Heiliger Nikolaus I., Papst, + 13.11.872 – Fest: 13. November

 

Als der Gründer des Reiches Gottes auf Erden in jener großen weltgeschichtlichen Stunde bei Cäsarea Philippi Simon, des Jonas Sohn, zum Petrus, zum Felsenmann, bestimmte und ihm die Schlüssel seines Reiches anvertraute, da war die ganze Fülle der Gewalt des Papsttums festgelegt. Von dem, was der Herr mit dem „Felsenmann“ und der Schlüsselgewalt besagen wollte, gab es anschließend keinen Zuwachs noch einen Abstrich an der gottgeschaffenen Papstgewalt. Aber es ist einleuchtend, dass diese Gewalt nicht bei einem jeden der vielen Nachfolger Petri in gleicher Weise in die Erscheinung trat. Erst die Zeit und die jeweils auftauchenden Verhältnisse ließen sie bis zur äußersten Grenze sich auswirken. Dem heiligen Papst Nikolaus I., den die Geschichte mit dem Beinamen des Großen schmückt, war es gegeben, die Bedeutung des Papsttums in seiner höchsten Auffassung durch seine heldenhafte Persönlichkeit zum ersten Mal zu vertreten. Nikolaus I. ist in schwerster Zeit ein Hort echter Kultur geworden als Kämpfer für den kirchlichen Vorrang des römischen Stuhles, als Verteidiger von Recht und Sitte, als wahrer Vater seines Volkes.

 

Nikolaus, der Sohn eines römischen Beamten, dem die Sorge für die Armen in seinem Bezirk oblag, Diakon der römischen Kirche, wurde 858 vom Klerus, Adel und Volk der Stadt einstimmig zum Papst gewählt. Der kirchlichen Einheit drohte eine große Gefahr. In Konstantinopel, wo das in Rom erloschene römische Kaisertum noch einen längeren Nachglanz feierte, versuchten auch die Kirchenfürsten, die Patriarchen, ihre Macht zu erhöhen und sich über den römischen Bischof zu setzen. Es schmeichelte auch den Kaisern, den obersten Hirten der Christenheit an ihrer Seite in „Ost-Rom“ zu haben. Diese hochmütigen Pläne führten denn auch später zur wirklichen Trennung der griechischen Kirche von der allgemeinen, der römischen. Damals hatte Photius, der gelehrte, aber ehrgeizige Günstling des griechischen Kaisers, den hochangesehenen Patriarchen Ignatius von Byzanz (Konstantinopel) von seinem Stuhl zu verdrängen gewusst. Um der Sache einen guten Anstrich zu geben, schickte Photius selbst eine glänzende Gesandtschaft nach Rom mit einem Brief voll heuchlerischer Unterwürfigkeit, um dem Papst eine Anerkennung des Geschehenen zu entlocken. Schon dieses Vorgehen ist der sprechendste Beweis, dass man auch in Neu-Rom, in Byzanz, tatsächlich den Bischof von Alt-Rom als den Richter über alle Bischöfe ansah. Sonst hätte man den unehrlichen Versuch, ihn für sich zu gewinnen, gar nicht unternommen. Der stolze Höfling dachte freilich nicht, dass der zum Schein angerufene Richter sich als ein unbeugsamer Verfechter des Rechtes erweisen würde.

 

Zunächst sandte der Papst zwei Bischöfe zur Untersuchung des Streitfalles nach Byzanz. Diese ließen sich aber durch List und Ränke einnehmen und billigten schließlich die Absetzung des Patriarchen Ignatius. Das scharfe, unbestechliche Auge des großen Rechtsbeschützers aber durchschaute das betrügerische Spiel. Es war jetzt nicht bloß mehr ein Rechtsstreit zwischen den beiden Patriarchen, es galt nunmehr auch die Ehre und das Ansehen des römischen Stuhles zu wahren, den man hintergehen und als Teilnehmer an der Vergewaltigung des Rechtes hinstellen wollte. In einem ernsten Schreiben an Photius und den Kaiser Michael legte Papst Nikolaus I., voll apostolischer Hoheit, Verwahrung gegen ihr Verhalten ein. Ein römisches Konzil verfügte die Wiedereinsetzung des rechtmäßigen Patriarchen und die Absetzung des Eindringlings. Der Hochmütige war entlarvt. Nun waren offene Verachtung gegen den Papst, persönliche Verunglimpfung und kindische Drohung seine Antwort. Nikolaus der Große aber wurde von solch persönlichen Angriffen nicht berührt; er blieb immer der hoheitsvolle Verteidiger der Pflichten und Rechte des päpstlichen Stuhles. Die Erwiderung, die er gab, ist für alle Zeiten ein lichtvoller Beweis für die gottgewollte Macht des Nachfolgers Petri, sie ist nichts anderes als der Widerhall jenes Wortes Christi an den Sohn des Jonas: „Du bist Petrus der Fels, und auf diesem Felsen will ich meine Kirche bauen.“ Nikolaus schreibt unter anderem an den Kaiser:

 

„Wenn Ihr Euch an den Vorrechten der römischen Kirche vergreift, nehmt Euch in acht, dass sie sich nicht wider Euch kehren. Es ist gefährlich, gegen die Strömung anzukämpfen und gegen den Stachel auszuschlagen. Wenn Ihr uns nicht hören wollt, werden wir Euch ansehen, wie unser Herr diejenigen anzusehen befohlen hat, die die Kirche nicht hören . . . Die Vorrechte dieses Stuhles oder dieser Kirche sind ewig; sie sind gepflanzt und eingesenkt von Gott selbst. Man kann sie bedrücken, aber nicht ändern; man kann sie angreifen, aber nicht vernichten. Sie waren da vor Eurem Aufstieg zum Kaiserthron. Sie stehen, Gott sei Dank, unversehrt da; sie werden bleiben, wenn Ihr nicht mehr seid, und unverändert sich bewahren, soweit der Name Christi gepredigt wird. Diese Vorrechte sind hervorgegangen aus dem Mund Jesu Christi. Nicht Konzilien haben sie gewährt; die haben sie nur geehrt und bewährt . . .“ Nachdem Nikolaus Gott den Allmächtigen zum Zeugen angerufen hatte, dass in seiner Seele kein anderer Gedanke, kein anderer Wunsch wohne, als zu suchen und zu finden, was Rechtens sei und was der Wohlfahrt der Kirche ersprießlich sei, betonte er mit aller Klarheit, dass die beiden Gewalten, Staatsgewalt und Kirchengewalt, jede auf ihrem Gebiet unabhängig, gegenseitig aber sich Achtung schuldig seien. „Nach der Ankunft dessen, der in Wahrheit König und Hoherpriester ist, hat sich der Kaiser keineswegs die Rechte des Hohenpriesters zugelegt, noch der Hohepriester (der Papst) den Kaisernamen. Jesus Christus hat die beiden Gewalten getrennt, damit die Christlichen Kaiser der Hohenpriester für das ewige Leben benötigten und die Hohenpriester sich der Gesetze der Kaiser für die zeitlichen Angelegenheiten bedienten.“

 

Im Abendland hatte der heilige Nikolaus Gelegenheit, sich als ebenso tatkräftigen Anwalt und Beschützer von Sitte und Recht zu erweisen. Den unwürdigen und widerspenstigen Erzbischof Johann von Ravenna, der mehr ein Raubritter als ein Seelenhirte war, belegte er mit dem Bann und setzte ihn ab. In der Eheangelegenheit des Königs Lothar II. von Lothringen, der seine rechtmäßige Gemahlin Theutberga verstoßen und die ränkevolle Waldrada zur Königin erhoben hatte, war allein der Papst es, der die Rechte der Hilflosen und das christliche Sittengesetz gegenüber mächtigen und vielen Feinden verteidigte. Beugten sich doch Bischöfe in jener verwahrlosten Zeit vor dem mächtigen Fürsten und sprach eine irregeleitete kirchliche Synode die Auflösung der Ehe Theutbergens aus. Als Kaiser Ludwig II., der Bruder Lothars, mit Heeresmacht nach Rom zog und zur Besetzung der Stadt schritt, da blieb dem standhaften Papst nur übrig, das Volk zu einem Gebetskreuzzug aufzurufen, während er selbst zwei Tage und zwei Nächte in Fasten und Gebet in St. Peter zubrachte. Aber keine Gefahr vermochte ihn, an der Grundlage der menschlichen Gesellschaft, an der Unauflöslichkeit einer rechtmäßigen Ehe, rütteln zu lassen.

 

Für sein Volk war Nikolaus I. ein wahrer Vater. Für die durch die häufigen Überschwemmungen des Tiber Obdachlosen baute er Zufluchtsstätten, den von Not Bedrückten öffnete er die Vorratskammern, richtete eine die ganze Stadt umspannende Armenpflege ein und griff, wo und soweit es nur ging, mit tatkräftiger Hand helfend zu. Wenn aber einmal menschliche Hilfe vor all dem Leid ohnmächtig stand, dann zeigten bittere Tränen des Heiligen Vaters, dass der Vater mit dem weinenden Volk litt.

 

Als schließlich der Tod des großen Mannes vorzeitig eintrat, da trauerten nicht nur die Römer über den Verlust ihres Vaters, die ganze christliche Welt fühlte, dass einer der größten Päpste dahingegangen war, dessen nur neunjährige Regierung das Papsttum mächtig zu erheben und darzustellen vermocht hatte.

 

„Die Vorrechte der römischen Kirche sind die Heilmittel der gesamten katholischen Kirche. Sie sind die Waffen gegen jeden Andrang der Ungerechtigkeit, Schutz und Beweismittel für die Priester des Herrn und für alle, die in hoher Würde stehen, sowie für alle, die von den Machthabern irgend einen Nachteil erleiden.“ (Nikolaus I. an Karl den Kahlen – Brief 36)