleine Predigt und legte ihr das Versprechen nahe, in Zukunft Schafe in Frieden zu lassen, dann aber nahm er die Gabe an.