(Symbolbild Allerheiligen)
Michael della Fonte war im Jahr 1538 zu Valencia in Spanien von vornehmen Eltern geboren, die nicht nur wegen ihres hohen Adels und großer Reichtümer, sondern auch wegen ihres gottseligen Wandels in hohem Ansehen standen. Michael zeigte auch von Kindheit an, dass das Beispiel und die Unterweisungen solcher Eltern Frucht an ihm brachten. Noch während er den niederen Studien oblag, verlor er seine beiden Eltern durch den Tod, und die genossene gute Erziehung scheint noch lange in ihm fortgewirkt zu haben, bis er endlich mehr herangewachsen und in jenes Alter getreten war, wo alles in und außer dem Menschen sich vereinigt, ihn auf schlüpfrige Pfade zu locken. Bei Michael verlor sich anfangs die Andacht, die Liebe zum Gebet und andere fromme Übungen, und mit ihr verminderte sich auch die Furcht Gottes, die Zartheit des Gewissens. Aus der Erzählung seiner Lebensgeschichte scheint hervorzugehen, dass er bereits auf die breite Straße eingelenkt, aber doch von gröberen Ausschweifungen, sei es aus Anstand oder durch einen Rest von Frömmigkeit, sich bisher bewahrt hatte. Aber einmal verleitete Leichtsinn und Leidenschaft ihn zu einem nächtlichen Ausgang, bei dem seine Unschuld und vielleicht auch das leibliche Leben der größten Gefahr ausgesetzt war.
Als er auf diesem unseligen Gang, ganz in die Eitelkeiten der Welt und in die Träumereien des jugendlichen Leichtsinnes versenkt, dahin wandelte, glaubte er auf einmal den Ruf vernommen zu haben: „Wo gehst du hin?“ Weil er aber niemanden sah und noch sonst etwas vernehmen konnte, ging er seines Weges weiter. Kaum hatte er einige Schritte getan, da hörte er dieselben Worte rufen aber zweimal wiederholt: „Wo gehst du hin? Wo gehst du hin?“ Michael war sehr betroffen, und fühlte im Bewusstsein seiner Schuld die Angst des Gewissens und sich innerlich zur Umkehr angetrieben. Aber als ein anderer Saulus, „der gegen den Stachel ausschlug,“ suchte er sich bald wieder den Ruf auf natürliche Weise zu erklären, fing an, sich seiner Furcht zu schämen, und ging weiter. Aber Gottes Langmut ermüdete nicht, das verirrte Schäflein zurückzurufen. Zum dritten Mal erscholl der Ruf, aber weit stärker und eindringlicher. Der Gewarnte widerstand nicht länger. Unverzüglich kehrte er um und ging geraden Weges der Kirche zu, die man „Unsere Liebe Frau de los Desemperados“ – d.i. der Verlassenen – nennt, trat, da er sie offen fand, ein, und warf sich, nachdem er zuvor seinen Degen abgelegt hatte, vor dem Muttergottesaltar nieder und verharrte die ganze Nacht im Gebet. Deutlich zeigte sich ihm da der Zustand seiner Seele, und er betete unter Tränen zur Mutter der Verlassenen, dass sie durch ihre mächtige Fürbitte ihn auf den Weg seiner Jugend zurückführen, und hier sich als Mutter eines Verlassenen erzeigen wolle.
Michael fand sich auch wunderbar getröstet. Sein Herz war voll Dank gegenüber Gott und seiner gnadenreichen Mutter. Er war fest entschlossen, auf den verlassenen Weg der Tugend zurückzukehren und allen Eitelkeiten der Welt zu entsagen. Die Predigt eines eifrigen Priesters, der damals in Valencia große Frucht bei seinen Zuhörern schaffte, vollendete das Werk der Gnade. Michael ging nach der Predigt geraden Weges nach Hause, zog seine prächtigen Kleider aus, hüllte seinen bisher so weichlich gepflegten Leib in ein raues Bußgewand, das er mit einem Strick um die Lenden befestigte, und begab sich in diesem Aufzug mit großer Sittsamkeit auf die öffentlichen Straßen. Es konnte nicht fehlen, dass die einen ihn bemitleideten, die anderen sich über ihn lustig machten, während alle Guten, die ihn kannten, sich an ihm ebenso erbauten, als sie sich vorher betrübt und geärgert hatten. Der junge Büßer blieb mit der Gnade Gottes und dem Beistand Mariens taub und unempfindlich für Spott und Überredungskünste. Als einmal einer bei seinem Anblick zu seiner Umgebung so laut, dass es auch Michael hören konnte, höhnisch sagte: „Ei seht nur, was der Kavalier Michael della Fonte nicht für ein Narr geworden ist!“ wendete er Augen und Herz zum Himmel und sprach bloß die Worte des heiligen Apostels: Wir sind Toren um Christi willen.
Als er einst durch die Stadt ging, fiel von einer Mauer ein großer Stein auf ihn herab, jedoch so, dass er nicht ihn selbst, sondern nur die Krempe seines Hutes traf. Da er nun sah, dass er kaum vier Finger breit vom Tod entfernt gewesen war, erhob er seine Augen zum Himmel und sprach: „Herr, ich verstehe dich. – Du hast mir schon ziemlich deutlich zugeredet; zuerst mit Worten, jetzt durch die Tat; es genügt.“ Sprachs und begab sich geraden Weges in das Kollegium der Gesellschaft Jesu und bat inständig um Aufnahme. Da seine Lebensänderung und sein seitheriger Wandel bekannt waren, erfüllte man bereitwillig seine Bitte, und er trat in den Orden im einundzwanzigsten Jahr seines Alters.
Mitten in seinem seeleneifrigen Wirken wagte sich manchmal der Versucher an ihn, und suchte ihn besonders durch die Erinnerung an die Sünden seines früheren Lebens und durch den Gedanken an Gottes strenge Gerechtigkeit mutlos zu machen. Aber immer nahm er seine Zuflucht zur Mutter seines beleidigten Gottes und Richters, und immer fand er durch sie Trost und Beruhigung und neuen Mut. Als er einmal, schwer erkrankt, mitten unter ungläubigen Soldaten lag, und beim Andenken an das Gericht, vor das ihn nach seiner Meinung bald der Tod führen würde, ihn die furchtbarsten Zweifel marterten, ob ihm wohl Gott seine Sünden wirklich verziehen habe, zeigte sich ihm der göttliche Heiland mit Blut überronnen, aber ganz hellglänzend und mit liebevollem Angesicht und sprach: „Sieh Michael, all dieses Blut bin ich bereit, für dich meinem himmlischen Vater aufzuopfern, und du zweifelst noch, ob dir deine Sünden verziehen sind? Nun, so wisse, dass sie dir nicht nur verziehen sind, sondern dass du nach deinem Tod sogleich in die Glorie des Himmels eingehen wirst, ohne die Peinen des Fegfeuers zu fühlen.“ Nach diesen Worten verschwand die Erscheinung vor dem Geist und zugleich alle Verwirrung und Angst aus dem Gemüt Michaels, ja auch leiblich genas er von seiner Krankheit.
Auch die allerseligste Jungfrau tröstete sichtbar ihren Liebhaber, da er in seinen Bemühungen für die Bekehrung der ungläubigen Heiden und der schlechtgläubigen Christen nicht bloß innerliche, sondern auch vielfache äußerliche Leiden zu dulden hatte.
Nachdem er von seinem Obern aus Indien nach Valencia zurückberufen worden ist und auch im Vaterland durch mannigfaltige Bemühung für das Heil der Seelen, besonders durch Missionen in und um Valencia, großen Gewinn für den Tag der Ernte gemacht, und endlich dieser für ihn angekommen war, sah er gleichsam den Himmel selbst zu sich auf die Erde herabkommen, ehe seine Seele sich in den Himmel schwang. Ein großer Diener Gottes und Guardian, der Barfüßer-Franziskaner bei St. Johann della Ribera, sagte und bezeugte es gerichtlich, er habe die Mutter des Herrn, begleitet von drei ehrwürdigen Männern, in denen er die heiligen Apostel Petrus und Johannes und den heiligen Ordensvater Ignatius erkannte, in sichtbarer Gestalt zum Bett des sterbenden Paters treten und nach seinem Verscheiden eine überaus schöne und kostbare Krone auf sein Haupt setzen sehen.