Dieser Heilige, den man in der Folge oder der sich selbst den Vornamen Paschasius beilegte, wurde in Soissonnais, gegen Ende des 8. Jahrhunderts, geboren. Nach dem Tod seiner Mutter, die er noch als Kind verlor, war er ganz mittellos. Allein die Nonnen des Klosters zu Unserer Lieben Frau zu Soissons sorgten für seinen Unterhalt und übergaben ihn den Mönchen von St. Peter in derselben Stadt. Nachdem er in den Wissenschaften und der Frömmigkeit einige Fortschritte gemacht hatte, empfing er die Klerikaltonsur. Aber leider vergaß er bald, dass er sich Gott geweiht hatte. Er trat in die Welt zurück und führte da eine Zeitlang ein ganz weltliches Leben. Er erkannte jedoch seinen Fehler und, um ihn zu sühnen, zog er sich in das Kloster Corbie zurück, in dem er unter dem heiligen Adalhard, dem Stifter und ersten Abt dieser Genossenschaft, die Gelübde ablegte.
Da nun der neue Ordensmann das Streben nach Vollkommenheit als eine ganz eigene Standespflicht ansah, beobachtete er mit gewissenhafter Pünktlichkeit alle Regeln des Hauses, und wandte alle Mittel an, die geeignet waren, ihn immer mit Gott zu vereinigen. Durch glühendes und unablässiges Gebet heiligte er alle Augenblicke seines Lebens, ergab sich ganz dem Studium der Wissenschaften, die die Religion zum Gegenstand hatten, und errang sich hierin einen ungemeinen Ruhm. Ein so seltenes Verdienst musste ihm die Liebe des heiligen Adalhard und seines Bruders und Nachfolgers Wala gewinnen. Er begleitete sie auf allen ihren Reisen und war gleichsam die Seele in den Beratungen, die sie über die wichtigsten Angelegenheiten hielten. Im Jahr 822 nahmen sie ihn mit sich nach Sachsen, um da die Gründung von Neu-Corbie oder Corvey zu befestigen. Kaiser Ludwig der Fromme schätzte ihn ungemein. Mehr als einmal vertraute er ihm die schwierigsten Geschäfte an und konnte sich allemal freuen, dass er ihm sein Zutrauen geschenkt hat.
Ratbert stand im Kloster dem wichtigsten Amt vor, nämlich denen Sonn- und Festtag das Wort Gottes zu verkünden. Auch gab er der Jugend öffentlichen Unterricht und unter seinem Vorstand erwarb sich die Schule zu Corbie allgemeine Berühmtheit. Unter seinen Jüngern zählt man Adalhard den Jüngeren (Er stand während der Abwesenheit des heiligen Adalhard des Älteren der Abtei Corbie vor.), Anschar, Hildmann und Eudo, die nacheinander Bischöfe von Beauvais waren, Warin, der Abt von Neu-Corvey, u.a.m. Dieser vielseitigen Beschäftigungen ungeachtet, wohnte er regelmäßig dem Chor bei und das Studium schien ihm nie eine vollwichtige Ursache zu sein, um sich von dieser Regel loszusagen.
Im Jahr 844 wurde er zum Abt von Alt-Corvey ernannt, obgleich er erst Diakon war. (Er war der 4. Abt von Corvey und folgte Isaac nach. Dieser ist im Jahr 836 Wala, dem Bruder des heiligen Adalhard, nachgefolgt.) Zwei Jahre später wohnte er dem Konzil zu Paris bei. Weiter war er bei dem anwesend, das 849 zu Quercy gegen Gotschalk zusammen gekommen war. Wegen der Zerstreuungen, die seine Beschäftigungen notwendig mit sich führten, sehnte er sich wieder nach seinem vorigen Zustand, weshalb er auch um seine Entlassung anhielt, die ihm aber erst im Jahr 851 gestattet wurde. Da er nun wieder sich selbst zurückgegeben war, bezog er die Abtei St. Richar (Saint Riquier), um da einige seiner Werke zu vollenden.
Nach seiner Rückkehr lebte er zu Corbie wie vorher in den Übungen aller Tugenden, sich in nichts von den anderen Mönchen unterscheidend als durch seine Innerlichkeit und Demut. Aus Liebe zu letzterer Tugend, nennt er sich oft in seinen Werken den Abschaum der Mönche. Er starb zu Corbie am 26. April um das Jahr 865 und wurde in der Kapelle zum heiligen Johannes beigesetzt. Im Jahr 1073 wurde, mit Erlaubnis des Heiligen Stuhls, sein Leichnam in die Hauptkirche übertragen. Seinen Namen findet man im gallikanischen Martyrologium und in dem der Benediktiner.