Im Diadem einer Königin glänzen neben den Edelsteinen kostbare Perlen, deren Wert manchmal Millionen aufwiegt. In dem Schmuck der Königin aller Heiligen bemerken wir einen strahlenden Kranz echter Perlen, die jungfräulichen Seelen darstellend, die ihrem erhabenen Vorbild treu nachgefolgt sind. War Maria die erste, die erhabenste und vollkommenste Jungfrau, die sich durch das Gelübde der steten Jungfräulichkeit und Keuschheit Gott verband, so haben ihr im Lauf der christlichen Jahrhunderte tausende und tausende edler Jungfrauen und Jünglinge nachgeeifert, um gleich ihr am Thron des makellosen Gotteslammes in weißen Kleidern stehen zu dürfen. Eine dieser edlen, reinen Jungfrauen war Margarita, die Tochter des Königs Bela IV. von Ungarn.
Als die Mongolen, wie einst bei der Völkerwanderung, das asiatische Steppenland verließen und Ungarn mit Feuer und Schwert verwüsteten, floh der bedrängte König mit den Seinigen nach Dalmatien. In seiner äußersten Bedrängnis gelobte er, das Kind, das seine Gattin bekommen würde, dem Dienst der Kirche zu weihen. Die Königin gebar eine Tochter, die in der heiligen Taufe den Namen Margarita (d.h. Perle) empfing. Der Name des Kindes entsprach ihrem späteren Leben, denn sie wurde eine Perle unter den Jungfrauen. Die Königstochter hatte noch nicht ihr viertes Lebensjahr vollendet, als ihre Eltern sie den Dominikanerinnen zu Vesprin übergaben. Nicht lange danach erbaute der König ein Kloster desselben Ordens auf einer Donauinsel zwischen Ofen und Pesth und ließ seine Tochter dorthin bringen. Hier legte Margarita in einem Alter von zwölf Jahren die Ordensgelübde ab.
Die junge Nonne bildete sich mit außerordentlichem Fleiß in den Wissenschaften und weiblichen Handarbeiten aus, besonders drang sie tief in die Kenntnis der Religion ein und übertraf darin viele Erwachsene. Ihre Andachtsglut und ihre Liebe zu göttlichen Dingen würdigte sie besonderer Erleuchtungen. In ihrer Demut und Selbstverleugnung wollte sie als niedrigste Magd angesehen werden und wurde immer betrübt, wenn man sie an ihre vornehme Geburt erinnerte. Mehrere Fürsten bewarben sich um die Hand der schönen Prinzessin und ihre Eltern wollten Dispens für sie erwirken, sie aber erklärte voll Entrüstung, sie wolle lieber ihr Leben verlieren, als ihr Ordenskleid.
Margarita war das Muster einer vollkommenen Ordensfrau. Obgleich sie ihre Seele von jedem Schatten der Sünde rein bewahrte, so betrachtete und behandelte sie sich als die größte Sünderin. Sie schlief auf dem Boden ihrer Zelle, nur mit einem rauen Fell bedeckt, einen Stein als Kopfkissen unter ihrem Haupt. Suchte sie Gott mit einer Krankheit heim, so verbarg sie sorgfältig ihre Schmerzen, damit man sie nicht nötige, die den Kranken gestatteten Erholungsmittel zu gebrauchen.
Behandelte Margarita sich selbst mit aller Strenge, so zeigte sie gegen andere eine außerordentlich zarte und wohlwollende Liebe. Erhielt eine ihrer Mitschwestern einen Verweis oder eine Strafe, so wünschte sie sehnlichst, anstatt ihrer diese Verdemütigung zu leiden. Schien eine Mitschwester auch nur die geringste Abneigung gegen sie zu hegen, so warf sie sich ihr zu Füßen und bat um Verzeihung. Erhielt sie von ihren königlichen Eltern Geschenke, so wandte sie diese den Armen zu. Den Kranken erwies sie die niedrigsten Dienste ohne Abscheu und Ekel. So wurde sie allen alles.
Eine besondere Verehrung hegte Margarita zum heiligen Kreuz. Von dem Kreuz, an dem unser Erlöser für die Sünden der Menschheit gestorben war, trug sie stets eine Partikel bei sich und küsste sie oft mit tiefster Verehrung. Vor dem Kreuzaltar der Klosterkirche kniete sie oft in tiefster Andacht nieder und rief voll Inbrunst den heiligen Namen Jesus an. Während der Anhörung der heiligen Messe und beim Empfang der heiligen Kommunion rannen gewöhnlich Tränen der Rührung von ihren Wangen. Am Vorabend des Tages, wo sie die heilige Kommunion empfing, nahm sie keine andere Nahrung zu sich, als Wasser und Brot, und brachte die Nacht im Gebet zu. Am Tag, wo sie sich mit ihrem göttlichen Heiland im Mahl der Liebe vereinigt hatte, genoss sie erst am Abend ein wenig Speise. Aus ihrer Liebe zu Jesus entquoll auch die innige Verehrung zu seiner heiligen Mutter. An den Festtagen der allerseligsten Jungfrau strahlte das Angesicht ihrer warmen Verehrerin von heiliger Freude und Inbrunst und in ihrem Herzen sprossen neue Entschlüsse auf, der Königin der Jungfrauen möglichst ähnlich zu werden.
Wegen ihrer vorzüglichen Tugenden wurde Margarita zur Äbtissin des Klosters erwählt. In ihrem Amt verdoppelte sie ihren Bußeifer, las eifrig in den heiligen Schriften, betrachtete andächtig die ewigen Wahrheiten und vervollkommnete ihre eigene Seele, wie die Seelen ihrer Mitschwestern. In der Blüte ihrer Jahre, in einem Alter von 28 Jahren, rief sie Gott im Jahr 1270 zu den ewigen Freuden des Himmels, um dort als auserwählte Perle zu glänzen im Ehrenkranz der Königin aller Jungfrauen. Das Kloster, das Margarita mit dem Glanz ihrer Tugenden erfüllte, wurde später von den Türken zerstört, aber heute noch wird die Insel nach ihrem Namen Margareteninsel genannt. Die Stadt Pressburg bewahrt voll Ehrfurcht ihre Reliquien.