Das Leben dieser ehrwürdigen Dienerin Gottes bietet die dem schwachen und unbeständigen Menschen eigentümliche Erscheinung des unwillkürlichen Zuges hin zu Gott, dann aber auch der immer wieder sich geltend machenden Anhänglichkeit und Hinneigung zur Welt. Der endliche Sieg der Gnade führte aber schließlich diese auserwählte Jungfrau außerordentliche Wege, die vornehmlich durch eine ganz besondere Andacht zum göttlichen Erlöser im heiligsten Sakrament der Liebe gekennzeichnet sind. Über ihren inneren Lebensgang gibt ein Bericht sicheren Aufschluss, den sie selbst auf Wunsch ihres Diözesanbischofs gegeben hat, wie mehrere Briefe, in denen sie ihrem Gewissensführer Rechenschaft gibt.
Maria Eustella war am 19. April 1814 in der Stadt Saintes, Diözese La Rochelle, in Frankreich geboren. Böse Keime schlummerten im Herzen des Kindes: Ein großer Hang nach Vergnügungen, Eitelkeit und Hoffart, die unbeachtet und unbezähmt mit dem Alter wuchsen, da niemand sich fand, der das Kind angeleitet hätte, sie zu bekämpfen. Sie gingen bald in Widerspenstigkeit und Ungehorsam über. Da Maria in der Religion gut unterrichtet wurde, so erkannte sie in ihrem elften Jahr bei der Vorbereitung auf die erste heilige Kommunion, dass gar mancherlei in ihrem Herzen dem Herrn missfallen müsste, und nun fing sie an, ihr Leben ernstlich zu ändern. Schon jetzt fühlte sie eine große Sehnsucht nach der heiligen Kommunion, auf die sie sich ernsthaft durch eifriges Gebet und Enthaltung von kindlichem Spiel und Unterhaltung vorbereitete. Wie glücklich war sie, als sie dann den Heiland im Sakrament empfangen durfte! Mit Entschlossenheit führte sie nun auch ihre guten Vorsätze aus.
Doch Maria musste das Nähen lernen und bekam dadurch leichtsinnige Mädchen zu Genossinnen. Durch deren Reden und Beispiele verlockt, wurde sie selbst wieder leichtsinnig. Sie ergab sich der Eitelkeit, machte Tanzunterhaltungen mit und empfing nur zweimal im Jahr die heiligen Sakramente. So häufig werden die Beteuerungen wieder vergessen, die von leichten Kinderherzen dem Herrn im Sakrament gemacht werden! Dabei mied aber doch das junge Mädchen die schwere Sünde und entsprach den Geboten der Kirche. Aber – und so geht es bei der Mehrzahl der Menschen – sie tat alles gleichgültig, lau, weil es eben so herkömmlich war, ohne innere Neigung und Andacht. Das ist der Weg, der unversehens zum gänzlichen Fall führt, da die wiedererwachenden Leidenschaften im Innern freies Spiel bekommen, von außen aber die Versuchungen aussichtsreicheren Erfolg gewinnen. Hatte indessen Maria den Heiland verlassen, er, der gute Hirte, verließ sie nicht. Mitten im Getöse der Welttorheiten ließ er seine Stimme vernehmen, die warnte, strafte und zurückrief. Lange wogte der Kampf zwischen der Liebe zu Gott und der Liebe zur Welt im unbeständigen Herzen hin und her. Da fügte es sich, dass ein Jubiläum eintraf. Zur Gewinnung des Ablasses legte Maria Eustella eine reumütige Beichte ab und da war es, wo ihr Gott durch den Mund des Priesters, der durch eine besondere Erleuchtung ihren Seelenzustand erkannte, die eindrucksvolle Mahnung zugehen ließ: „Der Herr hat mit dir, mein Kind, besondere Absichten. Ich ermahne dich ernstlich, ihnen zu entsprechen.“ Das wollte sie nun auch wirklich. Freiwillig bat sie, eine größere Buße auf sich nehmen zu dürfen und versprach fest, aller Eitelkeit der Welt und ihren Gelegenheiten zur Sünde zu entsagen. Ihre Seele schien nun endgültig für Gott gewonnen zu sein. Allein noch einmal erlag sie der Versuchung. Gelegentlich eines Besuches bei Verwandten zum Tanz aufgefordert, vermochte das junge Mädchen abermals nicht zu widerstehen. Die Wirkung war aber diesmal die, dass sie statt Vergnügen Ekel davor empfand. Sofort bekannte sie mit tiefster Reue ihre Wortbrüchigkeit in der Beichte und beteuerte nunmehr, unverbrüchlich Gott allein anhangen zu wollen. Sie erzählte selbst als Wirkung der Osterkommunion: „Jesu sakramentale Gegenwart hat mir das Leben zurückgegeben und wie unser Erlöser siegreich vom Grab auferstanden ist und den Satan und die Hölle niedergeworfen hat, so siegte er, indem er mein Herz zu seinem Thron machte, über alle Feinde, die meine Seele eingenommen und ihn so lange gehindert hatten, in ihr zu herrschen.“ Damit war sie für immer an das heiligste Sakrament fest gekettet.
Fortan ging sie nun täglich zur heiligen Messe, machte am Abend eine Besuchung beim Allerheiligsten, die sie am liebsten über die ganze Nacht ausgedehnt hätte, betete täglich den Rosenkranz und hielt geistliche Lesung, mied dagegen allen unnötigen Umgang mit den Leuten und bezähmte mit aller Strenge ihre Sinne und schlimmen Neigungen, besonders ihre Lebhaftigkeit, Empfindlichkeit und Eigenliebe. Die heilige Kommunion empfing sie alle vierzehn, später alle acht Tage. Die Zwischenzeit diente der Danksagung für die empfangene Gnade und der Vorbereitung für die kommende. Wie sehr der Heiland die nun so treue Jungfrau zu seinem besonderen Dienst in der heiligen Eucharistie erwählte, berichtete sie ihrem Beichtvater mit den Worten: „Unser Herr wollte mir zu erkennen geben, dass es sein Wille sei, ich sollte alle meine Kräfte dazu verwenden, ihn im heiligsten Sakrament der Liebe zu ehren, und diese Verehrung sollte meine ausschließliche Beschäftigung sein. Denn obgleich ihm viele Seelen mit Treue dienten, weihten ihm doch nur wenige die innerliche Verehrung, die allein imstande ist, Anbeter im Geist und in der Wahrheit zu bilden. Ich stellte dem Herrn die Tiefe meines Elends vor und wie sehr ich armselige Sünderin einer solchen Auserwählung unwürdig sei. Allein er ließ mich nun den unendlichen Reichtum seiner Barmherzigkeit einsehen und machte mir verständlich, dass er seine Gnaden gern über die Geringsten und Schwächsten ausgieße, wenn er sie zur Erfüllung seiner Absichten bereitfindet.“
Immer glühender wurde die Liebe der Ehrwürdigen zu Jesus im göttlichen Sakrament. Wenn sie davon sprach, wurde sie ganz entzückt und fühlte sich wie außer sich. Ihr Herz ward davon ganz hingerissen und verzehrt. Der Herr vergalt ihre Liebe und Treue mit außerordentlichen Gunstbezeigungen. Sie schaute ihn in der Monstranz unter der Gestalt eines Kindleins, das mit der einen Hand auf sein Herz deutete und die andere nach ihr ausstreckte. Bei der Wandlung sah sie den Heiland wie ein geschlachtetes Opferlamm und vernahm die Worte: „Ich opfere mich für meine Sünder.“ Bisweilen sah sie sich mitten unter die anbetenden Engel versetzt. Wenn der Heiland von ihr ein Opfer forderte, wie z.B. die Entsagung jeglichen Eigentums, so erschien er ihr in seiner heiligen Menschheit, sagte ihr, was er wünschte, zeigte ihr sein göttliches Herz und sprach zu ihr: „Von hier geht dieser Wunsch aus, von hier lade ich dich zu diesem Opfer ein.“
Hatte Maria im Anfang ihrer Bekehrung viel unter dem Spott der Leute zu leiden, so verwandelte sich dieser nach und nach in Hochachtung und Verehrung. Personen von höchstem Rang suchten die arme Näherin auf, um bei ihr Erbauung und Belehrung zu finden. Andere gingen sie brieflich um ihren Rat und ihr Gebet an. Von ihren Worten und Schriften sagten Bischof Klemens von La Rochelle und andere Geistesmänner, dass ihre unnachahmliche Schreibart beweise, dass Christus der Herr, der sie mit glühendster Liebe zu ihm erfüllt hatte, ihr auch die Ausdrücke beim Niederschreiben ihrer Gedanken eingegeben habe. Ihre Schriften, von inniger Liebe zum heiligsten Sakrament erfüllt, seien in besonderer Weise geeignet, die heilige Liebe zu diesem Geheimnis zu entzünden und den Eifer zur oftmaligen Kommunion und zum häufigen Besuch des heiligsten Sakramentes zu wecken. Der hochwürdigste Oberhirte übergab deshalb selbst ihre vielen Briefe dem Druck.
Maria Eustella hat ihr Leben früh vollendet. Wie die Lampe vor dem Tabernakel ward sie aufgezehrt von dem Feuer der Gottesliebe. Im Alter von 28 Jahren erlag sie einer schweren Krankheit, deren große schmerzen sie mit heiterer Miene ertrug, gestärkt durch das Brot der Starken, überselig im Besitz ihres Herrn.
Gelingt der volle Sieg über die Leidenschaften und die Liebe zur Welt nicht aufs erste Mal, fasse Mut und versuche es immer wieder mit Beharrlichkeit. Überlasse dich rückhaltlos und entschieden den Absichten und Wünschen des Herrn; er führt dich sicher zum Glück. „Seele Christi, heilige mich! Leib Christi, mache selig mich!“